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Kultur: Geschichte ohne Helden

Erfolgreiche Uraufführung im Logenhaus: Das Poetenpack erzählt in „Mozart und Casanova“ eine zeitlose wie unterhaltende Komödie über Moral

Es war und war auch nicht. So beginnen russische Zaubermärchen. Und auch das aktuelle Stück des Poetenpacks „Mozart und Casanova“, das nach dem im Jahre 2000 erschienenen Mozart-Roman von Hanns-Josef Ortheil entstand, macht die Möglichkeit eines Treffens der beiden Männer zu seiner Tugend: Es hätte so sein können, aber verbrieft ist es nicht, zwar hielten sich beide historischen Figuren zeitgleich in Prag auf, aber ob sie sich wirklich getroffen haben, weiß man nicht.

Man schreibt das Jahr 1787. Mozart (Tilmar Kuhn) tänzelt, er will Patschhändchen und Pfötchen von Caterina (Anna Luise Kiss), die aber zieht eindeutig die Hand von Casanova (Andreas Hueck), oder besser noch den ganzen Mann vor. Dessen Geheimnis ist natürlich auch, dass er sich sprachlich nicht wie das „Jahrtausendgenie“ lächerlich macht, sondern seine Stimme ölt und seiner Zunge jede Menge verbaler Liebkosungen entlockt: Das mögen die Frauen, das mag Caterina, die sich ihm vollkommen hingibt, um am Ende komplett desillusioniert wieder zu ihrem Wolfgang zurückzukehren und dann doch die Rolle anzunehmen, die der gerade dank Casanovas Hilfe in seinem Don Giovanni festgehalten hat.

Am Freitagabend nun, an Mozarts 250. Geburtstag, hatte das Stück Uraufführung. Die sprachlich wie dramaturgisch gelungene Bühnenadaption des Ortheil-Romans von Kerstin Tomiak und die überzeugenden Schauspieler trugen dazu bei, dass die Komödie in zwei Akten am Ende großen Beifall bekam.

Zu verdanken ist das aber hauptsächlich der changierend agierenden Mozartgestalt, die sich aus ihrer anfänglichen Kindlichkeit, die zu sehr an die überlieferten und überdrüssig perpetuierten Mozartklischees erinnerte, am Ende zu großer Moralität und Sicherheit – vor allem im Verjagen des Konkurrenten – verändern kann. Wolfgang Amadeus mit seinem orangefarbenen Zöpfchen und der dunkelgrün schillernden Hose, den fahrigen Händen und der fiebrigen Notenmalung, dem kindlichen Getue und der nur einmaligen „Rampensau“-groben Albernheit, macht die größte Entwicklung durch. Man gewinnt den anfänglichen Tölpel Amadeus richtig lieb, versteht aber auch die zarte Caterina, die mit emotionsgetönter Stimme und sicherem Willen lieber der Liebe folgt, die sie in der Gestalt des ganz in Creme gekleideten Giacomo wähnt. Zart und in schönem Grünsamt (Kostüm: Janet Kirsten) schmiegt sich die schmale Caterina an ihren Casanova.

Aber alle Register weiblicher Raffinesse helfen nicht, den kaltwarmen Schmeichler zu wirklicher Liebesregung zu bringen. Für ihn ging es ja von Beginn an eh nur darum, dem Komponisten zu zeigen, wie Mann sich eine Frau gefügig macht. Mit Stock und Stiefeln, säuselnden Bewegungen und ungeheuer gut ausgedachten Komplimenten verrichtet der Altmeister der Verführungskunst seine Arbeit, und theoretisiert auch recht hübsch über die Schwäche der Frauen. Kluge Frauen seien leichter zu bekommen als Schöne, weiß der Erfahrene und liefert ein Paradestückchen, an dem die vielen Zuschauer ihre Freude haben.

Sparsam setzt Judith Brandenburg die musikalischen Motive aus Don Giovanni mit ihrem Bandoneon, rhythmisierte kunstvoll das Spiel um die Liebe und markierte gekonnt die Verbindung zwischen der altbekannten Oper und dem Schaustück, das dem Mozartkenner einen möglichen Kommentar zur Entstehung der Oper liefert. Klug auch die Regie (Benjamin Kernen), die Effekte sorgsam einsetzt und dadurch einer Übersättigung ausweicht.

Das Poetenpack beschenkt uns auf der Festsaal-Bühne des Logenhauses mit einer eingeschränkten, also durchaus aktuellen Moral – die Geschichte ist zeitnah und unterhaltsam.

Lore Bardens

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