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Kultur: Klangprächtiger Bogen

Trinity Baroque im Raffaelsaal der Orangerie

Das Ensemble Trinity Baroque ließ zu Beginn des Konzerts im Raffaelsaal der Sanssouci-Orangerie das Publikum wissen: Man möge bis zur Pause auf den üblichen Applaus verzichten. Die Zuhörer hielten sich daran. Die innere Einheit des höchst beeindruckenden Programms wurde somit nicht zerstört. Doch auch das Ende des ersten Teils hätte man gut und gern ohne Beifall beenden können. Denn die acht Sängerinnen und Sänger interpretierten mit einer Ausdrucksintensität ohne gleichen Rudolf Mauersbergers Motette „Wie liegt die Stadt so wüst“, die der Dresdner Kreuzkantor beim Anblick der zerstörten Stadt am Karsamstag 1945 komponierte. Das Werk, geprägt von einer ganz persönlichen Betroffenheit und der universellen Friedensbotschaft, wurde zu einem Meisterwerk des 20. Jahrhunderts.

Es war gut, dass das Ensemble Trinity Baroque und ihr Leiter, der Tenor Julian Podger, Mauersbergers Motette ins Programm nahm, sind doch die Musikfestspiele dem Thema „Dresden – Sachsens Glanz trifft Preußens Gloria“ gewidmet. Und somit waren neben der festlich-heiteren Barockmusik, die in den vergangenen Tagen vor allem erklang, auch solche meditativ-bewegenden Momente des Freitagabends während des Festivals immens wichtig. Auch der Konzertraum, der Raffaelsaal, lässt Assoziationen zu den in der Stadt an der Elbe versammelten Bildern des italienischen Renaissancemeisters Raffael zu. Zwar befinden sich im Potsdamer Orangerieschloss nur Kopien aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV., doch sind sie von kunstgeschichtlicher Bedeutung. Es hatte etwas Bemerkenswertes, auch Reizvolles, wenn man inmitten von Gemälden, die besonders der katholischen Marienverehrung gewidmet sind, protestantische Choräle hört.

Nach der Veröffentlichung des ersten protestantischen Liederbuchs 1523 entwickelte sich der evangelische Liederschatz, der sich deutlich von den musikalischen Traditionen der alten Kirche löste und ein eigenes Profil gewann. Die evangelische Musik erhielt ihre überraschende Frische nicht zuletzt durch die Verwendung der seinerzeit im liturgischen Gebrauch ungewohnten deutschen Sprache mit ihren kräftigen und bilderreichen Formulierungen. Die Sängerinnen, Sänger sowie die fünf Instrumentalisten (Violinen, Chitarrone, Viola da gamba und Orgel) von Trinity Barock sind ideale Sachverwalter dieses Repertoires. Sie bestritten kein Programm, in dem Choral, Choralmotette und Geistliches Konzert wahllos aneinandergereiht wurden, sondern in dem der inhaltliche Bogen die treibende Kraft war.

Neben den Texten und ihren dazugehörenden Vertonungen, die von Tod, Einsamkeit, Trost, Bitte um Frieden („Verleih uns Frieden gnädiglich“) reden, stand im Mittelpunkt das österliche Freudenfest mit „Christ lag in Todesbanden“ sowie das belebende Pfingstfest mit den Chorälen „Komm Heiliger Geist“ und „Nun bitten wir den Heiligen Geist“. Komponisten wie Johann Walter, Johann Staden, Michael Praetorius, Samuel Scheidt, Johann Hermann Schein und Heinrich Schütz haben im Stil der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts oder in den italienisch inspirierten konzertierenden Stücken das Wort musikalisch lebendig werden lassen. Schön, dass Trinity Baroque auch das 18. Jahrhundert in seinem Programm nicht vergaß. Höhepunkt waren die exzellent musizierten Motetten Bachs und Antonio Lottis „Der Geist hilft unserer Schwachheit auf“ beziehungsweise „Crucifixus“. Der klangfarbenprächtige Bogen spannte sich bis ins 20. Jahrhundert. Neben Mauersberger erklangen zwei selten gesungene Choralmotetten von Hugo Disler, dem Erneuerer der deutschen evangelischen Kirchenmusik.

All die gesungenen Kostbarkeiten reichten von sensibler Schlichtheit bis hin zu dramatischer Ausdruckskraft. Sie sind stets an der Ausdeutung des Wortes orientiert. Und so musizierte auch das engagiert wirkende Ensemble unter der Leitung von Julian Podgers. Stilkenntnisse, Intonationsgenauigkeit und Stringenz bei perfekter Stimmpräsenz, das sind die Vorzüge von Trinity Baroque. Der Beifall für diesen außerordentlich bewegenden Konzertabend, der sich fast als Anthologie der evangelischen Kirchenmusik entpuppte, war groß. Johann Rosenmüllers „Welt ade, ich bin dein müde“ gab es als Zugabe. Doch müde wird man keinesfalls, dieses wunderbare Ensemble aus England wieder zu erleben. Klaus Büstrin

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