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Günter M. Ziegler ist Präsident der Freien Universität Berlin

© David Außerhofer

Präsidentenkolumne: Aus der Geschichte lernen

Der Präsident der Freien Universität Berlin über die Aufgaben der Hochschule anlässlich des Jubiläumsjahrs.

Der 75. Geburtstag der Freien Universität war und ist auch ein Anlass zurückzublicken: auf die bewegte Geschichte der Institution und des Wissenschaftsstandortes Dahlem. Und dieser ist deutlich älter: Der seit 1995 zur Freien Universität gehörende Botanische Garten wurde schon vor 120 Jahren in Dahlem angesiedelt; zum Forschungscampus gehört auch die vor 112 Jahren gegründete Kaiser Wilhelm Gesellschaft und ihre Nachfolgerin heute, die Max-Planck-Gesellschaft, mit ihren zahlreichen teils eng mit der Universität verbundenen Instituten, mit Nobelpreisträgern wie Albert Einstein und Otto Hahn, aber auch mit der Entdeckung der Kernspaltung und den furchtbaren Verbrechen am damaligen Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, Menschliche Erblehre und Eugenik, an die wir mahnend erinnern müssen.

Der Blick geht auch zurück auf bemerkenswerte Dokumente, wie etwa die beiden Briefe, die im Sommer 1957 der damalige Rektor gemeinsam mit einem Studenten an die Hebrew University nach Jerusalem schrieb, mit der Bitte um Aufbau von Beziehungen. Damals ohne Antwort, der Austausch konnte erst Jahrzehnte später entwickelt werden. Da geht es auch darum, die Freie Universität als eine von Werten geleitete Hochschule zu begreifen – mit dem Ethos entlang der Leitbegriffe Libertas, Iustitia und Veritas im Siegel, sie auch als Universität während des Kalten Krieges zu verstehen.

Um die Freie Universität als Modell und als Ausgangspunkt der Modernisierung, als progressive Universität, aber auch als Ausgangspunkt der Studentenunruhen – für die auch Rudi Dutschke steht, der in diesem Jahr sein Goldenes Promotionsjubiläum gefeiert hätte. Zu den ehemaligen Studierenden unserer Universität gehört der Chemiker Benjamin List, der vor zwei Jahren mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und dieses Jahr mit einer Ehrendoktorwürde „seines“ Fachbereichs. Wir wollen und müssen also die Geschichte unserer Universität kennen und erforschen. Das Präsidium unterstützt dafür die gerade laufende interdisziplinäre Ringvorlesung „Geschichte der Freien Universität.

Topographie, Institution, Erbe“ und hat eine „Arbeitsstelle Universitätsgeschichte“ eingerichtet. Die Arbeitsstelle soll die Geschichte der Freien Universität erforschen und darstellen. Lässt sich aus der Geschichte lernen? Auch diese Frage reicht viel weiter zurück als nur 75 Jahre: Vor 200 Jahren hat Georg Friedrich Wilhelm Hegel an der Berliner Universität, einer Vorgängerin auch der Freien Universität, in seinen Vorlesungen feststellen müssen: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“ Wir wollen und müssen aus der Geschichte lernen.

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