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Das Palästinensertuch oder die Kufiya zu tragen, gilt als politisches Statement und ist meisten auch eines.

© IMAGO/Olaf Schuelke

Protest gegen abgesagte Abifeier: Israelgegner wollen vor Berliner Gymnasium demonstrieren

Weil Ausschreitungen befürchtet wurden, sagte das Gymnasium Tiergarten die diesjährige Abi-Verleihung ab. Doch jetzt rufen mehrere propalästinensische Gruppierungen zum Protest auf – auch an der Schule.

Beim Protest gegen die Absage ihrer Abiturzeugnisfeier bekommt der Abschlussjahrgang des Gymnasiums Tiergarten die Unterstützung erklärter Israelgegner. Die Gruppe „EyeforPalestine“ hat in Absprache mit Schülervertretern zu einer Demonstration für den 5. Juli vor der Schule aufgerufen. Das ist auch der Termin der Verleihung der Abizeugnisse.

Im Aufruf zur Demo, die bei der Polizei angemeldet wurde, heißt es: „Staatsräson raus aus den Schulen! Keine Genozid-Unterstützung in unseren Klassenräumen!“ „Für ein Ende des Genozids, für ein freies Palästina“. Zudem sollten die Schülerinnen und Schüler bei der Zeugnisvergabe „auftreten wie auch immer sie wollen“.

Die letztgenannte Forderung bezieht sich auf die Pläne, die Abiturverleihung für eine Positionierung für Palästina zu nutzen. Wie der Tagesspiegel berichtete, hatte die Schulleitung – auch im Namen der Schulsozialarbeit und nach Absprache mit der regionalen Schulaufsicht – wegen dieser Pläne die traditionelle Feier im Kino Delphi abgesagt. Gerechnet wurde mit dem massenhaften Tragen des Palästinensertuchs, befürchtet wurden aber auch „eventuelle Ausschreitungen“.

Nach Protesten von Eltern und von Seiten der Schülerschaft gegen die Absage der Feier lenkte die Schulleitung am Donnerstag zumindest teilweise ein. In Gegenwart des Schulrates teilte sie dem Jahrgang mit, dass die Verleihung nun doch nicht ganz abgesagt werde. Den Abiturienten werde, so berichten Betroffene, angeboten, die Zeugnisse in kleinen Gruppen in der Schule vom jeweilgen Tutor in Empfang zu nehmen. Eltern sollten nicht dabei sein.

Die Abiturienten hätten diese Nachricht mit Buh-Rufen quittiert, wurde anschließend berichtet. Nach den schlimmen Coronajahren habe der jetzige Abschlussjahrgang etwas Besseres verdient als eine derart minimalistische Form des Abschieds, wurde als Kritik laut. Sie hätten es verdient, sich würdevoll und mit Reden von allen verabschieden zu können, hieß es.

Schüler- und Elternschaft fühlen sich übergangen

Dass die Schulleitung sich gegen die Feier entschieden hat, wurde vergangene Woche durch einen Jahrgangs-Chat auf Whatsapp ausgelöst. Dort habe es zwei Umfragen gegeben, berichten übereinstimmend mehrere Schülerinnen und Schüler.

Bei der ersten Umfrage sollte man mit Ja oder Nein beantworten, ob man sich „bei der Abi-Verleihung für Palästina einsetzen“ wolle. 49 von 105 Abiturientinnen und Abiturienten hätten mit „Ja“ gestimmt. Bei der zweiten Umfrage sollten sich die Abiturientinnen und Abiturienten festlegen, ob sie „standhaft bleiben, auch wenn die Lehrer was dagegen haben“. Hier sagten 45 von 105 „Ja“.

49
von 105 Schülerinnen und Schülern wollten sich laut Umfrage bei der Abi-Verleihung „für Palästina einsetzen“.

Vor dem Hintergrund vorangegangener Konflikte sowie handfester Störungen während der eigentlich verbotenen Abi-Motto-Woche war es dann am Freitag zur Absage der Feier durch die Schulleitung gekommen. Zu groß sei die Befürchtung gewesen, dass es bei der Verleihung zu „massiven konfrontativen politischen Kundgebungen“ durch einen großen Teil des Jahrgangs kommen könnte, hatte die Schulleitung argumentiert.

Der Schulleitung wird vor allem vorgeworfen, dass sie über die Köpfe der Schüler- und Elternschaft hinweg entschieden habe. Das sei umso bedauerlicher, als die Schule sonst große Anstrengungen unternehme „diese bunte Truppe zusammenzuhalten“ und dabei auch viel Gutes leiste, würdigten Elternvertreter die Schule als Ganzes.

Einige Eltern äußerten auch Verständnis dafür, dass die Schulleitung nicht hinnehmen könne, dass eine offizielle Abizeugnisverleihung zu einer Kundgebung gegen Israel mutiere, wie es jetzt absehbar mit der Demo von „Eye4Palestine“ passieren werde.

Das ist kein friedliches Aufeinanderzugehen, sondern eine konfrontative Weise, von der man die Ausmaße noch nicht erahnen kann.

Eine Mutter des Abiturientenjahrgangs zum Demo-Aufruf von Eye4Palestine

„Davon nehmen wir deutlich Abstand!“, betonte eine der Mütter des Abiturjahrgangs auf Anfrage. Diese Organisation mache es mit ihren Ankündigungen „schlimmer als die Situation sowieso gerade ist“. Das sei „kein friedliches Aufeinanderzugehen, sondern eine konfrontative Weise, von der man die Ausmaße noch nicht erahnen kann“. Sie wünsche sich „für alle Beteiligten eine friedliche, demokratische Lösung mit einer Kompromissbereitschaft von allen“.

Gymnasium kann angeblich im Kino Delphi kein Hausrecht ausüben

Dabei könnte der Fall an Brisanz noch zunehmen: „Eye4Palestine“ ist nicht die einzige Gruppierung aus dem israelkritischen und propalästinensischen Spektrum, die die Entscheidung der Schulleitung aufgegriffen hat. Auch „Young Struggle“ erklärte am Donnerstagabend auf Instagram, dass die Entscheidung des Gymnasiums Tiergarten „sich in eine lange Liste an Repressionen in Bildungseinrichtungen einreiht, die zum Ziel haben, Palästina-solidarische Stimmen mundtot zu machen.“

Schülerinnen und Schüler werden in dem Statement dazu angerufen, mit Palästinensertuch zu ihrer Zeugnisverleihung oder zum Abiball zu erscheinen. Die international operierende, marxistisch-leninistische Jugendorganisation hatte wenige Tage nach dem terroristischen Hamas-Überfall auf Israel die Gräueltaten der Islamisten als „legitimen Befreiungskampf“ bezeichnet.

Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) hatte Berliner Schulen wenige Tage nach dem Hamas-Angriff auf Israel im Oktober 2023 die Möglichkeit gegeben, das Tragen von sogenannten Palästinensertüchern zu verbieten.

© dpa/Soeren Stache

Hintergrund ist eine Entscheidung von Berlins Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU). Wenige Tage nach dem Angriff der islamischen Hamas auf Israel hatte sie Berliner Schulen die Möglichkeit gegeben, das Tragen von sogenannten Palästinensertüchern und anderen Symbolen für den Fall zu verbieten, dass dadurch der Schulfrieden gestört wird. Das Gymnasium Tiergarten stand bei der Abiturfeier aber vor dem Problem, dass die Schule im Delphi kein Hausrecht ausüben könne, wie sie behauptet..

Tilmann Kötterheinrich-Wedekind vom Vorstand der Interessenvertretung Berliner Schulleitungen hatte nach Bekanntwerden der Abiturfeier gesagt, er halte die Absage der Abiturfeier durch die Schulleitung „für konsequent und absolut richtig, zumal sie in einer kritischen Situation, wo möglicherweise der Schulfrieden gestört werden könnte, nicht das Hausrecht gehabt hätte“. Abiturfeiern eigneten sich nicht für politischen Protest: „Das schadet mehr der gesamten Schulgemeinschaft und dem Schulfrieden.“

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