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Sport: „Ich habe zwei Heimaten“

Niko Kovac über seinen Weg als in Berlin geborener Jugoslawe zum kroatischen Nationalspieler

Herr Kovac, welche Nationalhymne ist die schönste: die deutsche, die jugoslawische oder die kroatische?

Die kroatische natürlich. Die deutsche habe ich in der Schule gelernt, die jugoslawische kenne ich gar nicht.

Sie sind in Berlin geboren, in Wedding aufgewachsen: Haben Sie sich als Deutscher oder als Jugoslawe gefühlt?

Ich habe mich immer als Kroate gefühlt. Auch vor 1991, als es den Staat Kroatien noch gar nicht gab. Ich weiß, hier in Berlin habt ihr uns früher alle einheitlich als Jugoslawen gesehen. Aber wir haben da sehr wohl Unterschiede gemacht. Und uns trotzdem alle gut verstanden.

Anders als heute.

Heute ist das auch okay, viel besser, als immer behauptet wird. In der Kriegszeit war es halt sehr schwierig. Wenn du wie ich Verwandte in Kroatien hast und die Bomben fallen, dann fällt einem der Umgang mit den anderen Volksgruppen natürlich ein bisschen schwerer. In dieser Zeit hat man den Kontakt zu serbischen Bekannten nicht unbedingt gesucht.

1979 hat Roter Stern Belgrad im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Hertha gespielt. Waren Sie da im Olympiastadion?

Nein, da war ich zu jung, aber wenn ich da gewesen wäre, hätte ich bestimmt Hertha angefeuert.

Obwohl eine jugoslawische Mannschaft der Gegner war?

Wie gesagt: Jugoslawien war schon damals nicht gleich Jugoslawien.

Welchen Pass hatten Sie früher?

Nur den jugoslawischen, ganz in Rot.

Haben Sie den noch?

Nein, den habe ich weggeworfen. Was soll ich damit? Ich weiß, dass viele Ostdeutsche immer noch ihren alten DDR-Pass haben. Diese Anhänglichkeit gibt es bei mir nicht. Die Zeit bis zur Unabhängigkeit 1991war für uns Kroaten nicht besonders schön, ich möchte nicht unbedingt daran erinnert werden. Jetzt habe ich nur noch den kroatischen Pass.

Deutschland hat Kroatien als erstes Land anerkannt.

Das werden wir den Deutschen nie vergessen. Die Briten und die Franzosen hätten uns bestimmt nicht gleich anerkannt, die stehen geschichtlich ja eher auf Seiten der Serben. Wir hatten in den Deutschen ja schon immer Fürsprecher…

… auch im Zweiten Weltkrieg - damals haben die Deutschen die faschistische Ustascha-Bewegung unterstützt. Wie lange reicht Ihr politisches Interesse zurück?

Ich will das nicht zu hoch hängen. Früher war die Politik für mich in Berlin natürlich nicht so greifbar. Seit der Staatsgründung ist das anders. Ich bin ein aktiver Staatsbürger und nehme auch mein Wahlrecht wahr.

Ihr Landsmann Goran Ivanisevic hat sich mal als Soldat mit Tennisschläger bezeichnet. Wie weit geht Ihre Identifikation mit der kroatischen Sache?

Wollen Sie jetzt wissen, ob ich für Kroatien in den Krieg gezogen wäre? Gott sei Dank hat sich die Frage damals nicht gestellt, weil ich noch zu jung war. Und später bin ich vom Wehrdienst befreit worden, weil ich schon Spitzensportler war.

Hat zu Ihren Jugendzeiten mal der Deutsche Fußball-Bund bei Ihnen oder Ihrem Bruder Robert angefragt, ob Sie für die Deutschland spielen würden?

Nein, das hätte ich auch nie gemacht. Aber das ist eher hypothetisch. Als ich 19 war, habe ich mit Hertha in der Zweiten Liga gespielt – da war die Nationalmannschaft doch ein ganzes Stück entfernt.

Jetzt spielen Sie in der kroatischen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft. Sie sind Stammspieler und tragen die prestigeträchtige Nummer zehn.

Das mit der Nummer war ein Zufall. Zvonimir Boban, der vorher die Zehn hatte, hörte gerade auf, die anderen Nummern waren schon vergeben, da blieb nur noch die Zehn für mich, und ich habe sie halt genommen. Obwohl das natürlich eine verdammt schwere Hypothek war.

Ihr Berliner Teamkollege Josip Simunic spielt auch für Kroatien. Sprechen Sie bei Hertha kroatisch oder deutsch mit ihm?

Natürlich kroatisch. Das hat den Vorteil, dass uns keiner verstehen kann. Der Joe ist ja in Australien aufgewachsen, aber er spricht mittlerweile ganz anständig Kroatisch. Mit der Grammatik hat er manchmal noch Probleme. Wir haben zu Hause immer Kroatisch gesprochen, aber richtig gut bin ich erst, seitdem ich in der Nationalmannschaft spiele. Da lernt man noch einiges dazu. Nicht nur sportlich.

Wollen Sie später in Kroatien oder in Deutschland leben?

In Deutschland. Ich bin hier geboren und habe hier alles, was ich brauche. Urlaub mache ich in Kroatien, aber nach ein, zwei Monaten reicht es dann auch. Dann muss man wieder dahin zurück, wo Ordnung, Zucht und Disziplin herrschen.

Wo ist Ihre Heimat?

Ich bin in Wedding geboren, das ist schon meine Heimat, aber ich bin auch Kroate, ich habe kroatisches Blut in meinen Adern. Ich würde mal sagen, ich habe zwei Heimaten.

Wenn Sie sich entscheiden müssten …

… würde ich mich für Kroatien entscheiden. Sie müssten mal sehen, wie es bei uns in der Nationalmannschaft zugeht. Wir fallen uns in die Arme und küssen uns, wir lieben uns. Wir freuen uns alle, wieder in die Heimat zu kommen, vor allem die, die da unten geboren sind und jetzt im Ausland spielen. Wir sind stolz auf unsere Nation, wir sind stolz, dass wir das Nationaltrikot tragen. Wir dürfen das Wort Stolz ja noch mit gutem Gewissen benutzen, die Deutschen haben damit seit dem Zweiten Weltkrieg aus nachvollziehbaren Gründen ein Problem.

Hatten Sie mal ein Angebot aus Kroatien?

Nein, nicht richtig. Als ich noch in Leverkusen spielte, da soll Franjo Tudjman…

… der damalige Staatspräsident …

… mal sein Interesse bekundet haben. Der hat viel Geld in den Klub von Croatia Zagreb reingepumpt, die Profis sind bei ihm ein- und ausgegangen. Das waren damals die erfolgreichsten Jahre des Klubs. Mit mir hat sich das aber zerschlagen.

Wenn Ihnen Roter Stern Belgrad morgen zehn Millionen Euro pro Jahr bietet…

…würde ich absagen. Ein Kroate bei einem serbischen Verein, und dann auch noch bei Roter Stern – das geht nicht. So weit sind wir noch nicht!

Das Gespräch führten Sven Goldmann und Stefan Hermanns.

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