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Trainer Dusty Baker feiert den Titel mit seiner Mannschaft.

© Imago/Troy Taormina

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Major League Baseball: Houston Astros gewinnen World Series

Dusty Baker avancierte dabei mit 73 Jahren zum ältesten Trainer, der in einer der vier großen nordamerikanischen Sportligen eine Meisterschaft gewann.

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Dusty Bakers Markenzeichen ist der Zahnstocher. „Sie sind eine wunderbare Proteinquelle“, hat die Baseball-Legende einmal erzählt. Pro Spiel steckt er sich stets einen in den Mund und kaut die folgenden drei oder mehr Stunden darauf herum. Als Manager, so wie die sportlich für ein Team verantwortlichen Coaches in der Major League Baseball genannt werden, hat er mehrere tausend Zahnstocher zerbissen. Jetzt, in Houston, ist er endlich auch Meister geworden, die Astros gewannen in der Nacht zu Sonntag das sechste Finale der World Series gegen die Philadelphia Phillies mit 4:1 und damit die Best-of-seven-Serie 4:2..

Baker war immer die sympathische Vaterfigur, der wie ein großer Teddy wirkte mit seinem breiten Grinsen und der Brille. Wenn er spricht, spricht er mit Bedacht – so wie man das von einem Coach erwarten kann, der sein ganzes Leben dem Sport gewidmet hat. Baker war fast 20 Jahre Profi in der besten Baseball-Liga der Welt, er bestritt über 2000 Spiele und stand nie auf der Verletztenliste. Baker war schon als Spieler ein Muster an Beständigkeit. Und doch gab es in seiner folgenden, über zwei Jahrzehnte währenden Manager-Karriere mit noch einmal mehr als 2000 Spielen diesen Makel, es nie bis ganz ans Ziel geschafft zu haben.

Nun ist ihm das gelungen und auch wenn die Houston Astros kein Champion der Herzen sind, so ist Baker doch ein Typ, dem alle im Baseball den Titel gönnen. Mit 73 Jahren ist er der älteste Manager, der die World Series gewonnen hat, er ist zudem erst der dritte Afro-Amerikaner in einem Business, das es Menschen wie ihm nicht immer leicht gemacht hat. „Ich denke nicht darüber nach, dass ich ein afro-amerikanischer Manager bin, weil ich jeden Tag in den Spiegel schaue und weiß, was ich bin“, sagte er vor dem sechsten und letzten Spiel der Serie. Trotzdem sei er in gewisser Weise ein Auserwählter, von all den Menschen, denen er täglich begegne und die ihn unterstützt hätten auf seinem Weg.

Baker musste sich in all den Jahren als Spieler und Coach auch umstellen, das Spiel hat sich in den über 50 Jahren, die er in der MLB tätig ist, grundlegend verändert. Das wurde gerade in diesen Play-offs und nun in der World Series 2022 deutlich. Im sechsten Endspiel führte Philadelphia 1:0, als es ins sechste Inning ging. Phillies-Pitcher Zack Wheeler dominierte die Astros-Offensive mit seinen Würfen, doch dann verlor sein Manager Rob Thomson die Nerven – oder besser: er hielt sich strikt an sein Skript, in dem es nicht mehr nach Gefühl für die Situation, sondern nach der Datenlage geht.

Wheeler ließ zwei Baserunner zu, bei nur einem Aus wechselte Thomson und brachte gegen Yordan Alvarez für den rechtshändigen Wheeler den Linkshänder José Alvarado, der in den Spielen zuvor großen Erfolg gegen den gefürchteten Astros-Schlagmann hatte. Doch diesmal jagte Alvarez den Ball 150 Meter über das Center Field hinaus und machte mit seinem Homerun aus dem 0:1 ein 3:1 – es war die Vorentscheidung in diesem Spiel. Wheeler meinte später, er hätte sich gut gefühlt und sich zugetraut, die kritische Situation zu überstehen.

Natürlich ist man auch im Baseball hinterher immer schlauer und doch ist der Trend in diesem Sport für viele Traditionalisten durchaus alarmierend. In der World Series beendete kein Starting Pitcher das siebte Inning, als Dusty Baker 1981 mit den Los Angeles Dodgers als Spieler den Titel holte, war das die Regel. Die Starter waren die Stars, denen man vertraute – auch in engen Situationen. Und im Zweifel ein Spiel auch bis zum Ende bestritten. Inzwischen gibt es zu jedem Schlagmann in jeder Situation Statistiken. Entsprechend reagieren die Manager mit Ein- und Auswechslungen ihrer Werfer. Im Film „Moneyball“ wird das grundsätzliche Prinzip erklärt: Baseball ist ein Spiel der prozentualen Wahrscheinlichkeiten geworden. Zahlen entscheiden über den Ausgang eines Spiels, die emotionale Komponente rückt zunehmend in den Hintergrund.

Yordan Alvarez feiert seinen Homerun - und wenig später den Titel mit den Astros.

© IMAGO/Troy Taormina

In den USA, wo Baseball einmal fast so populär wie American Football war, hat sich das längst auf das Interesse an der MLB ausgewirkt. Die Einschaltquoten für die World Series 2022 waren vergleichsweise dürftig, obwohl die Endspiele zur Primetime im landesweiten Sender Fox ausgestrahlt wurden. Der Grund liegt auf der Hand: Wenn die eigentlich Superstars – und als solche wurden die besten Starting Pitcher über Jahre gehyped – nur noch Nebenrollen einnehmen und stattdessen eher namenlose Spezialisten die Spiele entscheiden, dann interessiert das augenscheinlich immer weniger Menschen.

Der Starter im Baseball war früher in den USA ähnlich populär wie es der Quarterback im Football bis heute ist. Ein Justin Verlander, der größte Name unter den Pitchern in der World Series, bekam für nur fünf Innings in Spiel fünf den Sieg für die Astros gutgeschrieben. Als am Ende spannend wurde, schaute er aber längst von draußen zu.

Diese Entwicklung dürfte Dusty Baker egal sein, er hat nun endlich seinen Titel. Und er hat gezeigt, der er es auch versteht, sich den modernen Anforderungen an einen Manager erfolgreich zu stellen. Obwohl sein Starter Cristian Javier im vierten Spiel noch keinen Hit zugelassen hatte, wechselte er ihn dennoch nach dem sechsten Inning aus. Dass seine Kollegen danach nahtlos an dessen Leistung anknüpften und es den ersten „No-Hitter“ in der World Series seit 1956 gab, passt in diese Zeit. Damals warf Don Larsen ein Perfekt Game, er stand von Anfang bis Ende für die New York Yankees auf dem Mound.

Dusty Baker war seinerzeit sieben Jahre alt – fast sieben Jahrzehnte später ist Baseball ein komplett anderes Spiel geworden. Baker aber will weitermachen und noch viele Zahnstocher zerkauen: „Wenn du einen Titel gewonnen hast, kannst du auch zwei holen“, sagte er nach seinem Triumph.

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