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Kandidat mit Schattenseite. Salman Al Chalifa betreibt Wahlkampf vor allem im Hintergrund.

© AFP/Coffrini

Fifa-Kongress: Scheich Salman Al Chalifa und die Fliegen

Salman Al Chalifa ist der Favorit bei der Fifa-Wahl heute – viele in der Fußball-Welt haben Angst vor dem undurchsichtigen Araber.

Von Johannes Nedo

Der Ablauf ist exakt geplant. Die große schwarze Limousine hält direkt vor den wartenden Kameras. Scheich Salman Al Chalifa schwingt sich heraus und lächelt. Er trägt ein legeres Outfit: sportliche Stoffjacke, bei seinem Hemd ist der oberste Knopf geöffnet. Die silbernen Haare sind perfekt nach hinten gekämmt. Und auch er gibt sich so locker er nur kann. Mit erhobenem Daumen und freundlicher Miene schreitet er an den Kameras vorbei – hin zum nächsten Treffen mit wichtigen Fußball-Funktionären.

Scheich Salman lässt in diesen Tagen in Zürich wirklich keinen Termin aus, besonders nicht solch einen informellen wie das Treffen mit Spitzen-Funktionären am Mittwochabend im Fifa-Museum. Denn er will unbedingt gewinnen. Der heutige Freitag soll sein großer Tag werden. Dann will der 50-Jährige aus Bahrain beim Fifa-Kongress zum neuen Präsidenten des Fußball-Weltverbands gewählt werden, zu Joseph Blatters Nachfolger. Dafür betreibt er seit drei Monaten einen weltumspannenden Wahlkampf. Einen Wahlkampf, bei dem es eigentlich wenig um öffentliche Auftritte geht – denn dass diese ihm nicht sonderlich liegen, wird schnell deutlich. Im Rampenlicht wirkt Scheich Salman etwas steif, fast blockiert. Ihm liegt eher das diskretere Umfeld. Und dort muss er wirklich sehr überzeugend sein.

Bei der Wahl des Fifa-Präsidenten gilt er als Favorit. Als Präsident des Asiatischen Fußball-Verbands hat er nahezu alle Stimmen seiner Konföderation sicher, zusätzlich die Mehrzahl der afrikanischen Stimmen. Auch in Südamerika war sein Werben zuletzt erfolgreich. Er findet, das System Fifa funktioniere. Sein Leitspruch lautet: Er wolle die Politik aus dem Fußball heraushalten. Da stimmen ihm viele Funktionäre zu. Von seinen vier Konkurrenten, dem Schweizer Gianni Infantino, dem Franzosen Jerome Champagne, dem Jordanier Prinz Ali bin Al-Hussein und dem Südafrikaner Tokyo Sexwale, kann ihm nur Infantino den Sieg streitig machen.

Doch sicher kann sich Scheich Salman trotzdem nicht sein. Denn es gibt noch zwei große Punkte, die ihn auch auf der Zielgeraden um den Triumph bringen können. Sie umschwirren ihn wie lästige Fliegen, seit er im vergangenen Oktober seine Kandidatur verkündet hat. Er wird sie einfach nicht los. Und so macht Scheich Salman die Wahl in Zürich auch zu einer Abstimmung über zwei große Themen, die seit langem im organisierten Fußball schwelen: die Angst vor dem arabischen Einfluss und die seltsame Haltung der Fifa, sobald es um Menschenrechte geht.

Scheich Salman kämpft also an zwei verschiedenen Fronten, die jedoch einiges darüber aussagen, wie es in der Welt der Fußballfunktionäre noch teilweise zugeht. Zum einen ist es noch immer ein Klub der alten Herren, konservativ und vorurteilsbeladen. Die Europäer gaben dort lange den Ton an, ebenso wie die Südamerikaner. Sie verließen sich auf die Stärke ihrer Nationalteams und die Wirtschaftskraft ihrer Ligen. Aber diese Machtposition wankt schon lange. Arabische Firmen übernehmen die Mehrheiten an Klubs wie Paris Saint-Germain und Manchester City, arabische Sponsoren prangen auf den Trikots vom FC Barcelona und Real Madrid. Und mit der WM 2022 in Katar sicherte sich die vor Finanzkraft strotzende Region auch die größte Fußball-Bühne.

Ein Araber als mächtigster Mann im Fußball ist für viele unvorstellbar

Redet man mit hohen Uefa-Funktionären über den Einfluss der Araber, sagen sie hinter vorgehaltener Hand: Ein Araber als mächtigster Mann im Fußball sei für viele unvorstellbar. Viel unterschwelliger Rassismus tritt zu Tage. Es wird den Scheichs abgesprochen, sich für Fußball zu interessieren. „Die Angst vor den nach Macht und Ansehen strebenden Arabern ist überall präsent“, sagt Professor Emile Nakhleh. Der Amerikaner ist ein ehemaliger CIA-Analyst und Experte für die Golfregion. „Die arabischen Staaten haben den Sport als Bereich erkannt, um sich mehr Beachtung in der Welt zu schaffen.“

Scheich Salman nutzt diese herumwabernde, schwer greifbare Furcht auch für sich aus. Wenn ihm vorgehalten wird, er komme aus einem Land ohne demokratische Tradition, einem Land, dessen Königsfamilie das eigene Volk unterdrückt, und könne daher keinen Neubeginn bei der Fifa einleiten, entgegnet er in Interviews: „Ich brauche keine Demokratie-Erziehung. Ist es westlicher Rassismus, den ich erlebe?“ Derzeit tut der Cousin des Königs von Bahrain alles, um sich fortschrittlich zu geben. Selten tritt er im Ausland im weißen Gewand und mit Kopfbedeckung auf. Meist trägt er Anzug. Er agiert stets höflich und freundlich. Berichtet von seinem Studium englischer Literatur und Geschichte in London. Betont seine finanzielle Unabhängigkeit, die er sich als Unternehmer im Immobiliengeschäft sowie Im- und Export aufgebaut habe. Redet davon, dass er ein großer Fan von Manchester United sei und schwärmt von der unbeschwerten Zeit, als er als Kind auf dem holprigen Lehmboden Fußball spielte.

Nur bei einem Thema wird er empfindlich. Denn gegen ihn erheben Menschenrechtler schwere Vorwürfe. Nach den Protesten des Arabischen Frühlings 2011 in Bahrain soll er als Präsident des nationalen Fußball-Verbands eine Kommission geleitet haben, die regimekritische Sportler identifizieren und deren Namen an Regierungsorganisationen weiterleiten sollte. Daraufhin wurden viele Athleten verhaftet, einige davon wurden wohl auch im Gefängnis gefoltert. Scheich Salman widerspricht allen Vorwürfen.

„Salman konnte jedoch nie eine zufriedenstellende Erklärung abgeben, die ihn entlastet“, sagt Nicholas McGeehan, Bahrain-Experte von Human Rights Watch. „Er ist eine tickende Zeitbombe für die Fifa.“ Auch Nakhleh betont: „Es gibt große Fragezeichen hinter seiner Rolle damals.“ Und der Menschenrechtler Said Al Muhafdha vom Bahrain Center for Human Rights betont: „Es gibt klare Beweise gegen ihn. Zudem war er still, als bahrainische Sportler gefoltert wurden.“

Zu seiner Verteidigung hat Scheich Salman kürzlich sogar eine Liste von Menschenrechtsorganisationen veröffentlicht, die sich hinter ihn stellen. Aber Al Muhafdah sagt dazu: „Manche Organisationen gibt es nicht, andere sind regierungsnahe Organisationen, die nicht unabhängig sind.“ Eigentlich würde man erwarten, dass die Fifa solche Dinge genau überprüft. Doch als der Weltverband die Kandidaten kontrollierte, ob sie für den Chefposten zulässig seien, gab es keine neuen Untersuchungen vor Ort. Und so gab es auch keine Beweise gegen Scheich Salman.

„Dass sich die Fifa überhaupt auf ihn eingelassen hat, überschattet den kompletten Reformprozess“, sagt Nakhleh. Selbst innerhalb der Fifa herrscht die Meinung vor: Scheich Salman wäre keiner, mit dem ein Ruck durch den Verband gehen würde. Doch laut dagegen vorgehen will keiner. So stellt Scheich Salman die Fifa vor eine Zerreißprobe. Denn er will nur gewinnen – dafür hat er alles exakt geplant.

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