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Juniorprofessur: Sprungbrett zum Lehrstuhl

Die Juniorprofessur soll akademische Karrieren beschleunigen. Die ersten Erfahrungen sind positiv. Trotzdem führen die Unis das Modell nur zögerlich ein

Gleich seine erste Vorlesung brachte Marcel Paulssen hohe Sympathiewerte ein. „Was gibt es denn heute so Neues?“, fragte der Juniorprofessor eine Studentin in der zweiten Reihe, die lieber in der Zeitung las, statt seinen Ausführungen zu lauschen. Rote Ohren bei der Studentin, Gelächter bei den Kommilitonen. Das Eis war gebrochen.

So einfach machten es ihm manche Kollegen nicht. „An meiner Uni hatte ich zwar keine Probleme, aber auf Tagungen und Konferenzen wurde ich oft nicht für voll genommen. Das war schon hart“, sagt Paulssen. 36 war er, als er 2002 auf eine Juniorprofessur für Marketing an der Humboldt-Universität Berlin berufen wurde. Er gehört zur ersten Generation des noch jungen Karrieremodells. Durch die Einführung der Juniorprofessur vor sechs Jahren wollte die damalige Bundesforschungsministerin, Edelgard Bulmahn, akademische Uni-Karrieren beschleunigen. Auch ohne Habilitation sollten junge Wissenschaftler eigenständig forschen und lehren und sich nicht in die jahrelange Abhängigkeit eines Professors begeben müssen.

An vielen Unis stieß dieses neue Modell auf wenig Gegenliebe, Marcel Paulssen bekam das zu spüren. Kritiker befürchteten, dass die Juniorprofessur dem Qualitätsanspruch der klassischen Habilitation nicht gerecht wird. Vor allem ältere Professoren betrachteten die jungen Kollegen allenfalls als Professoren zweiter Klasse. Jetzt aber wendet sich das Blatt. Die Juniorprofessoren zeigen, was sie können. Die kritischen Stimmen verstummen.

Dennoch wurden bislang erst rund 800 Juniorprofessoren berufen. Das ist etwa jede 20. Professorenstelle in Deutschland. Bei der Einführung hatte das Bundesbildungsministerium mit 6000 Stellen gerechnet. „Die Juniorprofessur sollte der Standardausbildungsweg in der Hochschullehre werden, ist aber bis jetzt nur ein Weg neben anderen“, sagt Gero Federkeil vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).

Dabei wäre ein weiteres Umdenken dringend erforderlich. Nur noch knapp 16 Prozent der Top-Absolventen können sich eine akademische Karriere vorstellen, vor einem Jahr waren es noch 19,2 Prozent. Das ergab eine Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey unter 3000 Stipendiaten des Netzwerks E-fellows.net. Der Grund: die besseren Karrierechancen in der Wirtschaft.

Kurosch Rezwan, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft Juniorprofessur, will daher weiter daran arbeiten, die Kritiker zu überzeugen. Wo hakt es noch an der Umsetzung des Modells? Wie kann der Verein den bundesweiten Austausch untereinander fördern? Es gebe noch einiges zu tun, sagt er.

Der 33-Jährige ist seit 2006 Juniorprofessor für Biokeramik an der Uni Bremen. Objektiv gesehen gebe es keinen Grund, die Qualifikation in Frage zu stellen. „Die Juniorprofessur setzt strengere Qualitätskriterien voraus, die bei der klassischen Habilitation nur teilweise eine Rolle spielen.“ Anders als ein Habilitand, der am Lehrstuhl eines Professors beschäftigt ist und diesem zuarbeitet, ist ein Juniorprofessor für sein Forschungsgebiet selbst verantwortlich. Er verwaltet sein Budget eigenständig und kann Mitarbeiter einstellen. Ein Juniorprofessor sammelt meist mehr Lehrerfahrung, da vier bis sechs Semesterwochenstunden Lehre verpflichtend sind. Nach drei und nach sechs Jahren stehen zudem Bewertungen der Arbeit an. Nur bei erfolgreichem Bestehen hat der Jungakademiker die Chance, auf eine Lebenszeitprofessur berufen zu werden.

Kurosch Rezwan, dem diese Prüfungen noch bevorstehen, findet das Konzept gut. Durch diese Kriterien werde die Bewertung transparenter. Das sei auch im Hinblick auf eine internationale Karriere von Vorteil. Durch Forschungsaufenthalte in den USA und Großbritannien kennt Rezwan die ausländischen Hochschulsysteme, die jetzt als Vorbilder herangezogen werden. „Der globale Wettbewerb macht auch vor den Hochschulen nicht Halt. Und man bekommt auf lange Sicht keine gute Mannschaft, wenn man nicht in den Nachwuchs investiert.“ Der gebürtige Schweizer hat selbst bisher gute Erfahrungen gemacht und kann das Modell jungen Akademikern nur empfehlen. „Es ist ein lohnender Karriereweg, wenn die Juniorprofessur richtig ausgestaltet ist.“

Trotz der anhaltenden Probleme sind die Juniorprofessoren insgesamt zufrieden. „Aus Sicht der Stelleninhaber hat sich das Modell bewährt“, sagt Gero Federkeil vom CHE. Laut seiner Studie würden 71 Prozent der befragten Jungprofessoren wieder eine solche Stelle annehmen, nur 12 Prozent würden einen anderen Weg einschlagen, wenn sie nochmal wählen könnten. Trotzdem wünschen sich die meisten Jungprofs Verbesserungen des Konzepts.

Da die Hochschulen Ländersache sind, gibt es keine einheitlichen Rahmenbedingungen. Zwar ist die Juniorprofessur in allen Bundesländern rechtlich verankert, die einzelnen Länder engagieren sich jedoch unterschiedlich stark. Die südlichen Bundesländer halten sich bislang zurück, viele norddeutsche Bundesländer hingegen sind schon seit 2002 dabei.

Auch an den Hochschulen und in den Fachbereichen sind die Unterschiede groß. Besonders die Wirtschafts- und Naturwissenschaften sind beim Ausbau federführend. Die Geisteswissenschaften und Jura entdecken die Juniorprofessur erst langsam für sich. Hier offenbart sich das Generationenproblem am deutlichsten. Die Wirtschafts- und Naturwissenschaften sind traditionell stärker internationalisiert. Jura und viele Geisteswissenschaften sind das, was Matthias Klatt „strukturkonservativ“ nennt. Der 35-jährige Juniorprofessor für Öffentliches Recht an der Uni Hamburg ist in seinem Fach noch eine Seltenheit. Seine Stellung, findet er, komme aber einem Paradigmenwechsel in der deutschen Wissenschaftsgemeinde gleich. Auch ein Fach wie Jura könne sich auf lange Sicht nicht der Juniorprofessur entziehen. „Fakultäten, die sich hier sperren, werden künftig Nachteile haben. Auch bei der Exzellenzinitiative hat sich gezeigt, dass die Unis erfolgreich sind, die den Nachwuchs intensiv fördern“, sagt Klatt.

Das größte Manko der deutschen Juniorprofessur ist allerdings immer noch die fehlende Karriereperspektive. Um sich alle Chancen offen zu halten, habilitieren viele Juniorprofessoren zusätzlich und führen damit das Modell ad absurdum. Im Idealfall schließt sich an die sechsjährige Zeit als Juniorprofessor und nach erfolgreicher Bewertung eine Berufung auf eine Lebenszeitprofessur an. Dieses Modell des so genannten Tenure Track wird bislang aber an den wenigsten Hochschulen umgesetzt. Der schlichte Grund: die schlechte Haushaltslage vieler Hochschulen.

Barbara Beham zum Beispiel hat zwar eine Professur mit Tenure Track, eine wirkliche Karriereperspektive fehlt jedoch. Denn ihre Hochschule, die Humboldt-Universität Berlin, bedient sich eines Kniffs im Vertrag. Beham kann nur auf eine anschließende Berufung hoffen, wenn in sechs Jahren auch die Mittel da sind, um eine Stelle zu schaffen.

Deswegen macht sich die 34-Jährige Gedanken darüber, wie ihre berufliche Zukunft außerhalb der Hochschule aussehen könnte. Nach ihrem BWL-Studium arbeitete die gebürtige Österreicherin einige Jahre in der Wirtschaft und könnte sich einen Weg zurück vorstellen. Eigentlich sieht sie sich aber in der Wissenschaft. „Natürlich kann man in der Wirtschaft einiges mehr verdienen. Aber hier bin ich autonom in der Ausgestaltung meiner Arbeit und kann Verantwortung übernehmen.“

Ein Freiraum, der auch Nachteile haben kann. Denn der Alltag an der Uni bringt viele Verwaltungsaufgaben mit sich. Und im Gegensatz zu den Professoren werden Juniorprofessoren in der Regel nicht von zahlreichen Mitarbeitern unterstützt. Barbara Beham wollte zu Beginn ihrer Juniorprofessur im April 2008 alles selbst machen, auch um ein Gefühl für die Arbeit zu bekommen. „Das ist schon eine Menge, das sollte man wirklich nicht unterschätzen“, sagt sie inzwischen. Beschweren will sich Beham aber nicht. „Man kann einen Großteil seiner Zeit damit verbringen, sich über die Arbeit zu beklagen. Wenn man sie aber einfach macht, ist es gar nicht so schlimm.“

Beham besetzt die Juniorprofessur für Gender und Diversity Management. Dort erforscht sie unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das, so Beham, sei in der Wissenschaft fast so schwer wie in der Wirtschaft. Dabei soll die Juniorprofessur auch hier für Verbesserungen sorgen. Denn durch das Modell des Tenure Track soll die wissenschaftliche Karriere planbarer und somit auch attraktiver werden, gerade für Akademikerinnen.

Das scheint zu gelingen. Der Anteil der Frauen unter den Juniorprofessoren liegt bei 28 Prozent. Bei den Professoren sind es im Verhältnis deutlich weniger. Die Frage, ob sich hier aber eine tatsächliche Frauenförderung ablesen lässt, sieht Beham skeptisch. Sicher könne man das erst in einigen Jahren sagen, wenn verlässliche Zahlen darüber vorliegen, wie viele Frauen letztlich auch auf eine Lebenszeitprofessur berufen wurden.

CHE-Experte Federkeil zögert ebenfalls mit einer abschließenden Bewertung. Zwar erleichtere die Juniorprofessur Frauen den Einstieg in eine akademische Karriere. Aber der allgemeine Trend, dass Frauen ihren Beruf und ihre Familie nur schwer vereinbaren können, zeige sich auch hier. „Frauen mit höherer Bildung und in akademischen Berufen sind häufiger kinderlos, und ob die Juniorprofessur daran etwas ändert, ist fraglich.“

Der Hamburger Jurist Klatt geht noch einen Schritt weiter. "Man könnte auch die Gegenthese vertreten, dass Frauen mit der Juniorprofessur die Möglichkeit auf eine wissenschaftliche Karriere nur vorgespielt wird." Eine nachhaltige Verbesserung könne es laut Klatt nur geben, wenn alle Unis den Tenure Track anbieten und sich auch die Berufungsvoraussetzungen änderten. "In den Kommissionen wird immer noch die Quantität der Forschungsarbeiten als Maßstab genommen, statt auf die Qualität zu achten. Das muss sich ändern."

„Veränderungen sind sicher nicht von heute auf morgen möglich“, sagt Kurosch Rezwan. Sie müssten aber, wo nötig, immer angestrebt werden. Nur so hätten die Hochschulen eine Zukunft. „Die Unis müssen sich heute die Frage stellen, wie sie gute Leute halten und dementsprechend handeln.“

Der Humboldt-Universität in Berlin gelang das nicht. Marcel Paulssen, der dort Marketing lehrte, ist inzwischen einem Ruf in die Schweiz gefolgt. Seine Zeit als Juniorprofessor bereut er trotz der Anfangsschwierigkeiten aber nicht. „Ich würde es wieder tun“, sagt er.

Beitrag aus dem Magazin

„Junge Karriere“

Weitere Informationen: Die Deutsche Gesellschaft Juniorprofessur e.V. ist Ansprechpartner für den Nachwuchs. Der Verein bietet ein Mentorenprogramm an und organisiert jährlich ein Symposium zum Karriereweg. Internet: www.juniorprofessur.org

Andrea Auler

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