zum Hauptinhalt
Online-Trading solle für Privatpersonen „so günstig und übersichtlich wie nie zuvor“ werden, verspricht die Plattform Smartbroker – und verbündet sich mit einem umstrittenen Magazin.

© Simon Dawson/Reuters

Netzwerk mit Beiwerk: Wie der Smartbroker Botschaften der Neuen Rechten verbreitet

Der Smartbroker ist schnell gewachsen. Doch der Online-Dienst verschickt an seine Kunden ein Magazin mit Verbindungen zur Neuen Rechten. Was steckt dahinter?

Der Smartbroker machte seinen Kunden zum Start Ende 2019 ein großes Versprechen: Online-Trading solle für Privatpersonen „so günstig und übersichtlich wie nie zuvor“ werden. Für Thomas K., der auf der Suche nach einem neuen Online-Broker war, ein „charmantes Angebot“. Er habe seine Entscheidung für den Smartbroker nicht bereut: „Der Anmeldeprozess war einfach, und die Preise sind schon sehr gut“, sagt Thomas K.

Über 60 000 Nutzer zählte der Smartbroker, seit August verwaltet er über eine Milliarde Euro. Für die Wallstreet Online AG, die sich an der Wallstreet Online Capital AG beteiligt, die wiederum den Smartbroker betreibt, ist der Online-Broker ein echter Hoffnungsträger. Mit großem Einsatz versuchen sie sich in dem wachsenden Markt zu behaupten, trotz starker Konkurrenten wie zum Beispiel Trade Republic.

Thomas K. erzählt, dass er die Mails, die er vom Smartbroker erhalte, meist nicht näher beachtet habe. Als er eine Mail aber doch genauer in den Blick nahm, war er erstaunt: Der Smartbroker schenkt seinen Kunden monatlich eine PDF-Ausgabe des Magazins „Smart Investor“. Es wird angekündigt als „Magazin für den kritischen Investor“.

Zahlreiche Texte in der Zeitschrift lassen aufhorchen. So schreibt dort etwa der Vorsitzende des Haushaltsausschusses und AfD-Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer einen Gastbeitrag, der sich gegen die Währungspolitik der EZB richtet. Weder aus dem Text noch aus dessen redaktioneller Umrahmung geht aber hervor, welcher Partei Boehringer angehört.

Kooperation wird nicht transparent gemacht

In einer weiteren Ausgabe zweifelt der Chefredakteur des Magazins, Ralf Flierl, an der Gefährlichkeit des Coronavirus. Er kommt zu dem Schluss: „Nicht wir führen also die Menschen hinter die Fichte, sondern Herr Drosten, Herr Wieler samt RKI und natürlich Merkel, Spahn & Co.“ Kritisch, so wie das Magazin beworben wird, ist Flierl gegenüber jeglichem staatlichen Handeln.

„Mit so etwas rechnet man nicht, wenn man sich einfach für einen Online-Broker anmelden will“, sagt Thomas K. dazu. Er arbeitet selbst in der Finanzbranche und bezeichnet sich als gut informiert. Als er sich für den Smartbroker registrierte, wusste er aber nichts von der Verbindung zu dem Magazin. Auch auf dem Internetauftritt des Smartbroker wird die Kooperation nicht transparent gemacht.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Hinweise auf die Zusammenarbeit finden sich hingegen bei der Wallstreet Online AG. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr nicht nur den Smartbroker gestartet, sondern auch 90 Prozent des Verlags übernommen, in dem der „Smart Investor“ erscheint. Das Magazin war zu dem Zeitpunkt mit einer Auflage von rund 5600 nicht sehr reichweitenstark.

Stefan Zmojda, Vorstandsvorsitzender der Wallstreet Online AG, teilt dazu auf Anfrage mit: „Wir haben uns für eine Beteiligung am ,Smart Investor’ entschieden, weil das Magazin dafür bekannt ist, dass die Inhalte solide recherchiert und ansprechend aufbereitet sind.“ Man habe sich zudem einen finanziellen Gewinn durch die „seit Jahren erfolgreiche Zeitschrift“ erhofft.

Leitbild basiert auf Österreichischen Schule

Die Kooperation zwischen Broker und Magazin wurde dann im Frühjahr 2020 gestartet. Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau erklärte das Modell zu einer „Win-win-Situation“. Auf Nachfrage teilt er mit, die kostenlosen Ausgaben seien als zeitlich befristetes „Goodie“ für Kunden gedacht gewesen, die wegen Corona lange auf ihre Kontoeröffnung warten mussten. Soltau sagt, es sei für ihn deshalb auch nicht plausibel, die Kooperation im Anmeldeprozess für den Broker transparent machen zu müssen.

Die Beispiele aus den jüngsten Ausgaben des Magazins fügen sich ein in dessen Leitbild, das offen kommuniziert wird. Flierl und seine Co-Autoren orientieren sich an der volkswirtschaftlichen Theorie der Österreichischen Schule, die von Friedrich August von Hayek mitgeprägt wurde. In den Texten finden sich immer wieder Bezüge auf ihn und die Theorie. Flierl findet, eine „österreichische Welt“ wäre gerechter als die bestehende.

Der Wirtschaftshistoriker Till Düppe, der an der Université du Québec in Montréal forscht, ist nicht überrascht von der Ausrichtung des Magazins. Für die Österreichische Schule und deren radikale Anhänger würden wie für viele Vertreter der Neuen Rechte die gleichen Prämissen in Bezug auf Markt und Staat gelten: „Der Markt ‚weiß’ es immer besser als der Staat. Deswegen sehen die Anhänger der Österreichischen Schule staatliche Regulierung kritisch. Nicht nur wirtschaftliche Regulierung, sondern allgemein politische.“ Krisen seien deshalb immer auf Staatsversagen, nicht auf Marktversagen zurückzuführen.

[Alle wichtigen Updates des Tages zum Coronavirus finden Sie im kostenlosen Tagesspiegel-Newsletter "Fragen des Tages". Dazu die wichtigsten Nachrichten, Leseempfehlungen und Debatten. Zur Anmeldung geht es hier.]

Hinzu komme, so Düppe, dass aus der Österreichischen Schule ein Sozial-Chauvinismus abgeleitet werden könne, der viele Rechte fasziniere. Typisch für die Anhänger sei auch die intransparente Vorgehensweise. Die Anhänger der Österreichischen Schule sähen sich oft als eine Art „Geheimgesellschaft“, die gut vernetzt sei und eher aus dem Hintergrund agiere. „Die Idee, auch über Journalisten, Wissenschaftler und weitere gesellschaftliche Akteure die vorherrschende Meinung und die Wirtschaftspolitik zu beeinflussen, geht auf Hayek zurück und spiegelt sich in vielen liberalen Think Tanks wider“, erklärt Düppe.

Flierls Netzwerk reicht noch weiter

In Deutschland ist einer der bekanntesten dieser Think Tanks die Friedrich A. von Hayek Gesellschaft. 2015 trat die damalige Vorsitzende Karen Horn zurück, weil sie sich besorgt zeigte, dass der Verein zunehmend Demokratie und Pluralität zum Feindbild habe. In Folge verließen auch FDP-Chef Christian Lindner und der Wirtschaftsweise Lars Feld die Gesellschaft. Übrig blieben AfD-Politiker wie Beatrix von Storch und jener Peter Boehringer, der im Smart Investor einen Gastbeitrag veröffentlichte. Chefredakteur Ralf Flierl steht in Verbindung mit Mitgliedern und Unterstützern der Hayek-Gesellschaft, auch als Gastredner bei Clubabenden ist er aufgetreten.

Flierls Netzwerk reicht noch weiter: Er schreibt unter anderem für das Magazin „Eigentümlich frei“, das die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl der Neuen Rechten zuordnet. Die Expertin für Rechtsextremismus schreibt in einem Fachbeitrag, die Magazine dieser ideologischen Strömung hätten gemein, dass sie von einem negativen Menschenbild ausgehen würden, „das von Ungleichheit und Ungleichwertigkeit geprägt ist“.

Unter anderem mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des Magazins „Compact“, unternahm Flierl 2012 eine Reise zum damaligen iranischen Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad, einem bekannten Holocaustleugner. In diesem Jahr schrieb Flierl einen Gastbeitrag für das Magazin „Compact“. Dieses hat der Verfassungsschutz im März als Verdachtsfall eingestuft, weil es „revisionistische, verschwörungstheoretische und fremdenfeindliche Motive“ bediene, so Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang.

Auf Anfrage des Tagesspiegels wollte Flierl sich weder zu Inhalten des Magazins noch zu seinen Kontakten äußern. Flierl positioniert den „Smart Investor“ nach seinen eigenen politischen Ansichten. Ist es also glaubwürdig, dass niemand bei der Wallstreet Online AG vor der Übernahme Zweifel am Magazin oder Chefredakteur äußerte?

Stefan Zmojda, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, kommuniziert das so: Er habe keinen Einblick in dieses Netzwerk, außerdem halte er es für gewagt, aus der Arbeit Flierls „eine politische Nähe zu bestimmten Gruppierungen abzuleiten“. Sein Unternehmen fühle sich den Anlegern verbunden, nicht einer Theorie wie der Österreichischen Schule, sagt Zmojda. Aber weder er noch Smartbroker-Vorstand Thomas Soltau distanzieren sich klar von Flierls politischen Ansichten.

Sebastian Scheffel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false