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Wirtschaft: Pixelpark: Klimastörung

Dies ist die Geschichte von einem Unternehmen, das die Sprache verloren hat. Man könnte auch sagen, es ist die Geschichte der gescheiterten Vision, dass in der neuen Wirtschaft alle Menschen gleich sind.

Dies ist die Geschichte von einem Unternehmen, das die Sprache verloren hat. Man könnte auch sagen, es ist die Geschichte der gescheiterten Vision, dass in der neuen Wirtschaft alle Menschen gleich sind. Es geht um die Berliner Multimedia-Agentur Pixelpark, und um die Frage, warum es im Vorzeigeunternehmen der New Economy seit heute einen Betriebsrat gibt.

Die Idee, damals vor zehn Jahren, als Paulus Neef mit zwei Freunden Pixelpark gründete, war, mit netten Leuten, richtig gute Internetseiten zu machen. Das machte Pixelpark für ein paar Jahre zu so etwas wie der Kommune 1 der Multimedia-Generation. Eine Phase, die gereicht hat, um aus der Firma einen Mythos zu machen. Mit der Zeit verändert sich das Unternehmen jedoch. Das Internet etabliert sich Mitte der 90er Jahre, Erfolg stellt sich ein. Paulus Neef vergrößert die Firma, und erweitert das Angebot auf CD-Roms und Beratung. Eku Wand, einem der Mitgründer, geht das alles viel zu schnell. Er verlässt 1993 genervt Pixelpark. Da hat die Firma 25 Mitarbeiter. Es geht nicht mehr nur um gute Ideen und Spaß, sondern um die Frage, wie werde ich Marktführer. Zumindest Paulus Neef geht es darum. Und Bertelsmann hilft ihm dabei. 1995 verkauft Neef Pixelpark zu 75 Prozent an den Medienkonzern. Neue Mitarbeiter werden eingestellt, immer mehr Spezialisten. Die Universalisten vom Anfang, die alles ein bisschen konnten, sind nicht mehr so gefragt. Das Unternehmen professionalisiert sich und schaltet von sozialer auf ökonomische Sprache um, aber da sich alle duzen, fällt das nicht so stark auf. 1996 hat Pixelpark 130 Mitarbeiter. Die Bedingungen, die einmal den Mythos ausgemacht haben, gibt es kaum mehr. Und trotzdem lebt er weiter. Denn Pixelpark hat Erfolg, ist jung, und welcher 25- bis 30-jährige Mitarbeiter hat schon Lust auf Arbeitskampf. Man dachte ja, die New Economy sei anders.

Die Aufträge werden mehr, sodass ein Team oft an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitet. Die Alle-Vier-Von-Sich-Strecken-Phasen nach Zwölf-Stunden-Tagen, gibt es kaum noch. Überstunden häufen sich an, Arbeitszeit wird plötzlich zu einem Thema. Aber die Mitarbeiter haben ihren Traum von der New Economy noch nicht aufgeben. Der Mythos wirkt noch. Sie versuchen es mit einem runden Tisch und einer Mecker-Box. Die Misstände werden formuliert - aber dabei bleibt es auch. Die Zeit der offenen Türen und flachen Hierachien ist vorbei, Pixelpark zerfällt in Abeitgeber und Arbeitnehmern. Im Oktober 1999 geht Pixelpark an die Börse. Noch mehr Leute werden eingestellt. Zum Teil zu erheblich besseren Konditionen als die "Alteingesessenen". Das Gehalt ist dynamisch, das heißt, ein Teil orientiert sich an der Leistung. Das Unternehmen hat mittlerweile fast 1000 Angestellte, Büros in New York und Spanien. Paulus Neef ist unterdessen damit beschäftigt Firmen zu kaufen und eine kleine Forschungsabteilung einzurichten, denn das interaktive Fernsehen steht vor der Tür. Für die inneren Angelegenheiten ist da keine Zeit. Die Fragen von Arbeitszeit oder Weiterbildung werden verschleppt.

Im vergangenen Jahr zieht Pixelpark von Moabit nach Friedrichshain um, das atemlose Tempo geht weiter. Nur die so genannten Kreativen, die Art-Direktoren, arbeitennoch in großen Räumen, direkt unterm Dach, die zumindest ästhetisch noch an die alte Zeit erinnern. Der Rest arbeitet in kleineren Büros. Die Differenzierung der Belegschaft ist nun auch architektonisch sichtbar. Pixelpark ist ein ganz normales Unternehmen geworden. Auch die große Küche für alle ist weg. Jeder Flur hat jetzt seine eigene, die Kommunikation wird schlechter. Ein Grund für Frederike, 34, eine promovierte Physikerin, die in der Forschungsabteilung arbeitet, sich im Betriebsrat zu engagieren, ist diese fehlende Transparenz. Viele Informationen über das eigene Unternehmen bekommt sie nur noch aus der Zeitung.

Pixelpark erhöht die Preise für seine Leistungen. Dadurch steigen natürlich auch die Ansprüche der Auftraggeber. Zeit- und Zielvorgaben werden immer strenger, denn mit jedem Tag, an dem der Netzauftritt einer Firma nicht online gehen kann, verliert der Kunde sehr viel Geld. Aber da die Auftritte immer mehr Datenbankzugriffe enthalten und dadurch immer technologielastiger werden, sind sie auch erheblich fehleranfälliger. Einen großen Auftrag der Allianz hat Pixelpark vor einigen Monaten verloren, weil sie nicht rechtzeitig liefern konnten. Das macht vor allem den IT-Spezialisten zu schaffen. Denen, die die Software für die Internetseiten schreiben. Frank ist einer von ihnen. 26 und seit gut einem Jahr bei Pixelpark. Er hofft, dass mit Hilfe des Betriebsrats die Abläufe verbessert werden und man dazu auch die Vorschläge aus seiner Abteilung hört.

Etwa gleichzeitig mit dem Umzug beginnt vor gut einem Jahr die Talfahrt der New Economy, eben auch der Pixelpark-Aktie. Damals wendete sich zum ersten Mal eine Mitarbeiterin an die Gewerkschaftsorganisation connexx.av. Sie ist es leid auf Besserung zu warten. In der Zwischenzeit fällt die Pixelpark-Aktie von 185 auf elf Euro, und Paulus Neef kündigt ein "Effizienzsteigerungsprogramm" an. Am 13. Februar 2001 schickte connexx eine e-mail an alle Pixelpark-Mitarbeiter mit der Aufforderung sich in einem Betriebsrat zu organisieren. Für einige war das trotz aller Probleme unvorstellbar, denn das hieße ja, die letzte Hoffnung auf andere Zustände in der New Economy aufzugeben. Der Betriebsrat wird zum Generationen-Problem, denn wer will sich schon der Mittel der Eltern bedienen? Man will eine eigene Unternehmenssprache finden, merkt aber nicht, dass alle Versuche im Schweigen endeten. Die meisten guckten sich die Entwicklung allerdings einfach interessiert an. Leute, die seit einem Jahr bei Pixelpark sind, und für die es ein ganz normales Unternehmen ist, mit einer notwendigen Hierarchie und einem angenehmen Betriebsklima. Bei einer Betriebsversammlung Anfang März kam es daher zu sehr unterschiedlichen Reaktionen. Eine Mitarbeiterin sagte, in einer Firma, die einen Betriebsrat bräuchte, wolle sie nicht arbeiten. Eine andere wollte sich an der Wahl zwar beteiligen, aber nur um sicherzustellen, dass die gewerkschaftsnahen Kandidaten keine Chance hätten. Seit heute gibt es ihn nun, den Betriebsrat. Die Wahl ist abgeschlossen, weit mehr als die Hälfte der Mitarbeiter hat gewählt. Damit haben die Mitarbeiter ihre Sprache wiedergefunden, eine Sprache, die zu der der Unternehmensführung passt. Denn die kündigte gestern die Entlassung von jedem sechsten Mitarbeiter an.

Kerstin Kohlenberg

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