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Die Rückkehr des Verbündeten. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman kommt Europa und den USA bei der Ölförderung entgegen. Washington hat seine Vorbehalte ihm gegenüber teilweise aufgegeben.

© Bandar Saudi Press Agency/Handout via Reuters

Ölfördermenge könnte steigen: Saudi-Arabien erhört das Flehen aus Europa

Um den Preis zu stabilisieren, will Saudi-Arabien jetzt doch mehr Öl fördern. Denn Russland kann seine Zusagen nicht mehr halten.

Saudi-Arabien ist offenbar bereit, mehr Öl auf den Weltmarkt zu bringen, um den globalen Preisauftrieb zu bremsen. Das hatte der Westen seit Ausbruch des Ukraine-Krieges gefordert, doch der arabische Öl-Gigant hatte das Flehen aus Europa und den USA bisher ignoriert. Nun zeichnet sich eine Kehrtwende ab. Mit der neuen Haltung reagiert Saudi-Arabien auf den Rückgang der russischen Ölproduktion und auf politische Zugeständnisse der USA. Der Ölpreis gab am Donnerstag wegen der Nachrichten über das saudische Entgegenkommen nach.

Bisher lehnte Riad die westlichen Forderungen mit dem Hinweis auf seine Zusammenarbeit mit Russland ab. Das saudisch dominierte Ölkartell Opec mit seinen 13 Mitgliedsländern sowie zehn weitere Produzenten wie Russland hatten in der Plattform „Opec-Plus“ vereinbart, die Fördermengen nach der Pandemie nur vorsichtig um rund 400.000 Barrel (je 159 Liter) pro Tag zu erhöhen – das reicht nicht, um den Preisanstieg wegen des Ukraine-Krieges zu mildern.

Diese Fördermenge gilt bis Ende dieses Monats. Bei einem Treffen am Donnerstag in Wien beschloss Opec-Plus nun, im Juli und August nicht nur 400.0000 Barrel pro Tag (BPD) zusätzlich zu fördern, sondern 648.000 BPD.

Russland von den Sanktionen getroffen

Russland kann seine Zusagen aber offenbar nicht mehr einhalten, weil die russische Ölindustrie wegen der westlichen Sanktionen in Schwierigkeiten ist. Nach dem Rückzug internationaler Öl-Multis aus Russland fehlen moderne Technik und ausländische Investitionen. Je länger die Sanktionen in Kraft bleiben, desto schlechter werden die Aussichten für die russische Ölindustrie. Im April förderte Russland rund 9,3 Millionen BPD und lag damit weit unter seinem in Opec-Plus vereinbarten Beitrag von 10,44 Millionen BPD, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldete.

Die russische Regierung erwartet einen Rückgang der Ölproduktion von bis zu acht Prozent in diesem Jahr. Die EU, die Hauptabnehmerin von russischem Öl, beschloss am Montag, ihre Einfuhren aus Russland um zwei Drittel zu senken, um Moskau für den Ukraine-Krieg zu bestrafen. Die USA hatten bereits einen Importstopp für russisches Öl verhängt. Die Internationale Energie-Agentur IAE schätzt, dass der Weltmarkt wegen der Russland-Sanktionen im Laufe des Jahres auf bis zu drei Millionen BPD verzichten muss. Das könnte den Preis weiter in die Höhe treiben.

Ölpreis soll nicht außer Kontrolle geraten

Saudi-Arabien, die führende Opec-Nation, kenne diese Risiken und habe kein Interesse daran, den Ölpreis außer Kontrolle geraten zu lassen, berichtete die „Financial Times“ am Donnerstag unter Berufung auf Informanten mit Einblick in die saudischen Überlegungen. Riad habe deshalb westlichen Staaten zu verstehen gegeben, dass Saudi-Arabien mehr Öl fördern werde, wenn die russische Produktion drastisch einbrechen sollte. Laut Reuters könnten Saudi-Arabien und andere Produzenten mehr Öl fördern, um die russischen Probleme auszugleichen.

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Das neue Verständnis der Saudis für die westliche Forderung nach mehr Öl hängt auch mit einer Entspannung in den Beziehungen zwischen Riad und Washington zusammen. US-Präsident Joe Biden machte bisher einen großen Bogen um den traditionellen Verbündeten am Golf und vermied direkte Kontakte mit dem saudischen Herrscher, Kronprinz Mohammed bin Salman.

Der Kronprinz war US-Geheimdiensten zufolge verantwortlich für den Mord an dem saudischen Regimekritiker und Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018. Biden nannte Saudi-Arabien deshalb einen „Paria“-Staat. Nun aber erwägt Biden laut US-Medienberichten eine Reise nach Saudi-Arabien. Der Besuch wäre eine politische Aufwertung des Kronprinzen und ein Bekenntnis der USA zum Bündnis mit den Golf-Staaten, die sich über eine Abwendung Amerikas vom Nahen Osten beklagen.

Eine Ausweitung der saudischen Ölproduktion vor dem Besuch wäre eine freundschaftliche Geste an die USA, denn auch amerikanische Autofahrer bekommen die gestiegenen Ölpreise zu spüren. Die Aussicht auf mehr saudisches Öl ließ den Ölpreis am Donnerstag um mehr als zwei Prozent nachgeben.

Allerdings reicht selbst die Förderkapazität von Saudi-Arabien nicht aus, um bei einem weiteren drastischen Rückgang der russischen Produktion auf Dauer stabile Preise zu garantieren. Das Königreich holt derzeit jeden Tag 10,5 Millionen Barrel Öl aus dem Boden und kann die Fördermenge nicht viel weiter steigern. Zusammengenommen könnten die Opec-Mitglieder laut Reuters weniger als zwei Millionen Barrel pro Tag zusätzlich auf den Markt bringen.

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