Hohe Zinsen auf Kredite: Starker Franken bereitet Polen Kummer
Viele Polen haben Kredite auf Basis der Schweizer Währung aufgenommen. Plötzlich haben sie mehr Schulden. Viele fordern jetzt den Staat auf einzugreifen.
„Meine Nachbarin hat alles schon hinter sich“, sagt Herr Adam und macht dennoch eine besorgte Miene. Frau Ewelina hatte sich vor ein paar Jahren von ihrer Bank eine Hypothek in Schweizer Franken statt polnischer Zloty empfehlen lassen. Doch dann schnellte der Franken in die Höhe, und die Rentnerin konnte ihre Zinsrate nicht mehr bezahlen. „Die Zweizimmerwohnung wurde schon im vorletzten Jahr von der Bank zwangsversteigert“, erzählt Adam R., „seither lebt meine Nachbarin bei einer Freundin“.
So wie Frau Ewelina könnte es nach der Entscheidung der Schweizer Nationalbank, den Franken nicht mehr gegenüber dem Euro zu stützen, in diesem Jahr Zehntausenden von Polen ergehen. Rund 700.000 Polen haben Kredite in Schweizer Franken aufgenommen; bei 566.000 handelt es sich um Hypotheken für Immobilien. Durchschnittlich zahlte im Herbst 2014 jeder Schuldner umgerechnet 500 Euro monatlich an Zinsen, um diese Kredite zu bedienen – eine nicht unwesentliche Summe bei einem Durchschnittseinkommen von knapp 900 Euro im Monat. Etwa sieben Prozent der Hypothekarkredite in Schweizer Franken seien im Vorjahr gefährdet gewesen, schreibt die polnische Presse in ersten Analysen nach den Turbulenzen um den Franken am Donnerstag. Nun dürfte diese Zahl deutlich steigen. Um wie viel, weiß allerdings noch niemand.
Innerhalb weniger Minuten war der Schweizer Franken am Donnerstagvormittag von 3,55 Zloty pro Franken auf 5,19 Zloty hochgeschnellt. Dann allerdings pendelte er sich im Laufe des Tages auf rund 4,2 Zloty ein, was allerdings immer noch auf einen Zuwachs sämtlicher Schulden in Schweizer Franken von 20 Prozent hinausläuft. Am Tag danach haben die größten Zeitungen des Landes bis zu sechs Sonderseiten zum Schweizer Franken gedruckt. Der Schock sitzt immer noch tief. Bei den Banken ist selbst für Inhaber von Fremdwährungskonten in Schweizer Franken kein Bargeld erhältlich. „Franken-Schock“, titelt die führende Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“, „Schweizer Roulette“, das Finanz- und Juristenblatt „Dziennik Gazeta Prawna“.
Franken-Schuldner disziplinierter als Zloty-Schuldner
Fast schon als Russisches Roulette muss vielen heute der Entscheid erscheinen, den Hypokredit in Schweizer Franken aufgenommen zu haben. Im Juli 2008 hatte dieser mit 1,98 Zloty einen historischen Tiefpunkt erreicht. Dies gab den eh schon populären Frankenkrediten einen erneuten Auftrieb. Heute müssten sich die Schuldner darauf einstellen, wohl noch jahrelang das Doppelte zu bezahlen, schreiben polnische Finanzexperten. Pessimisten schließen gar einen Frankenkurs von bis zu sechs Zloty nicht aus.
Ein Kurs von bis zu fünf Zloty für einen Franken gefährde die Stabilität der polnischen Banken nicht, gab die polnische Finanzaufsicht Entwarnung. Auch die Hypothekarschuldner könnten wohl einen so hohen Kurs noch verkraften, meint das Gremium.
Bis 2013 war es möglich, Kredite in Franken aufzunehmen. Bis dahin wurde laut Angaben polnischer Banken das Gros der Frankenkredite von gut situierten Familien oder Einzelpersonen aufgenommen. Im polnischen Durchschnitt zahlen Franken-Schuldner dabei ihre Kreditraten disziplinierter als Zloty-Schuldner. Auch sind insgesamt mehr Zloty- als Frankenkredite gefährdet.
Ruf nach Eingreifen des Staates wird laut
Dennoch wurde am Mittwoch der Ruf nach einem Eingreifen des Staates laut. Viele Frankenschuldner fordern von der polnischen Regierung schon seit langem eine Intervention, wie sie Viktor Orban im vergangenen Jahr den in Ungarn tätigen Banken aufgezwungen hatte. Diese wurden zu Umschuldungen der Franken-Kredite im Volumen von mehr als einer halben Million in Forint-Kredite zu einem fixen Währungskurs gezwungen. Der Staatshaushalt federte dabei die Verluste der Banken etwas ab.
„Dies wäre unmoralisch“, protestierte am Freitag in einem Interview mit der Tageszeitung „Polska“ Stanislaw Gomulka, Polens ehemaliger Vizefinanzminister. „Um 700.000 einigermaßen gut situierten Familien zu helfen, müssten zehn Millionen weitere polnische Familien Federn lassen“, warnte Gomulka.
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