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Die Fluggesellschaft KLM wird am heutigen Montag 100. Jahre alt.

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KLM-Chef im Interview: „Zehn Prozent der Flüge in Europa sind unnötig“

Heute wird die Fluggesellschaft KLM 100. Jahre alt. Ihr Chef plädiert für weniger Flüge statt neuer Steuern und erklärt, wie KLM in Bio-Kraftstoffe investiert.

An diesem Montag feiert die niederländische Fluggesellschaft KLM ihren 100. Geburtstag. Anders als Airlines wie Lufthansa ist sie nicht im Laufe der Jahre durch Übernahmen und Fusionen entstanden, sondern die älteste Luftverkehrsgesellschaft, die nie ihren Namen gewechselt hat. 2018 vermeldete KLM einen Gewinn von 1,07 Milliarden Euro – 9,8 Prozent des Umsatzes.

Herr Elbers, Fliegen steht in der Kritik; das Chaos am Himmel trägt nicht gerade zur Senkung der Schadstoffbelastung bei. Was muss getan werden?
Wir haben eine gemeinsame Währung, der Gulden ist ebenso verschwunden wie die D-Mark, das hatte Herausforderungen, hat uns Europäern aber viel gebracht. Der einheitliche europäische Luftraum lässt dagegen weiter auf sich warten. Von Amsterdam nach Athen muss ich 13 verschiedene Kontrollzonen durchfliegen. Zehn Prozent der geflogenen Strecken in Europa sind unnötig, verursachen überflüssige Kosten und Emissionen, das muss angepackt werden. Ich finde es ärgerlich, dass so große Aufmerksamkeit auf immer neue Steuern gelegt wird, während man kaum etwas über Fortschritte beim Single European Sky hört. Um die CO2-Emissionen um zwei, drei oder vier Prozent zu verringern, geben wir eine Menge Geld für neue Flugzeuge, neue Routen und solche Dinge aus. Zehn Prozent Mehrbelastung durch den europäischen Luftraum sind gewaltig, aber ich sehe keinen Politiker, der das angeht.

Die niederländische Regierung unterstützt Umweltschutzmaßnahmen, auch in Ihrem Land gibt es eine Diskussion über Luftverkehrs-Emissionen und Forderungen nach einer Reduzierung der Flüge. Wie sehen Sie die Situation?
Das ist eine etwas widersprüchliche Situation. In den Niederlanden war 2018 ein Rekordjahr, nie zuvor haben mehr Menschen eine Flugreise angetreten. Auf der einen Seite sehen wir also eine enorme Nachfrage, einen großen Appetit zu Fliegen. Gleichzeitig hat die Debatte in der Gesellschaft über Lärm, Umweltverschmutzung und CO2-Emissionen stark zugenommen. Für uns bei KLM ist Nachhaltigkeit seit Jahren sehr wichtig, wir haben seit zwölf Jahren eine Führungsposition im Transportsektor des Nachhaltigkeits-Index von Dow Jones, und haben die CO2-Emissionen pro Passagier seit 2011 um 17 Prozent gesenkt durch den Einsatz effizienterer Flugzeuge und dynamischeres Fliegen. Und wir haben eine Reihe von Initiativen gestartet, zuletzt „Fly Responsible“ (Fliege verantwortungsbewusst), wir bekommen eine Menge positives Feedback von unseren Kunden, aber auch von der Regierung, die uns als eine Firma sieht, die Verantwortung übernimmt für ihre Auswirkungen auf die Umwelt.

Was muss getan werden, um beispielsweise die Produktion nachhaltiger Kraftstoffe zu vertretbaren Preisen zu erhöhen?
Das mit dem Biosprit ist ein wenig wie die Geschichte mit dem Huhn und dem Ei. Weil er zu teuer ist, ist die Nachfrage nicht so groß und weil die Nachfrage fehlt, sind die bisherigen Investitionen relativ gering. Deshalb haben wir die Initiative zum Bau einer Fabrik für Biokraftstoff in den Niederlanden ergriffen und uns verpflichtet, zehn Jahre lang 70 Prozent von deren Produktion abzunehmen. Das war die Voraussetzung für die Investoren, mit dem Bau zu beginnen. Wir müssen mit Flugzeugherstellern und Treibstofflieferanten zusammenarbeiten, um die Quoten hochzufahren.

Es wird verstärkt gefordert, Kurzstrecken vom Flugzeug auf die Schiene zu verlagern. Haben Sie bereits entsprechende Strecken definiert oder gibt es eventuell schon Pläne für Streichungen?
Die Konnektivität zwischen Zug und Flug in Europa ist bisher sehr schlecht. Von Berlin nach Amsterdam braucht die Bahn sieben bis acht Stunden, das ist kein konkurrenzfähiges Produkt. Das ist ein wenig wie mit dem Single European Sky. Man sieht den überlasteten Luftraum und wundert sich über die Unfähigkeit, ein effektives Eisenbahn-System zwischen den Ländern einzurichten. Die einzige Route, die für KLM Sinn haben könnte, wäre Amsterdam-Brüssel. Wenn wir hier einmal die passende Infrastruktur haben für den Gepäcktransfer, die gegenseitige Sitzplatzreservierung, die Vernetzung der Computersysteme, werden wir diese Verbindung vielleicht einstellen. Aber das sind fünf Flüge am Tag, die fallen bei insgesamt 750 Flügen pro Tag kaum ins Gewicht.

KLM-Chef Pieter Elbers.

© imago images / IP3press

KLM fliegt ausschließlich grenzüberschreitend. Woher kommen die meisten Ihrer Passagiere?
Wir sind ein kleines Land, hier leben 17 Millionen Menschen und in Schiphol wurden im vergangenen Jahr 70,1 Millionen Passagiere gezählt. Zwei Drittel unserer Fluggäste steigen in Amsterdam um. Deutschland ist vor diesem Hintergrund ein bedeutender Markt für uns, 65 Prozent unserer deutschen Kunden reisen über Schiphol in die ganze Welt. Großbritannien ist ebenfalls ein wichtiger Markt, wir fliegen von Amsterdam zu mehr britischen Städten als British Airways ab London-Heathrow.

Welche Auswirkungen befürchten Sie durch den Brexit?
Ich glaube, jede bisher gemachte Vorhersage hat sich mit der Zeit als falsch erwiesen, die Brexit-Folgen sind unvorhersagbar. Klar haben wir Bedenken, was die Auswirkungen betrifft, seit den ersten Ankündigungen haben wir Folgen bei der Verkehrsentwicklung und beim Kurs des britischen Pfundes erlebt. Die operative Seite scheint mit dem Luftverkehrs-Abkommen zwischen der EU und Großbritannien geregelt zu sein. Die wirtschaftlichen Auswirkungen müssen wir abwarten.

Zwischen den Angeboten auf der Kurz- und auf der Langstrecke entstehen immer größere Unterschiede. Wie empfindet KLM die Situation und gewinnt die eigene Low-Cost-Tochter Transavia größere Bedeutung für die Gruppe?
Der Wettbewerb durch die Billigflieger hat die europäische Luftverkehrs-Landschaft auf der Kurzstrecke ziemlich verändert. Auch wir mussten unser Produkt anpassen und bieten unseren Passagieren mehr Wahlmöglichkeiten und Tarife, beispielsweise wenn sie ohne Gepäck reisen. Aber wir halten einen Standard, bei dem das Glas Wasser und das Sandwich weiterhin kostenlos sind, und wenn ein Flug gestrichen werden muss, behandeln wir die Reisenden anständig. Transavia ist tatsächlich gewachsen, wir haben den ursprünglichen Ferienflieger deutlicher als Billigflieger positioniert, bei dem man für Speisen und andere Dinge zahlen muss.

Pieter Elbers (49) steht seit 2014 als Präsident und CEO an der KLM–Spitze. Er begann dort 1992 als Manager für die Beladung der Flugzeuge.

Rainer W. During

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