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Polizisten bei der Räumung der Pro-Palästinensischen Demonstration vor dem Institut für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität (HU).

© dpa/Soeren Stache

Update

Anzeigen gegen Diskussionsteilnehmer und Personal: Offener Brief fordert Aufklärung über Polizeieinsatz bei Besetzung der HU Berlin

Studierende und Dozenten fordern den Senat auf, die Räumung an der Humboldt-Universität aufzuklären und Anzeigen wegen Hausfriedensbruchs gegen den kooperativen Teil des Protests zurückzunehmen. Auch vermittelnde HU-Mitarbeiter sind betroffen.

Nach der Räumung eines Instituts der Humboldt-Universität (HU) am 23. Mai im Zuge einer pro-palästinensischen Besetzung fordern Studierende und Dozenten in einem offenen Brief den Regierenden Bürgermeister und den Berliner Senat auf, den Polizeieinsatz und seine Folgen aufzuklären.

Kritisiert wird, dass auch gegen Teilnehmer an einer Diskussionsveranstaltung mit dem Präsidium sowie gegen Vermittler und Beobachter Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und schwerem Hausfriedensbruch gestellt wurden. Die Unterzeichner fordern dazu auf, die Anzeigen in all diesen Fällen zurückzunehmen und die Personalien der Betroffenen aus dem Polizeiregister zu streichen. Verfasst wurde der Brief von Dozierenden der HU, die Augenzeug:innen der Räumung waren.

Auch gegen die geschäftsführende Direktorin des besetzten Instituts für Sozialwissenschaften (ISW), die zur Beobachtung anwesend war, ist nach Tagesspiegel-Information ein Ermittlungsverfahren wegen schweren Hausfriedensbruchs eingeleitet worden.

Eine Sprecherin der HU antwortete dem Tagesspiegel auf die Frage, ob auch gegen HU-Dozenten Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattet wurde, der Unileitung seien „Ermittlungsverfahren von der Polizei gegen Mitarbeitende“ bekannt. „Zur Wahrung ihrer Interessen wird die Humboldt-Universität zu Berlin aufgrund der komplexen Rechtslage die Unterstützung eines strafrechtlich ausgewiesenen Rechtsanwalts in Anspruch nehmen.“ Eine individuelle Rechtsberatung der Betroffenen sei nicht vorgesehen.

Die Diskussion im Erdgeschoss des ISW, die HU-Präsidentin Julia von Blumenthal als Reaktion auf die Besetzung von 15 bis 17 Uhr angesetzt hatte, dauerte länger als geplant. Sie ging auch über die von der Präsidentin zuvor gestellte Frist zur Räumung um 18 Uhr hinaus, sodass von allen, die das Gebäude dann verließen, die Personalien aufgenommen wurden.

Dass infolgedessen auch neutrale Personen, die zur Begleitung vor Ort waren, Anzeigen bekamen, kritisierte bereits die Berliner Linke. Die Innenverwaltung antwortete auf die Anfrage zweier Linken-Politiker, es habe bei allen im Gebäude Anwesenden ein grundsätzlicher Anfangsverdacht bestanden. 193 Anzeigen wegen Hausfriedensbruch oder schwerem Hausfriedensbruch wurden demnach gestellt. In welchen Fällen dies „gerechtfertigt oder entschuldbar“ war, müsse justiziell festgestellt werden. Welche Ermittlungsverfahren bei den insgesamt 230 erfassten Strafanzeigen bereits eingeleitet wurden, konnte die Polizei der Verwaltung zufolge nicht sagen.

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Eine Senatssprecherin sagte dem Tagesspiegel auf Anfrage, es werde keine Reaktion auf die Forderungen des Briefs geben – mit dem Hinweis darauf, es stünde diesem ja nicht zu, Einfluss auf die polizeilichen Ermittlungen zu nehmen.

Das acht Seiten lange Schreiben der Studierenden und Dozenten geht auch genauer auf den Ablauf der Diskussionsveranstaltung zwischen Besetzern, Wissenschaftlern und dem HU-Präsidium ein.

Für ihren Dialogversuch war von Blumenthal zum Teil scharf kritisiert worden, auch weil währenddessen im vierten Stock ein radikaler Teil des Protests die Räume verwüstete und sie mit Hamas-verherrlichenden Graffiti beschmierte.

Der offene Brief distanziert sich deutlich von den antisemitischen Vorfällen während der Besetzung, der Randale im vierten Stock und den Drohungen gegen die HU-Präsidentin nach der Besetzung. Man sei „entsetzt, dass während der Besetzung israelfeindliche und antisemitische Parolen genutzt wurden“, und habe „absolut kein Verständnis dafür, Personen mit Hetzparolen und Zielmarkierungen zu bedrohen“. Verurteilt wird auch das Hamas-Massaker vom 7. Oktober, zudem drücken die Verfasser ihr Mitgefühl für die „Geiseln und ihre Familien“ wie auch „für die Bevölkerung in Gaza und der Westbank“ aus.

Man sehe gleichzeitig auch, heißt es weiter, die Verantwortung der Unis, „geschützte Räume des Dialogs, des Austausches und des Streits zu bieten, gerade weil wir zu immer mehr Themen eine gesellschaftliche Polarisierung beobachten“.

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