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Farbig illuminierter historischer Lichthof einer Universität, in dem sich Menschen zum Austausch treffen.

© TU Berlin/Jacek Ruta

Position aus dem Stifterverband: Für eine nachhaltige, digitale und vernetzte Wissenschaft

Die Forschungsförderung muss der Transformation der Gesellschaft folgen. Gefragt sind neue Bildungs- und Innovationsräume. Ein Gastkommentar.

Die neue Ampelkoalition ist eine Transformationskoalition. Ihr Erfolg ist eng mit den drei großen Veränderungsagenden dieser Zeit verknüpft: mehr Nachhaltigkeit, mehr Digitalisierung, weniger soziale Ungleichgewichte. Bildung, Forschung und Innovation sind für das Gelingen der dahinterstehenden gesellschaftlichen Prozesse zentral.

Aber wie kann die Wissenschaft nicht nur Wissen bereitstellen, sondern Transformation gestalten? Und wie verändern sich Wissenschaftsorganisationen in diesen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und digitalen Wandlungsprozessen?

Diese Fragen werden zu selten gestellt. Dabei ist klar zu beobachten: Wissen entsteht längst nicht mehr allein in akademischen Institutionen. Wissen und Lösungen entstehen in Unternehmen, in der Zivilgesellschaft, in Start-ups oder durch die Nutzung offen zugänglicher Informationen und Daten. Viele unterschiedliche Akteure tragen zu neuem Wissen und gesellschaftlichen Lösungen bei.

Damit entstehen neue Orte der Wissensproduktion und des Wissensaustausches – kollaborative Transformationsräume, die zwischen Disziplinen, Institutionen, Akteursgruppen und Infrastrukturen außerhalb der akademischen Welt im engeren Sinne liegen. Diese Räume können sowohl digital als auch physisch sein.

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Ihnen gemein ist, dass hier neues Wissen und Innovationen durch das Zusammenführen neuer Wissensgemeinschaften entstehen. Die bestehende Arbeitsteilung zwischen öffentlicher Bildung und Wissenschaft einerseits sowie privatem Know-How, wirtschaftlicher Wertschöpfung und Innovation andererseits wird hier neu definiert. Das hat Konsequenzen. Drei Beispiele dafür, wie Bildungs- und Forschungsinstitutionen in solchen Räumen selbst einer Transformation unterliegen:

Klassische Lernort und neue Akteure zusammenbringen

Bildungsräume: In der Pandemie konnten wir sehen, wie Bildungsplattformen, Lernapps, Youtube-Videos und Open Educational Resources die Lernorte Schule und Hochschule ergänzt haben. Entstanden sind neue Räume des Lehrens und Lernens, in denen Bildungsmaterialien und das Know-how vieler Wissensgeber zusammengeführt und genutzt werden.

Durch die Integration klassischer Lernorte und neuer Bildungsakteure kann Lehren und Lernen besser werden. Doch die Potenziale solcher Kooperationen sind durch die staatlichen Bildungsakteure und die Politik bislang kaum ausgelotet und orchestriert.

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[Soeben hat der Stifterverband die Förderinitiative "Raumlabore" als Teil seines Programmes zu "Lernarchitekturen" veröffentlicht.]

Innovationsräume: Reallabore, Lernquartiere oder auch Enterprise Zones nach britischem Vorbild sind physische und digitale Orte, an denen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam an gesellschaftlichen Herausforderungen, sozialen und technischen Innovationen arbeiten. Die Wissenschaft kooperiert dabei mit Nutzern, staatlichen und privaten Akteuren und Betroffenen. Die agile Weiterentwicklung solcher Räume steht oben auf der politischen Agenda. Welche Förderformate, Rollenzuweisungen und Governance-Strukturen dazu am besten beitragen, ist nicht geklärt und noch weitgehend unerforscht.

Datenräume schließlich beschreiben Infrastrukturen und Kooperationsfelder, in denen durch die Nutzung von Daten unterschiedlicher Akteure neues Wissen erzeugt und verbreitet wird. Hier geht es nicht nur um die Nutzung wissenschaftlicher Daten durch andere, sondern auch um die Daten anderer – etwa Unternehmen und Behörden – für eine noch bessere Wissenschaft. Dafür sind die Forschungsinstitutionen noch nicht vorbereitet.

Management von Kollaboration anstatt Beutegemeinschaften fördern

Die öffentlichen Institutionen in Bildung und Wissenschaft sind weiterhin zentral für die erfolgreiche Wissensproduktion und den Wissensaustausch. Sie stehen im Zentrum, brauchen aber andere für die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungen und können das Wissen anderer für neue Bildungs-, Forschungs- und Innovationsformate nutzen. Dazu müssen sie ihre Rolle in den neuen Wissensgemeinschaften finden und ihre Strukturen anpassen.

Was folgt daraus? Kollaborationen mit vielfältigen Partnern brauchen verlässliche Infrastrukturen, Kompetenzen und einen Kulturwandel, der disziplinen- und institutionenübergreifendes Arbeiten zum Ziel hat. Förderpolitik muss ihre Logik in diese Richtung weiterentwickeln.

Das heißt: mehr Strukturen und weniger Projekte fördern, das Management von Kollaboration und die gemeinsame Ideenfindung anstelle von Beutegemeinschaften unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen traditionellen Wissensorten mit neuen Wissensgebern verlässlich ausweiten und professionalisieren. Dafür sind auch neue Akteure gefragt: Vernetzungsstellen, Treuhänder oder Innovationsagenturen, die Potenziale erkennen und Schnittstellen aufbauen.

Eine innovationsorientierte Transformationspolitik tut gut daran, Bildung und Wissenschaft neu zu denken und Lösungen für diese Herausforderungen zu finden.

Andrea Frank, Volker Meyer-Guckel

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