zum Hauptinhalt
Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, auf dem Dach des Hauptgebäudes der TU.

© Foto: Tsp/Nietfeld

Unsere Hochschule: Brief an meinen Sohn im Jahr 2032

In einer Reihe von Gastbeiträgen aus den Berliner Hochschulen schreiben Präsident:innen über ihre Pläne und Wünsche für 2023. Heute: Geraldine Rauch für die TU Berlin.

Lieber F., jetzt wirst Du bald schon 18 Jahre und stehst vor dem Abi – wir sind im Jahr 2032. Ob Du danach Mathematik studierst wie ich, Gitarrist wirst oder als Ingenieur in die Klimaforschung einsteigst, ist Deine Entscheidung. Ich traue Dir alles zu. Vielleicht erinnerst Du Dich noch an das Jahr 2022, als ich Präsidentin der TU Berlin wurde. „Mama, wenn Du jetzt Präsidentin bist, kannst Du Papa sagen, dass wir einen Hund kriegen?!“ sagtest du. Das mit dem Hund hat geklappt, auch wenn wir ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten mussten.

Verglichen damit gab es zu der Zeit aber deutlich größere gesellschaftliche Probleme. Es war Krieg in Europa, alles wurde immer teurer, die Menschen wussten oft nicht mehr, wovon sie ihre Miete bezahlen sollten und der Klimawandel wurde immer sichtbarer.

In dieser ausweglosen Situation haben wir alle die Uni und Berlin kräftig umgekrempelt. Angefangen hat es mit der berühmten Wiederholungswahl in Berlin. Stell dir vor, alle Parteien haben sich damals auf ein Klima-Koalitionspapier geeinigt. Vorausgegangenen war ein massiver Druck aus der Bevölkerung, den die Unis anführten. Unser Motto war und ist: „Wir haben nur ein Klima.“ Wir bekamen ein Sondervermögen für die Universitäten, um all unsere maroden Uni-Gebäude klimagerecht zu sanieren und auf unserem Campus Reallabore aufzubauen.

Schwungvoller Semesterauftakt 2020 an der TU Berlin: Moderatorin Nadine Hadad und Baris Ünal, Leiter der Studienberatung, begrüßten Erstsemester an der Uni.

© Felix Noak/TUB

Du fragst Dich wahrscheinlich, woher das Geld kam, wenn doch gerade alle so arm waren, aber tatsächlich war die Bildung von Sondervermögen außerhalb des Haushalts damals ziemlich normal. Nur als Investition in die Wissenschaft und in das Klima war es echt was Neues! Wir sollten zeigen, was in Berlin für ein gutes Klima alles möglich war, und das taten wir. Anfangs fehlte es uns an Fachkräften – der Arbeitsmarkt war leergefegt.

Und leider konnten wir damals den Menschen an der Uni auch nicht so viel Geld bezahlen, dass es für das teure Berlin ausgereicht hätte. Aber stell Dir vor – die Beschäftigten, die Universitätsleitungen und die Politik haben sich zusammengetan und einfach den Spitzensteuersatz erhöht. So haben die Unileitungen etwas weniger und die Mitarbeitenden etwas mehr bekommen.

Wir investierten als TU Berlin dann kräftig in unsere Auszubildenden. Mit unserem Programm Azubi.Klima.Pro steckte der Klimaschutz in allen Lehrplänen. Jeder wollte die Klima-Elektriker*innen, die Klima-Bautechniker*innen made by TU Berlin direkt einstellen. Aber weil wir einfach die coolste Uni der Welt waren (und es auch zehn Jahre später noch sind!), wollten die Azubis trotzdem lieber bei uns bleiben.

Denn wir standen alle hinter einer großen Vision: Wir gründeten die TU-Klima-AG und verkauften Klimaaktien für die TU Berlin. Erst wenige, aber dann wurden es immer mehr, bis wir über ein Kapital von 100 Millionen Euro verfügten. Das investierten wir in einen klimagerechten und sozialen Campus. Auf unseren Dächern bauen wir Gemüse für die vegane Mensa an. Daneben surren die kleinen Windkraftanlagen für die Stromversorgung unserer Rechenzentren.

Wo früher die Rollläden von maroden Gebäuden runterkrachten, sind heute die Fassaden begrünt. Mit unseren Wasserrädern im Landwehrkanal können wir die Akkus von rund 5000 TU-E-Bikes aufladen. Wir haben es geschafft, die Fasanenstraße zu einer verkehrsberuhigten Zone umzugestalten. Unser Campus ist nun autofrei.

Von den TU-Klima-Aktien floss viel Geld in unser Climate Change Center. Darüber schafften wir es, eine einheitliche Klimapolitik für Berlin und Brandenburg auf den Weg zu bringen – vom Kohleausstieg bis hin zum kostenlosen Nahverkehr.

Ich bin sehr dankbar, dass ich damals bei all dem dabei sein durfte – denn unsere Welt erleben und gestalten wir niemals allein. Lieber F., wenn Du nach dem Abi an der TU Berlin studieren möchtest, dann hoffe ich, dass Dir dort der gleiche Veränderungswille, der gleiche Tatendrang, die gleiche Diskussionsfreude und genau so viele tolle Menschen begegnen, wie mir damals. Es lohnt sich immer!

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false