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Jan-Martin Wiarda

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„Wiarda will’s wissen“: Finanzierungsmacht und Kontrolldefizit privater Stiftungen

Um Forschung zu finanzieren, nehmen Hochschulen auch Gelder von privaten Stiftungen an. Das Problem: Ihre Vergabeverfahren sind häufig intransparent. Und das beeinflusst die Forschung.

Eine Kolumne von Jan-Martin Wiarda

Hochschulen beklagen einen teilweise ruinösen Wettbewerb um staatliche Drittmittel. Mitarbeiterinitiativen machen sie für die vielen Befristungen und Kettenverträge in der Wissenschaft verantwortlich, und beide Seiten sind sich einig: Die Relation zwischen Drittmitteln und Grundfinanzierung ist schon lange aus dem Gleichgewicht geraten.

Mit Folgen auch für die Inhalte. Der Anreiz, sagen Kritiker, die beantragten Forschungsprojekte an den vermuteten Mainstream anzupassen, sei groß. Gleichzeitig stiegen die Chancen für Unternehmen, die Wissenschaft für ihre eigenen Interessen einzuspannen. Über die großzügige Finanzierung bestimmter Forschungsvorhaben oder sogenannter Stiftungsprofessuren, die meist auf fünf Jahre vereinbart und im Anschluss oft von den Hochschulen fortgeführt werden müssen – mit ihren ohnehin schon so knappen Grundmitteln.

Die Wirklichkeit ist natürlich weniger schwarz-weiß. Die meisten Stiftungsprofessoren arbeiten unbehelligt von den Unternehmen, echte Skandale sind selten. Und während die Schieflage zwischen staatlichen Dritt- und Dauermitteln unter Hochschulforschern weitgehend Konsens ist, fällt die Bestandsaufnahme beim Engagement der Wirtschaft anders aus: Ihr Anteil an allen Drittmitteln sank laut Stifterverband zwischen 2009 und 2019 von 22,4 auf 17,2 Prozent.

Erstaunlich angesichts der oft so aufgeregten Debatte ist indes, dass ein anderer – kritischerer – Aspekt privater Drittmittel fast vollständig ausgeblendet wird: die Abhängigkeit der Wissenschaft von privaten Stiftungen, die zwar die Gemeinnützigkeit in ihrer Satzung stehen haben, aber nur einer sehr eingeschränkten öffentlichen Kontrolle unterliegen. Ich meine damit ausdrücklich nicht den größten deutschen privatrechtlichen Forschungsförderer, die Volkswagen Stiftung, deren Gremienstruktur zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft vorbildlich austariert ist und deren Auswahlverfahren transparent, oft sogar trendsetzend sind.

Währenddessen handeln andere Stiftungen mit teilweise enormen Geldstöcken die Besetzung ihrer Gremien im kleinen Kreis aus. Sie gestalten ihre Geschäftsordnungen, Förderrichtlinien und Vergabeverfahren weitgehend nach Belieben, machen sie mitunter nicht einmal öffentlich, sie entscheiden auch, ob und wo sie externe Gutachter hinzuziehen.

Das Hauptproblem sind dabei nicht einzelne kritische Projekte oder Stiftungsprofessuren, auch nicht öffentlich gewordene Selbstherrlichkeiten wie übermäßiger Champagnerkonsum, überhöhte Honorare oder das Vorhandensein patriarchalischer Netzwerke.

Die Kernfrage für Hochschulen und öffentliche Institutionen lautet: Wie sollen sie sich ganz grundsätzlich gegenüber Wissenschaftsstiftungen verhalten, deren Governance teilweise so undurchsichtig ist wie ihre Bewilligungsentscheidungen? Wann machen sie sich im Gegenzug für das Stiftungsgeld abhängig von einem undurchsichtigen und möglicherweise wankelmütigen Goodwill? Was bedeutet das für ihre Strategiefähigkeit?

Noch einmal: Es gibt genug private Stiftungen mit beispielhafter Governance. Doch hier geht es um die anderen, die in der Wissenschaft jeder kennt. Was, wenn diese Stiftungen dann auch noch Beteiligungen an Unternehmen oder Konzernen haben, die eine dem Stiftungszweck verwandte Geschäftsausrichtung haben? Wann dürfen, wann müssen Hochschulen deren Fördermittel und -bescheide ablehnen, selbst wenn sie die Unterstützung noch so dringend brauchen?

Fest steht: Für die Steuerfreiheit, die private Stiftungen genießen, müssen sie ihr Geld nicht nur satzungsgemäß ausgeben. Sie sollten auch alle ihre Gremien und Prozesse demokratisieren und transparent machen. Das ist ihre gesellschaftliche Verpflichtung. Und damit sie es tun, braucht es jetzt eine sehr grundsätzliche und ehrliche Diskussion.

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