zum Hauptinhalt
Ein Meteorit hinterlässt am Himmel über der Stadt Tscheljabinsk eine weiße Spur. Vor zehn Jahren erschüttert ein kosmisches Ereignis die russische Großstadt Tscheljabinsk am Ural. Ein knapp 20 Meter großer Asteroid dringt in die Erdatmosphäre ein, zieht beim Verdampfen einen Schweif hinter sich her und explodiert mit grellem Lichtblitz und lautem Knall über der Metropole.

© dpa/Gorbunova Viktoria

Asteroid „Apophis“ kommt uns extrem nahe: Wie Wissenschaftler Armageddon abwenden

Der Brocken aus dem All passiert 2029 die Erde in nur 32.000 km Entfernung. Experten warnen vor möglichen Gefahren – und machen Hoffnung mit neuen Abwehrtechnologien.

Von Oliver Pietschmann, dpa

Der etwa 350 Meter große Asteroid „Apophis“ fliegt im April 2029 knapp an der Erde vorbei. Er kommt ihr dabei näher, als einige Satelliten von ihr entfernt sind. Der Abstand des Asteroiden von dann nur rund 32.000 Kilometern zur Erdoberfläche ist in den Weiten unseres Sonnensystems fast nichts, in diesem Fall aber gerade genug, um einen katastrophalen Crash zu vermeiden.

Das wäre schon ziemlich unangenehm, wenn ,Apophis’ in die Atmosphäre eintreten würde.

Detlef Koschny, Professor für Lunare und Planetare Exploration an der Technischen Universität München

„Das wäre schon ziemlich unangenehm, wenn der in die Atmosphäre eintreten würde“, sagt der Asteroidenexperte Detlef Koschny, der die Professur für Lunare und Planetare Exploration an der Technischen Universität München innehat. Treffe so ein Asteroid die Erde, spüre ein ganzes Land die Auswirkungen davon. Bei der Größe von „Apophis“ sei neben einer Schockwelle auch mit extrem heißer Luft zu rechnen, die Sachen entflammen könnte.

Asteroidenabwehr keine Theorie mehr

Fachleute haben neben „Apophis“ noch Zehntausende weitere Asteroiden im Blick, die in die nähere Umgebung der Erde kommen könnten. Dabei ist die Menschheit mittlerweile nicht mehr ganz wehrlos gegen sie.

„Bei einem Objekt dieser Größe würden wir wirklich schauen, dass wir das irgendwie ablenken können“, sagt Koschny über „Apophis“. Um die möglichen Dimensionen klarzumachen, erinnert der Fachmann an einen Krater mit 1,5 Kilometern Durchmesser im US-Bundesstaat Arizona – dieser sei durch den Einschlag eines nur 50 Meter großen Objekts entstanden.

Mittlerweile ist es keine Science-Fiction mehr: Rechtzeitig erkannte und potenziell für die Erde gefährliche Asteroiden können mit einiger Wahrscheinlichkeit von ihrer Bahn abgelenkt werden. Als Teil einer Mission der US-Raumfahrtbehörde Nasa und der europäischen Raumfahrtbehörde Esa schlug im September 2022 die Nasa-Sonde „Dart“ gezielt in den kleineren Teil eines Doppelasteroiden ein.

Ein winziger Asteroid ist am 21. Januar 2024 nahe Berlin verglüht. Die Asteroidenüberwachung der US-Raumfahrtagentur Nasa hatte den Feuerball zuvor angekündigt.

© dpa/Christoph Seidler

Der Aufschlag veränderte die Umlaufbahn des kleinen „Dimorphos“ um den größeren Teil namens „Didymos“. Noch in diesem Jahr soll die Esa-Sonde „Hera“ starten, um noch genauere Messwerte über den Doppelasteroiden und den Aufschlag zu bekommen.

Europäer wollen aufklären

„Wir wissen ziemlich genau, was da passiert ist beim ,Dart’-Einschlag“, sagt der Esa-Chef-Koordinator für die Asteroidenabwehr, Richard Moissl, der mit seinem Team in Frascati bei Rom sitzt. Ziel der „Hera“-Mission sei zu untersuchen, wie der Asteroid jetzt aussieht und welche Struktur und Dichte er aufweist.

„Dadurch erhalten wir ein viel besseres Verständnis, was genau beim ,Dart’-Impact passiert ist und auf welchen Körper wir da draufgehauen haben.“ Deswegen sei „Hera“ die wichtige zweite Komponente der Mission.

Das sieht auch Koschny so. Mit „Dart“ habe man gezeigt, dass ein Ablenken geht. „Aber wenn ich wirklich verstehen will, was da passiert, dann muss ich noch ein paar Sachen mehr wissen, zum Beispiel: Wie schwer war das Objekt, das wir getroffen haben?“ Vielleicht gebe es dort einen Einschlagskrater oder vielleicht habe sich das Objekt verformt. Das könne man von der Erde aus nicht bestimmen.

Frühe Asteroiden zeigen Gefahren

Asteroiden sind bei der Entstehung unseres Sonnensystems übrig gebliebene Brocken. Die größeren unter ihnen könnten durchaus eine Gefahr darstellen für das Leben auf der Erde, wie wir es kennen. So war es wohl ein etwa zehn bis 15 Kilometer großer Asteroid, der zum Aussterben der Dinosaurier führte. Aber auch schon bei einigen Metern Größe können die Brocken aus dem All immense Schäden anrichten.

Umgeknickte Bäume bedecken eine Landschaft in Ostsibirien. Seit 100 Jahren rätselt die Wissenschaft über die gewaltige Explosion, die am 30. Juni 1908 in Sibirien ein Waldgebiet von der Größe des Saarlandes vernichtete. Als wahrscheinlich gilt, dass ein Steinmeteorit in einigen Kilometern Höhe über dem Fluss Steinige Tunguska explodierte.

© dpa/L. Kulik

Vermutlich war es ein Asteroid von einer Größe zwischen 40 und 50 Metern, der am 30. Juni 1908 über Sibirien herunterging. Die Druckwelle der Explosion knickte Millionen Bäume in Tunguska um, auf einer Fläche fast so groß wie das Saarland.

Mit Blick auf dieses Ereignis riefen die Vereinten Nationen später den Asteroidentag (30. Juni) aus. Im Februar 2013 explodierte ein etwa 20 Meter großer Asteroid über der Millionenstadt Tscheljabinsk. Durch die Druckwelle wurden rund 1500 Menschen verletzt, meist durch splitterndes Fensterglas.

Es werden immer mehr der Brocken entdeckt

„Rund 1,3 Millionen Asteroiden sind mit guten Bahninformationen bekannt. Das werden jährlich und kontinuierlich mehr“, sagt Moissl. Die Raumfahrtbehörden entdecken ständig neue, darunter auch ungewöhnliche Konstellationen wie den Asteroiden „Dinkinesh“ mit einem Doppelmond. Die meisten dieser Asteroiden sind im Hauptgürtel zwischen Mars und Jupiter zu finden.

35.000
Asteroiden sind derzeit bekannt, die als erdnah gelten.

„Für uns sind die Erdbahn kreuzende Asteroiden von besonderem Interesse“, sagt Moissl über sogenannte NEO (Near-Earth Objects). Bei den allermeisten spreche man aber über eine Kollisionswahrscheinlichkeit von eins zu einer Million oder sogar noch weniger.

„Alle weltweit bekannten NEO werden von uns periodisch geprüft“, erklärt er. Denn: „Die Bahnen der Asteroiden sind ja nicht in Stein gemeißelt.“ Für die rund 35.000 derzeit bekannten erdnahen Brocken werden die Szenarien für die nächsten hundert Jahre immer wieder durchgespielt.

Zurzeit gebe es keinen großen Asteroiden, den man auf Kollisionskurs sehe, sagt Moissl. Und auch Koschny sieht keine Crash-Gefahr. Es gebe auch bei der Esa eine Risikoliste. „Da war jetzt nichts drauf, wo ich mir Sorgen machen würde.“

„Apophis“, der die Erde quasi nur um Haaresbreite verfehlt, bietet Moissl zufolge auch große Chancen. Es gibt Pläne, dort eine Sonde hinzuschicken. Denn der Asteroid fliege so nah an der Erde vorbei, dass man viel über die Wechselwirkung mit der Erde herausfinden könne, sagt der Esa-Spezialist. „Es ist eine wunderbare, einmalige Gelegenheit.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false