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Die Europäische Wanderheuschrecke frisst vorzugsweise Gras, kann im Schwarm aber auch ganze Ernten vernichten.

© imago images / imagebroker/imageBROKER/Michael Weber

Wovon Wanderheuschrecken nicht schwärmen: Lassen die Insekten sich über ihren Geruchssinn austricksen?

Wenn sie sich zu riesigen Schwärmen zusammenfinden, können Wanderheuschrecken ganze Landstriche kahlfressen. Ihr Geruchssinn könnte jedoch gegen sie genutzt werden.

Als erwachsene Tiere fliegen sie vor allem nachts und können sich über Hunderte Kilometer fortbewegen. Schwärme der Europäischen Wanderheuschrecke Locusta migratoria vernichten in Afrika und Asien ganze Ernten, wie schon im Alten Testament für Ägypten beschrieben.

Mit einer neu entwickelten Methode haben Forschende vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena jetzt sichtbar gemacht, wie die Tiere Gerüche wahrnehmen. Bei der Umstellung ihres Verhaltens vom ortstreuen Grasfresser zur wandernden biblischen Plage könnten Düfte eine Rolle spielen, vermuten die Forscher.

Ringförmige Muster

„Wir glauben, dass ein besseres Verständnis der Geruchsverarbeitung unser Wissen über die neuronale Modulation, die zum Beispiel auch der Schwarmbildung bei Heuschrecken zugrunde liegt, erheblich erweitern wird,“ wird Forscher Bill Hansson in einer Mitteilung des Instituts zitiert.

Per Gentechnik wurden Nervenzellen im Riechhirn der Tiere verändert und ihre Aktivität sichtbar gemacht.

© Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

Mithilfe der Genschere Crispr/Cas9 konnten die Forschenden sichtbar machen, wie verschiedene Düfte jeweils eigene ringförmige Netzwerke von Nervenzellen im Riechhirn der Insekten aktivierten. Wie sie jetzt in der Fachzeitschrift „Cell“ berichten, unterscheiden die Tiere auf diese Weise zwischen chemischen Klassen von Duftstoffen. Ob sie den Geruch als angenehm oder abstoßend empfinden, werde aber nicht im Riechhirn, sondern wahrscheinlich in höheren Gehirnzentren bestimmt.

Zu erforschen, wie die Insekten Gerüche wahrnehmen und verarbeiten und wie sich die Geruchswahrnehmung auf ihr Verhalten auswirkt, könnte Ansatzpunkte für die Bekämpfung der Ernteschädlinge liefern.

Kannibalistische Wanderer

Die Wanderheuschrecken leben in zwei Phasen. Als solitäre, einzeln und ortstreu lebende Tiere nehmen sie vergleichsweise wenig Nahrung zu sich. In der gregären Phase zeigen sie das Schwarmverhalten. Ausgelöst wird die Veränderung, wenn die Populationsdichte aufgrund von Regenfällen und ausreichend Nahrung zunimmt.

Die Tiere setzen Aggregationspheromone frei, berichteten die Forscher zu einer früheren Studie. Das Duftsignal führe zur Schwarmbildung und damit zur Bedrohung der Ernten im Gebiet. Aus friedlichen Einzelgängern würden aggressive Wanderer mit großem Futterbedarf. Bis zu 500 Gramm Futter vertilgt eine Heuschrecke in ihrem Leben – Grünzeug oder auch Artgenossen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vermuten, dass Kannibalismus unter den Heuschrecken zu ihrem Schwarmverhalten beiträgt. Die Schwärme ziehen demnach weiter, weil die einzelnen Tiere ständig auf der Flucht vor den hungrigen Artgenossen hinter ihnen sind. Zur Gegenwehr setzen sie einen Duftstoff frei, Phenylacetonitril (PAN), der abschreckend auf andere Heuschrecken wirkt.

„Wenn man die Produktion von PAN oder die Funktion des Rezeptors hemmt, könnte man die Heuschrecken dazu bringen, sich kannibalistischer zu verhalten und sich auf diese Weise möglicherweise selbst zu bekämpfen,“ vermutete Hansson.

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