zum Hauptinhalt
Die Qualle der Wahl. Als „Farb-Autorität“ meint die Design-Frma Pantone, auch Meereshohltiere mit der Farbe des Jahres 2024, „peach fuzz“, kolorieren zu dürfen.

© Pantone.com

Wuschelpfirsich: Wie eine einzelne Expertin auch für 2024 wieder die „Farbe des Jahres“ fand

Es tut uns leid, auch dieser Artikel kommt nicht ohne Taylor Swift aus. Denn sie soll eine der Trendsetterinnen sein, die „Peach Fuzz“ an den Zenit des diesjährigen Regenbogens gebracht hat.

Man kann ein bisschen Angst bekommen, dass das jetzt immer so weiter geht. Taylor Swift wurde vom Time Magazine zur Person des Jahres 2023 erkoren. Eine Farbe, die die Popsängerin, Multikünstlerin und Footballspielerfreundin mit populär gemacht hat, so schrieb zumindest USA Today, ist jetzt zur Farbe des Jahres 2024 erkoren worden: „Peach Fuzz“.

Diese Entscheidung trifft nicht etwa ein Color-Komitee der Vereinten Nationen oder eine Expertenkommission von Farbforschern, sondern letztlich eine einzelne Frau im Dienste einer einzelnen Firma. Leatrice Eiseman leitet seit den achtziger Jahren das „Color-Institut“ von Pantone in Carlstadt, New Jersey, damals eine Spezialdruckerei. Die studierte Psychologin hatte ein Buch über Farbpsychologie herausgebracht, und der Pantone-Firmenchef bot ihr einen Job an.

Sie entwickelte dort das, was man in der Branche gerne als „Sprache der Farben“ bezeichnet. Denn neben den teilweise blumigen englischen Namen wie „Serenity“, „Rose Quartz“ oder „Radiant Orchid“ hat jeder der abertausenden Farbtöne und -schattierungen auch eine eher nomenklatorische Bezeichnung. Der gelbe Ziegelsteinweg im „Zauberer von Oz“ etwa ist nicht einfach gelb, sondern Judy Garlands Netzhaut sieht dort „14-0957 Spectera Yellow“.

Nein, sie ist nicht die „Farb-Päpstin“, aber sie kennt sich aus und hat Einfluss: Leatrice Eiseman.

© Leatrice Eiseman

Die Idee mit der Farbe des Jahres soll im Unternehmen entstanden sein, als sich das alte Jahrtausend dem Ende näherte und die Angst vor Zusammenbrüchen in Computersystemen oder vielleicht der ganzen Weltordnung umging. Man überlegte, eine positive, hoffnungsvolle Farbe als Farbe des neuen Millenniums auszurufen. Frau Eisemann überlegte konkret, und wählte eine Art Himmelblau, genauer gesagt: Cerulean Blue.

Mit Blau fing es an

Die Farbpsychologin hatte die Situation offenbar psychologisch richtig eingeschätzt. Denn selbst ohne großes PR-Brimborium folgten Presseartikel weltweit. Die Design-Community griff den Hype auf. Klamotten, Tapeten, Autolacke und vieles mehr waren im Jahr 2000 sehr überdurchschnittlich häufig „Cerulean Blue“. Ein paar Jahre später folgte dann auch noch eine ikonische Szene in „The Devil wears Prada“.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Man entschied sich, das mit der Farbe nun jedes Jahr zu machen, und Pantone wurde nun endgültig zur Design-Marke, wahrgenommen als Autorität bei Farben und Farbkombinationen. Die Farbprobenbücher der Firma, die tausende Schattierungen zeigen und ihnen Namen geben, kosten Kunden aus der Industrie tausende Dollars. Andere Farb- und Designfirmen zogen nach und proklamieren nun ihrerseits ihre eigenen Farben des Jahres.

Graue Jahre

Nicht immer aber lag die Psychologin Eiseman psychologisch richtig. „Living Coral“ 2019 etwa löste eine Art Shitstorm aus, denn Umweltschützer fanden die Entscheidung nach einer Periode des massiven Korallensterbens an Riffen weltweit mehr als unpassend. Sie proklamierten „Bleached Coral“, also „gebleichte Koralle“ als die bessere Wahl.

Noch mehr „Peach Fuzz“, diesmal auch wirklich wuschelig.

© Pantone.com

Dazu kommt, dass auch Frau Eiseman nicht weiß, was im jeweils kommenden Jahr passiert. 2020 etwa sollte „Classic Blue“ gleichsam zum 20-Jährigen „Ruhe, Vertrauen und Verbundenheit“ transportieren. Das verlautbarte die Firma Ende 2019. Das erste Corona-Jahr steht aber rückblickend eher für die jeweiligen Gegenteile dieser schönen Begriffe. Frau Eiseman war aber für 2021 dann mit „Ultimate Grey“, also ultimativem Grau, sehr konsequent.

Rosaorangene Zeiten

„Auf der Suche nach einem Farbton, der unsere angeborene Sehnsucht nach Nähe und Verbundenheit widerspiegelt, haben wir uns für eine Farbe entschieden, die vor Wärme und moderner Eleganz strahlt“, lässt sich Leatrice Eiseman zu „Peach Fuzz“, übersetzt „Pfirsich-Wuschel“, jetzt auf der Website der Firma zitieren. Ihre Entscheidung fiel, wie immer, nach unzähligen Treffen mit Fachleuten in Design, Trendforschung und Psychologie weltweit, sowie Auswertung von Hinweisen aus der Populärkultur. Und Style und Make-up des größten Popstars der Gegenwart kann man da eben nicht ignorieren.

Im „Marketing Magazine“ stand vor 30 Jahren der Satz „Wer die Farben kontrolliert, kontrolliert die Welt“. Man würde heute statt Farben sicher eher „Internet“ oder „KI“ schreiben. Die Bedeutung der Farben bleibt eher subtil, etwas für die Psychologie eben. Eher weniger subtil, so erzählte es Eiseman dem Magazin „The Hussle“ im vergangenen Jahr, ist die Frage, die sie am häufigsten gestellt bekommt. Sie laute: „Wie soll ich mein Wohnzimmer streichen?“

Wenn sie das Wohnzimmer nicht kennt, und die Leute, die es bewohnen, kann sie aber mit einer Antwort, die der Sprache der Farben gerecht wird, nicht dienen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false