zum Hauptinhalt
Die Mieter der Weichselstraße 52 fordern nun finanzielle Rückendeckung vom Senat.

© Mietergemeinschaft Weichsel 52 / Neukölln

Update

Comeback des Vorkaufsrechts?: Neukölln nimmt neuen Anlauf bei zwei Häusern

Seit eineinhalb Jahren wurde das Vorkaufsrecht nach einem Gerichtsurteil nicht mehr angewandt. Das Bezirksamt Neukölln hat nun neue Kriterien entwickelt.

Erstmals seitdem das Bundesverwaltungsgericht im November 2021 die Vorkaufspraxis der Berliner Bezirke infrage gestellt hatte, bereitet wieder ein Bezirk den Vorkauf von zwei Häusern vor. Es handelt sich um zwei Häuser in Neukölln: ein Haus mit 21 Mietparteien in der Weichselstraße 52 und ein Haus mit acht Mietparteien in der Hermannstraße 123.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2021 entschieden, dass das Vorkaufsrecht nur angewendet werden darf, wenn deutliche Missstände vorliegen. Das ist offenbar bei beiden Häusern der Fall. In der Weichselstraße 52 gebe es undichte Dächer, undichte Stellen in den Wasserleitungen und teilweise sogar noch Kohleheizungen, erzählt eine Mieterin, die anonym bleiben möchte.

Jochen Biedermann (Grüne), Neuköllner Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, freut sich, das Vorkaufsrecht wieder zum Leben erwecken zu können. „Das Instrument des Vorkaufs ist nicht so tot, wie einige es vielleicht geglaubt haben“, sagte er dem Tagesspiegel. „Seit dem Urteil haben wir uns intensiv angeschaut, in welchen Fällen wir das Vorkaufsrecht noch ausüben können, und Kriterien dafür aufgestellt.“ Auch sei eine neue Muster-Abwendungsvereinbarung entwickelt worden.

Große Mängel im Haus rechtfertigen Vorgehen

Als Kriterien für eine erfolgreiche Anwendung des Vorkaufsrechts nennt das zuständige Bezirksamt in einem internen Papier „städtebauliche Missstände und Mängel“ bei sogenannten „Problemimmobilien“. Außerdem kann demnach das Vorkaufsrecht auch angewandt werden, wenn „das Grundstück nicht im Einklang mit der städtebaulichen Maßnahme bebaut und genutzt wird“. Damit sind vor allem Gebäude mit „überwiegendem Leerstand“ gemeint.

Laut Biedermann prüft der Bezirk zum Verkauf angebotene Häuser schon länger auf diese Kriterien. „In den allermeisten Fällen kommt man aber zu dem Ergebnis, dass die Häuser in einem Zustand sind, in dem das Vorkaufsrecht nicht zulässig ist – auch, weil es keine Hinweise auf Missstände und Leerstände gibt.“ Bei den nun betroffenen Häusern seien die Mängel im Haus so groß, dass sich der Bezirk sicher sei, das Vorkaufsrecht rechtskonform anwenden zu können.

Es ist total wichtig, dass Stefan Evers Gelder freigibt, damit das Vorkaufsrecht am Ende auch wirklich ausgeübt werden kann.

Mieterin aus der Weichselstraße 52

Für das Haus in der Weichselstraße gibt es einen verbindlichen Vorvertrag für einen Verkauf an den Investor Hansereal. Wegen des hohen Sanierungsstaus ist die Gefahr für die Mieter, im Falle eines regulären Verkaufs verdrängt zu werden, besonders hoch. Bezirk und Mieter suchen nun nach einem sogenannten Drittkäufer, der die Häuser erwirbt, etwa Genossenschaften oder landeseigene Wohnungsgesellschaften. Gespräche laufen laut Bezirk bereits.

Das Problem: Wegen des Sanierungsstaus muss nach dem Kauf viel Geld in die Häuser gesteckt werden. Deswegen sieht Biedermann nun den Senat in der Verantwortung, das Ganze durch Zuschüsse abzusichern. „Dafür würde sich der Klimafonds, den der Senat am Dienstag verabschiedet hat, gut eignen“, sagt Biedermann. Solche Häuser wie die in der Weichsel- und Hermannstraße seien wegen ihres schlechten energetischen Zustands aus seiner Sicht prädestiniert dafür, sozialverträglich ertüchtigt zu werden. So könne man auch zeigen, wie sozialer Klimaschutz ohne Verdrängung möglich sei. 

Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sagte am Dienstag bei der Senatspressekonferenz zu einer möglichen Finanzierung des Landes nichts Genaueres. Ihn habe zu den Fällen ein Schreiben erreicht. „Wir werden das eingehend prüfen“, sagte er. 

Die Mieterin aus der Weichselstraße appelliert mit Nachdruck an den Senator: „Es ist total wichtig, dass Stefan Evers Gelder freigibt, damit das Vorkaufsrecht am Ende auch wirklich ausgeübt werden kann. Denn unser Haus ist in so einem schlechten Zustand, dass potenzielle Drittkäufer im Vorkaufsrechtsverfahren sonst zurückschrecken könnten.“

„Wir müssen jetzt auf jeden Fall zeigen, dass wir es ernst meinen“, betont Bezirksstadtrat Biedermann. Möglicherweise werde der Käufer dann auch lieber eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnen, in der er sich unter anderem zur zeitnahen Behebung der Mängel bereit erklärt, statt ganz auf den Kauf zu verzichten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false