zum Hauptinhalt
Der Bereich Sanitär, Heizung, Klima hat das Kfz-Handwerk als beliebtesten Ausbildungsberuf abgelöst.

© imago images/blickwinkel

Gut über den Winter gekommen: Stimmung im Berliner Handwerk hellt sich auf

Die Krise auf dem Bau kommt bei den Handwerksbetrieben bislang nicht an. Doch ein Fünftel der Firmen hat Arbeitsplätze gestrichen.

Die leichte Rezession ist verflogen, die Stimmung im Berliner Handwerk „wird stetig besser“, und vom neuen Senat befürchten die Unternehmen auch keinen Gegenwind. „Der Winterblues ist vorbei“, fasste Jürgen Wittke am Mittwoch die Frühjahresumfrage der Handwerkskammer zusammen. Die milliardenteuren Hilfsprogramme von Bund und Land haben gewirkt, der große Auftragseinbruch blieb aus. „Unsere Betriebe wollen jetzt loslegen und die Klimawende auf die Straße und an die Häuser bringen“, sagte Handwerkspräsidentin Carola Zarth, die mit Wittke zusammen den aktuellen Konjunkturbericht vorstellte.

Rund 30.000 Betriebe mit etwa 180.000 Mitarbeitenden gehören zum Berliner Handwerk. Obwohl in den Wintermonaten ein Fünftel der Betriebe Personal abgebaut hat, ist der Arbeitskräftemangel nach wie vor das größte Problem und wird zu „einem limitierenden Faktor“, wie Zarth sagte. „Wir müssen noch mehr Menschen für eine Ausbildung im Handwerk begeistern.“ Die Präsidentin ärgert sich darüber, dass „die Vorbereitung auf die künftige Arbeitswelt in der Schule keine Rolle spielt“.

Gegen Ausbildungsumlage

Wittke und Zarth bekräftigten die Ablehnung einer Ausbildungsumlage, wie sie auch der neue Senat in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. „Mindestens 2000 zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze bis 30. April 2025“ fordert die schwarz-rote Koalition. Wenn es die nicht gibt, „wird vor der Sommerpause 2025 ein parlamentarisches Verfahren für eine gesetzliche Regelung zur Einführung einer Ausbildungsplatzumlage abgeschlossen“.

Carola Zarth führt die Auto-Elektrik Günter Holtz GmbH und seit vier Jahren ehrenamtlich die Handwerkskammer.

© PR

Derzeit stellen die Handwerksbetriebe jedes Jahr rund 3800 Azubis ein, davon sind Wittke zufolge etwa zehn Prozent Geflüchtete. Die Firmen würden gerne mehr ausbilden, finden aber keine Bewerber. Neben der Berufsorientierung in den Schulen wünscht sich Wittke einen anderen Ansatz in den Jugendberufsagenturen, die sich zu sehr an den Wünschen der Jugendlichen orientierten und nicht genügend auf die Perspektiven der Berufe hinwiesen. Immerhin hat der Bereich Sanitär, Heizung, Klima inzwischen das Kfz-Handwerk als beliebtesten Ausbildungsberuf abgelöst. „Klimaretter ist ein Handwerksberuf“, findet Zarth, die selbst aus der Kfz-Branche stammt. 

Zu wenige Gewerbeflächen

„Natürlich wirken die vergangenen schwierigen Jahre noch nach“, beschrieb die Kammerpräsidentin die aktuelle Situation mit hohen Preisen, Lieferengpässen und Fachkräftenot. Vom neuen Senat erwartet sie mehr Unterstützung für den Wirtschaftsverkehr durch privilegierte Parkmöglichkeiten, sowie Hilfe bei der Gewerbeflächenversorgung. Eine Fläche so groß wie 34 Fußballfelder gehe jedes Jahr für Handwerk und Industrie verloren, weshalb Zarth zufolge mehr als 3000 Handwerksbetriebe eine Verlagerung ins Umland erwägen.

Den Wechsel von Stephan Schwarz, der bis 2019 die Handwerkskammer geführt hatte, zu Franziska Giffey in der Senatsverwaltung für Wirtschaft kommentierte Zarth wohlwollend. „Sie stammt aus einer Handwerksfamilie und weiß, wie Handwerk tickt.“ 

So viele Aufträge wie nie

Die aktuellen Geschäfte werden von 89 Prozent der Betriebe als mindestens zufriedenstellend eingeschätzt, die Auftragsreichweite liegt mit 16 Wochen auf einem Höchststand. Am besten steht derzeit das Kfz-Gewerbe da, gefolgt vom Nahrungsmittel- und dem Ausbaugewerbe. „Regelrecht eingebrochen ist dagegen die Auftragslage im Bauhauptgewerbe“, heißt es im Konjunkturbericht.

Der Stellenabbau in den vergangenen Monaten erfolgte angeblich vor allem wegen hoher Energiekosten. 57 Prozent der Bäcker, Fleischer und Konditoren reduzierten die Belegschaft, und der Trend setzt sich fort. „Das ist ein trauriger Tiefstand“, heißt es im Konjunkturbericht. Und die Betriebe glaubten nicht mehr daran, „dass sich die Situation in den kommenden Monaten ändern wird“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false