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Gelbe und orangefarbene Markierungen sind am Morgen nach dem tödlichen Unfall auf der Hermannstraße zu sehen.

© Miriam Rathje

Unfall überschattet Fußballjubel: Fußgänger bei türkischem Autokorso in Berlin-Neukölln totgerast

In Berlin feiern türkische Fußballfans den Achtelfinaleinzug ihres Teams. Doch in der Hermannstraße kommt es zu einem schweren Unfall.

Der Fußballjubel über den 2:1-Sieg der türkischen Nationalelf gegen Tschechien ist in Berlin von einem tödlichen Unfall überschattet worden. Ein 67-Jähriger wurde in Neukölln von einem Auto angefahren. Er starb in der Nacht zum Donnerstag noch am Unfallort an seinen Verletzungen, wie die Polizei am Morgen mitteilte. Der Unfallfahrer hatte nach Beobachtungen einer Tagesspiegel-Reporterin an einem Autokorso teilgenommen.

Nach Angaben der Behörde wollte der Fußgänger gegen 23.10 Uhr die Hermannstraße auf Höhe der Karlsgartenstraße zur Biebricher Straße überqueren. Dabei fuhr ihn der Autofahrer an, der mit seinem Wagen in Richtung Karl-Marx-Straße unterwegs war.

Laut „B.Z.“ wurde der Fußgänger mehr als 20 Meter durch die Luft geschleudert. Das Fahrzeug soll dabei unter dem Mann hindurchgerast sein. Am Straßenrand soll der Fußgänger demnach zwischen geparkten Autos aufgeschlagen sein. Wie „B.Z.“ und „Berliner Zeitung“ berichten, sollen aus dem Mercedes-AMG Türkei-Fahnen geschwenkt worden sein.

Der Fußgänger starb noch am Unfallort

Nach Angaben der Polizei erlitt der 67-Jährige lebensgefährliche Verletzungen und verstarb trotz Reanimationsversuchen noch am Unfallort. Der Autofahrer flüchtete laut Behörde zunächst und ließ sein Fahrzeug zurück. Gegen 0.30 Uhr stellte sich jedoch ein 26-Jähriger auf einem Polizeiabschnitt.

Am Donnerstagmorgen waren an der Unfallstelle gelbe und orangefarbene Markierungen vor und hinter einem Fußgängerübergang zu sehen – Hinterlassenschaften der Unfallermittler, die den Hergang rekonstruieren.

Markierungen an der Unfallstelle auf der Hermannstraße.

© Miriam Rathje

Laut „B.Z.“ soll es sich bei dem Unfallwagen um einen Mietwagen handeln – Bilder zeigen das an der Scheibe zerstörte schwarze Fahrzeug.

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Zu den Hintergründen des Unfalls gab die Behörde sich in ihrer Mitteilung bedeckt: „Die weiteren Ermittlungen, auch dazu, ob das Fahrzeug vor dem Unfall an einer Jubelfeier mit Bezug zur Uefa Euro 2024 teilgenommen hat, dauern an“, hieß es.

Autokorso von Türkei-Fans auf der Hermannstraße

Auf der Hermannstraße war nach dem EM-Erfolg am Abend ein großer Autokorso von Türkei-Fans unterwegs.

Polizeieinsatz auf der Hermannstraße am Mittwochabend: Ein Fußgänger wurde bei einem Autokorso angefahren.

© Miriam Rathje

Der Mercedes-AMG und spätere Unfallwagen soll bereits zuvor innerhalb des Korsos aufgefallen sein, beobachtete eine Tagesspiegel-Reporterin. Demnach hatte der Fahrer des Autos an der vorherigen Ampel mit dem Gaspedal gespielt, was zu Jubel von türkischen Fußballfans auf den umliegenden Balkonen führte. Danach beschleunigte der 26-jährige Mann mit knatterndem Auspuff und unter hohem Tempo in Richtung Hermannplatz.

Türkische Fans feiern in Berlin den Einzug ins Achtelfinale.

© Julius Geiler

Der Wagen bretterte schließlich über die Kreuzung, als der Fahrer den Rentner anfuhr, der gerade die Straße überquerte. Das Auto soll so schnell gewesen sein, dass der Sportwagen unter dem angefahrenen Fußgänger hindurchfuhr, während der 67-Jährige durch die Luft wirbelte.

Polizei und Feuerwehr rückten mit mehreren Einsatzwagen an. Die Straße war bis weit nach Mitternacht gesperrt. Polizisten suchten mit Taschenlampen die Straße ab, für die Spurensicherung wurde ein Schutzzelt aufgebaut.

Schwarz-Rot-Gold mit Halbmond: Fußballparty an der Gedächtniskirche.

© Julius Geiler

Die Einsatzkräfte stellten auf allen Fahrspuren weiße, mobile Sichtschutzwände auf, um das Unfallopfer vor den Blicken schaulustiger Fußballfans und Partygänger abzuschirmen.

Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), teilte am Donnerstag zu dem tödlichen Unfall mit: „Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen des Verstorbenen, der durch rücksichtsloses Fahren aus dem Leben gerissen wurde.“ Jendro stellte die Bedingungen für das Anmieten von Fahrzeugen infrage: „Wir sehen einmal mehr, dass das Posen mit 500-PS-Boliden hochgefährlich sein kann, und müssen ernsthaft darüber nachdenken, warum es weiterhin möglich ist, selbst als junger Fahranfänger derartige Fahrzeuge ohne große Hürden anzumieten. Wer sich hinter das Steuer setzt, weiß, dass er eine Waffe unter dem Hintern hat, mit der er Menschen töten kann.

Ähnlich äußerte sich die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek. „Wir brauchen eine abschreckende Wirkung, so ein Fall muss lebenslange Folgen haben. Wenn der Führerschein für immer weg ist, tut das den jungen Fahrern mehr weh als Haft“, sagte Kapek dem Tagesspiegel. Gleichzeitig müsse auch das Strafrecht verschärft werden. Es müsse klar sein, dass ein Fall wie dieser ein Tötungsdelikt darstellt.

Kerzen und niedergelegte Blumen für das Opfer.

© Miriam Rathje/Tsp

„Ich halte das nicht für einen ,Unfall’, wenn jemand mit stark überhöhter Geschwindigkeit die viel genutzte Hermannstraße runterbrettert und dabei in Kauf nimmt, jemanden anzufahren“, schrieb Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, bei X. Aus gutem Grund sei beim (Raser-Urteil nach Unfall auf dem; d. Red.) Tauentzien seinerzeit auf Mord plädiert worden.

Zusammenstöße mit der Polizei

Abseits des Unfalls wurde in Berlin am Mittwochabend der Fußballsieg der Türkei gefeiert. In Berlins City West ging nichts mehr – für Autos gab es kein Durchkommen. Doch bei der Jubelparty kam es auch zu Zusammenstößen mit der Polizei, einzelne Personen wurden festgenommen.

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Die meisten Fans feierten den Einzug der türkischen Nationalmannschaft ins Achtelfinale friedlich. Dennoch kam es zu Zwischenfällen. Per Lautsprecherdurchsage forderte die Polizei die Feiernden dazu auf, Stein- und Flaschenwürfe zu unterlassen.

Vereinzelt war zu beobachten, dass Flaschen in Richtung von Polizeibeamten geworfen wurden. Auch wurden Bengalos gezündet. Nach Polizeiangaben hielten sich zwischenzeitlich bis zu 4500 jubelnde Menschen im Bereich des Breitscheidplatzes auf, dazu kamen 500 Fahrzeuge. Auf dem Kurfürstendamm schoss ein Mann aus der Menge heraus mit einer Schreckschusswaffe mehrfach in die Luft, woraufhin der Mann überprüft und seine Waffe beschlagnahmt wurde.

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Türkische Fans bemühten sich zum Teil, Konflikte zu schlichten, und suchten das Gespräch mit Einsatzkräften. Das gelang nicht immer, an verschiedenen Stellen wurden die Beamten attackiert. Fünf von ihnen wurden verletzt, konnten ihren Dienst aber fortsetzen. Laut Pressestelle kam es zu insgesamt 20 Strafanzeigen, unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung sowie Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz. 19 Personen wurden vorübergehend festgenommen.

Per Lautsprecherdurchsage versuchte die Polizei die Lage immer wieder zu beruhigen. „Geht friedlich nach Hause, freut euch übers Achtelfinale und kommt dann wieder“, war wiederholt an die türkischen Anhänger gerichtet, zu hören. Einzelne Gruppierungen in der Menge antworteten darauf mit Parolen wie „Ganz Berlin hasst die Polizei“ oder „Free, free Palestine.“ Die Berliner Polizei war in der Nacht mit rund 350 Einsatzkräften in der City West präsent. (mit dpa)

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