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Vor der Wahl sprach sich Franziska Giffey gegen Enteignung aus.

© Christophe Gateau/dpa

Bericht der Enteignungskommission: Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey mahnt zur Zurückhaltung

Regierungschefin Giffey warnt beim Enteignungsbericht vor voreiligen Schlüssen, zentrale Fragen seien noch ungeklärt. Die Kommission springt ihr bei.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat zurückhaltend auf den am Donnerstagabend in die Öffentlichkeit gelangten Zwischenbericht der Expertenkommission zur Umsetzung des Volksentscheids „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ reagiert.

Im Interview mit dem „Inforadio“ betonte Giffey, dass es sich bei dem Papier nicht um eine abschließende Bewertung der Kommissionsmitglieder handelt. Zwar hätten diese in dem Papier dargestellt, dass es grundsätzlich möglich ist, den Vergesellschaftungsparagrafen Artikel 15 im Grundgesetz anzuwenden. „Eine ganz entscheidende zweite Frage ist aber noch nicht geklärt“, sagte Giffey und bezog sich auf die Anwendbarkeit des Artikels auf Wohnungsunternehmen.

Diese und weitere Fragen müssten weiter beantwortet werden, forderte Giffey und erklärte: „Die politische Entscheidung erfolgt dann, wenn der Abschlussbericht vorliegt.“ Das wird voraussichtlich im Mai so weit sein. 

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CDU-Chef Wegner warnt vor „vollständigem Kollaps auf dem Berliner Wohnungsmarkt“

Kritik an der im Zwischenbericht formulierten Einschätzung der Expert:innen, wonach eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen rechtlich wie finanziell möglich ist, übte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner. Die Pläne würden „jahrelange kostspielige juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Am Ende wird der Senat schon wieder vor einem Gericht scheitern“, sagte er dem Tagesspiegel.

SPD, Grüne und Linke riskierten horrende Mieterhöhungen für die Mieter, um die milliardenschweren Entschädigungszahlungen abbezahlen zu können, sagte Wegner. Er warnte vor einem „vollständigen Kollaps auf dem Berliner Wohnungsmarkt“ und betonte, dass durch die Enteignung keine einzige neue Wohnung entstehe.

Wegner griff auch Giffey direkt an: Statt das Thema Enteignungen, wie vor der Wahl versprochen, abzuräumen, habe sie mit der Einsetzung der Enteignungskommission für weitere Unsicherheiten gesorgt.

Björn-Matthias Jotzo, stadtentwicklungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, forderte den Verzicht auf Enteignungen und den Neubau von 272.000 Wohnungen bis 2040.

Wir erwarten, dass der Senat auf dieser Grundlage schnell ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeitet.

Katina Schubert, Landesvorsitzende der Berliner Linke

Klaus Lederer, Stellvertreter Giffeys und Spitzenkandidat der Berliner Linke, begrüßte die im Zwischenbericht dargestellte Rechtsauffassung der Kommissionsmitglieder. „Die bekannt gewordene Bewertung der Kommission bestätigt unsere bisherige Einschätzung, wonach eine Vergesellschaftung nach Artikel 15 des Grundgesetzes möglich ist. Damit ist die Frage des Ob geklärt. Nun geht es um das Wie“, erklärte Lederer. Er fügte hinzu: „Wir wollen den Auftrag, den uns die Berlinerinnen und Berliner gegeben haben, in einem Vergesellschaftungsgesetz rechtssicher umsetzen.“

Ähnlich äußerte sich mit Katina Schubert die Landeschefin der Berliner Linkspartei. Sie erklärte: „Wir erwarten, dass der Senat auf dieser Grundlage schnell ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeitet. Wir wollen mit Artikel 15 des Grundgesetzes Geschichte schreiben und alle Möglichkeiten nutzen, um die Menschen in unserer Stadt vor steigenden Mieten zu schützen.“

Auch Isabella Rogner, Sprecherin von DWenteignen, forderte den Senat dazu auf, ein Vergesellschaftungsgesetz vorzubereiten. „Der Zeitpunkt für eine Enteignung ist jetzt“, sagte Rogner und äußerte die Erwartung für einen Zeitplan zur Erarbeitung eines Gesetzes.

Kommission sieht Gesetzgebungskompetenz beim Land

Tatsächlich hatten die Kommissionsmitglieder in ihrem mit Spannung erwarteten Zwischenbericht festgehalten, dass eine Vergesellschaftung von Grund und Boden in Berlin rechtlich und finanziell möglich sei. Da der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz bislang keinen Gebrauch gemacht habe, liege die „Kompetenz zur Regelung einer Vergesellschaftung von in Berlin belegenen Grundstücken“ beim Land.

In Bezug auf die im Fall einer Vergesellschaftung fällig werdenden finanziellen Entschädigung für die potenziell betroffenen Immobilienkonzerne könnten den Expert:innen zufolge „Abschläge vom Verkehrswert rechtmäßig sein“. Die auf dem Verkehrswert der Immobilien beruhende amtliche Kostenschätzung in Höhe von 29 bis 36 Milliarden Euro dürfte aus Sicht der Expert:innen damit zu hoch angesetzt sein.

Laut einer am Donnerstagvormittag von der Geschäftsstelle der Expertenkommission verschickten Pressemitteilung bedauern deren Mitglieder „die in keiner Weise von der Kommission legitimierte Verbreitung“ des Berichts. Sie bezeichneten diesen als „Auszug eines Vorentwurfs zu dem Zwischenbericht der Kommission, der zurzeit beraten wird.“ Der Zwischenbericht werde am kommenden Donnerstag vorgestellt, hieß es weiter.

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