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Eine Frau sitzt im Kriminalgericht Moabit auf einer Bank in einem Gerichtssaal. Der 42-jährigen Frau wird Totschlag sowie Tötung auf Verlangen vorgeworfen, einem ebenfalls angeklagten 71-jährigen Mann Totschlag durch Unterlassen. Die Frau soll am 13. Oktober 2023 in Berlin-Köpenick zunächst ihre Tochter umgebracht haben. Dann soll sie ihre 68 Jahre alte Mutter auf deren ausdrückliches Verlangen getötet haben.

© dpa/Paul Zinken

Update

Prozess um Gewalttat in Berlin-Köpenick: Elfjährige und deren Oma getötet – Mutter zu langjähriger Haft verurteilt

In einer Familie wird beschlossen, gemeinsam zu sterben. Ein Kind wehrt sich nicht, als es von der Mutter umgebracht wird. Die „lebensbrechende Beeinflussung“ begann schon viel früher, so das Gericht.

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Ein elf Jahre altes Mädchen wurde durch die Hand der eigenen Mutter getötet – „eine Tat, die man nur als schrecklich bezeichnen kann“, begann Richter Gregor Herb die Urteilsbegründung. Acht Jahre und drei Monate Haft ergingen am Dienstag gegen Dorothea L., die erst ihre Tochter und dann ihre eigene Mutter auf deren ausdrücklichen Wunsch mit einem Messer tötete. Die 42-Jährige wurde des Totschlags und der Tötung auf Verlangen schuldig gesprochen. Ihr mitangeklagter Vater erhielt sechs Jahre Haft wegen Beihilfe zum Totschlag an seiner Enkelin.

Ein Urteil, das deutlich über dem liegt, was die Staatsanwaltschaft forderte – für vier Jahre und drei Monate Haft gegen Dorothea L. sowie drei Jahre Haft gegen den 71-Jährigen Werner L. hatte sich der Anklagevertreter ausgesprochen. Das Berliner Landgericht hatte eine stärkere Sicht auf das Mädchen, das letztlich ohne Widerstand der geliebten Mutter die Arme entgegenstreckte und tiefe Schnitte bis auf die Knochen hinnahm – „die lebensbrechende Beeinflussung begann viel früher“.

„Sie wollten „ins Jenseits übergehen, an das sie glaubten“, hieß es weiter im Urteil. Der Familie L. sei Dysfunktionalität zu bescheinigen. Die 68-Jährige und ihre Tochter Dorothea hätten „ein symbiotisches, nicht mehr als gesund zu bezeichnendes Verhältnis entwickelt“. So weit, dass sich die 42-Jährige ein Leben ohne ihre Mutter nicht mehr habe denken können. „Das übertrug sie auf ihre eigene Tochter.“ Dorothea L. habe „eigene Ängste ihrer Tochter übergeholfen“.

Im Sommer 2023 habe der 68-Jährigen – sie spielte bereits seit Jahren mit dem Gedanken zu sterben – endgültig der Lebenswille verlassen, so der Richter. Man habe einen Plan zu einem gemeinsamen Suizid gefasst – darin enthalten auch der Gedanke, dass das Mädchen es nicht allein schaffen würde. Werner L. sei an den Verabredungen beteiligt gewesen. Das Gericht zeigte sich nach Befragung von Zeugen überzeugt, dass die elfjährige Elisabeth nicht des Lebens überdrüssig war. „Es gab so viele Kontakte, über die sie sich freute.“ Doch es sei für das Kind unvorstellbar gewesen, ohne Mutter zu leben.

Was am 13. Oktober 2023 in einer Zweiraumwohnung in der Köpenicker Kinzerallee geschah, war lange geplant. In einer Familie, die sehr zurückgezogen lebte, als ausgesprochen religiös galt. Dabei habe ihr Glaube auch spirituell-esoterische Züge angenommen. Die 68-jährige Großmutter sei die Dominante gewesen. Ihr Wunsch war es seit Jahren, „zu sterben und in den Himmel zu kommen“, hieß es im Prozess. Auch Dorothea L. und ihr Vater hatten versucht, sich umzubringen. Schwer verletzt wurden sie gefunden.

Abschiedsbriefe lagen in der Wohnung aufgereiht. Zudem hatte Elisabeth einen an ihre beste Freundin geschrieben. „Ich bin mit Mama in den Himmel gegangen. Wir fühlen uns hier nicht mehr sicher. Ich weiß, oben wird es gut sein. Es gibt dort viele Katzen und wir kriegen viele Geschenke“, schrieb sie. Und bat: „Bitte sei mir nicht böse.“

Mit einem Weinkrampf hatte Dorothea L. reagiert, als eine Polizistin zum Tatort befragt wurde. Gegenüber einer psychiatrischen Gutachterin hatte sie beschrieben, wie sie ihr Kind tötete, dann ihre eigene Mutter. Alle hätten es so gewollt, auch Elisabeth. Vor Gericht sagte sie: „Es war nicht meine Absicht, jemandem weh zu tun.“

„Von Tochter und Mutter getrennt zu sein, ist für mich bereits das Schmerzlichste und die größte Strafe“, so Dorothea L. Ihr Vater sagte, er habe moralisch versagt. Nach ihrer Ausbildung zur Hauswirtschafterin und einem Studium war die Angeklagte beruflich nicht tätig. Einen Freundeskreis gab es nicht. Psychische Probleme führten 2016 zur Krankschreibung, 2023 wurde sie berentet. Wegen einer Persönlichkeitsstörung sei sie zur Tatzeit sei in ihrer Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen, so das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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