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Ein Taurus-Marschflugkörper in Berlin

© Imago/Arnulf Hettrich

Update

Marschflugkörper für die Ukraine: Grüne und FDP fordern schnelle Taurus-Lieferung – SPD äußert Zweifel

Führende Politiker von Grünen und FDP können das Warten von Bundeskanzler Scholz nicht nachvollziehen. Rückendeckung erhält er aus den eigenen Reihen.

| Update:

Grüne und FDP drängen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu einer raschen Entscheidung für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. „Auch Verzögern und Verweigern kann einen hohen Preis haben und zur Eskalation beitragen“, sagte Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger der „Süddeutschen Zeitung“ vom Montag.

„Es ist dringend erforderlich, die Taurus zu liefern“, sagte der Zeitung auch die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann.

Scholz legt sich in der Angelegenheit ungeachtet dringender Bitten aus Kiew bislang nicht fest. „So wie in der Vergangenheit werden wir jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen“, sagte er am Sonntag im ZDF-„Sommerinterview“. Auch stellte der Kanzler klar, er wolle sich in der Frage nicht unter Druck setzen lassen.

Alle Argumente seien ausgetauscht, sagte dagegen Brugger. „Die Bundesregierung sollte schnell und positiv entscheiden“, forderte die Grünen-Politikerin.

Strack-Zimmermann fordert Scholz zum Handeln auf

Strack-Zimmermann sagte, die Taurus-Marschflugkörper seien „eine weitere bedeutende Unterstützung im Kampf gegen die andauernden brutalen russischen Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung“.

Das Bundeskanzleramt sei deshalb „aufgefordert, nicht erneut zu zögern“. „Wir dürfen keine Zeit verlieren“, mahnte die FDP-Politikerin. Wer möchte, dass die Ukraine diesen Krieg gewinne, müsse „alles Machbare tun, was das Völkerrecht zulässt und darf in der Unterstützung nicht nachlassen“.

Scholz’ Parteikollege, der SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt, warb hingegen dafür, Bedenken gegen die geforderte Abgabe der Marschflugkörper ernstzunehmen. „Ich finde, dass die Kritik und die Zweifel an solchen Lieferungen in der öffentlichen Debatte viel zu wenig vorkommen“, sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag im Deutschlandfunk. Darum sei es wichtig, „den Menschen eine Stimme zu geben und diese Bedenken nicht einfach wegzuwischen“.

Nicht alle Menschen in unserem Land fühlen sich damit wohl.

Johannes Arlt, SPD-Verteidigungspolitiker

Arlt verwies vor allem darauf, dass die Marschflugkörper mit 500 Kilometern Reichweite theoretisch Ziele auf russischem Territorium angreifen könnten. Das möge völkerrechtlich legitim sein, er finde es aber sehr schwierig, wenn deutsche Waffen Ziele auf russischem Gebiet träfen. „Das finde ich eigentlich nicht akzeptabel.“

Auf die Frage, ob er der Ukraine in dieser Frage nicht vertraue, sagte Arlt: „Ich möchte ein Risiko auf jeden Fall so gering wie möglich halten, dass wir dort einen sehr schweren Schaden auslösen mit der Lieferung solcher Waffen.“ Auch er hält es aber für möglich, dass die deutsche Regierung sich am Ende für die Abgabe entscheidet.

Arlt verwies darauf, dass Deutschland nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Tradition aufgegeben habe, keine Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. „Da haben wir eine ziemliche 180-Grad-Wende gemacht, nicht alle Menschen in unserem Land fühlen sich damit wohl.“ Bei den Konsequenzen die solche Waffenlieferungen haben könnten, sei es sehr wichtig abzuwägen, „was wirklich hilft und was auch mögliche Risiken birgt“.

Selenskyj-Berater betont Dringlichkeit

Die Ukraine hat unterdessen die Dringlichkeit ihrer Bitte um die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper bekräftigt. „In der jetzigen Phase ist es von entscheidender Bedeutung, das umfangreiche rückwärtige Unterstützungssystem der russischen Besatzungstruppen zu zerschlagen“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mykhailo Podolyak der „Bild“-Zeitung. Die Ukraine müsse insbesondere Nachschubreserven, die rückwärtige logistische Infrastruktur, Munitionsdepots sowie Stützpunkte angreifen, die Russland in den von ihm besetzten ukrainischen Gebieten errichtet habe, sagte der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „All dies befindet sich jedoch in einer Entfernung von 100, 200, 300 Kilometern von der Frontlinie.“ Nur Langstreckenraketen wie Taurus könnten solche Entfernungen erreichen.  Die Störung der russischen Infrastruktur würde „die Kampfkraft der Russen erheblich reduzieren“ und folglich auch „die Verluste auf unserer Seite“, sagte Podolyak. Deshalb sei die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern „von entscheidender Bedeutung“.

Präsidentenberater Podoljak sicherte erneut zu, dass die Ukraine die deutschen Marschflugkörper nicht gegen Ziele auf russischem Territorium einsetzen würde, sondern „ausschließlich auf dem Territorium der Ukraine innerhalb der international anerkannten Grenzen von 1991“.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte am Wochenende die Bedeutung einer Lieferung der Taurus-Marschflugkörper für sein Land hervorgehoben. „Die Ukraine braucht Taurus-Raketen, um mehr Leben ukrainischer Soldaten und Zivilisten zu retten und um die Befreiung ihrer Gebiete zu beschleunigen und den Krieg schneller zu beenden“, sagte Kuleba der „Bild am Sonntag“. Bislang hat die Ukraine Marschflugkörper von Großbritannien und Frankreich erhalten. (AFP, dpa)

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