zum Hauptinhalt
Demonstranten vor dem Parlament in Kenias Hauptstadt Nairobi

© AFP/LUIS TATO

Update

Nach Parlamentssturm mit mehreren Toten: Kenia zieht geplantes Steuergesetz zurück

Die Polizei eröffnete am Dienstag das Feuer auf Demonstranten in Kenias Hauptstadt Nairobi, die das Parlament stürmten. Hintergrund der Proteste waren geplante Steuererhöhungen, die nun gekippt wurden.

Kenias Präsident William Ruto hat nach tagelangen Protesten angekündigt, er werde das vom Parlament verabschiedete Steuergesetz nicht unterschreiben. „Es wird zurückgezogen“, sagte er am Mittwoch vor Journalisten in Nairobi. Damit werde „die laute Botschaft respektiert, die vom kenianischen Volk kommt.“

Ruto kündigte an, dass die Regierung nun mit dem Verzicht auf die Reform Entwicklungsprojekte für das kommende Jahr zurückstellen müsse. Die Kenianerinnen und Kenianer hätten deutlich weniger Steuerlast und damit einen kleineren Staatshaushalt gefordert. Rund 60 Prozent der Steuergelder würden derzeit für die Zinszahlung und die Rückzahlung von Krediten aufgebraucht, sagte er. Er versprach im Zusammenhang mit sechs toten Demonstranten eine Untersuchung. In Zukunft solle es solche Fälle nicht mehr geben, sagte er. Menschenrechtsorganisationen gehen von bis zu 23 Toten aus.

Die Polizei hatte am Dienstag das Feuer auf hunderte Demonstranten in der Hauptstadt Nairobi eröffnet, die das Parlament während einer Abstimmung über die neuen Finanzgesetze stürmen wollten.

Dabei kam es zu tumultartigen Szenen. Auf Bildern im kenianischen Fernsehen war zu sehen, wie die Menschen die Polizeiabsperrungen überwinden. Protestierende überwältigten die Polizei beim Versuch, das Parlament zu stürmen, aus dem später Flammen schlugen. Die Polizei schoss auf die Menschenmenge, nachdem der Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern sie nicht hatte zerstreuen können.

Mindestens ein Mensch wurde laut der Menschenrechtsorganisation Kenya Human Rights Commission getötet, „zahlreiche“ weitere verletzt. Sanitäter zählten mindestens zehn Todesopfer, ein Reuters-Mitarbeiter mindestens fünf. Die Polizei äußerte sich dazu auf Nachfrage der Nachrichtenagentur Reuters nicht.

„Wir wollen das Parlament auflösen“

„Wir wollen das Parlament auflösen, und jeder Abgeordnete sollte zurücktreten“, sagte der Demonstrant Davis Tafari. „Wir wollen eine neue Regierung haben.“ Proteste und Zusammenstöße gab es auch in mehreren anderen Orten des ostafrikanischen Landes. Dennoch billigte das Parlament das Finanzgesetz. Der nächste Schritt ist nun die Übermittlung an den Präsidenten William Ruto, der es für ein Inkrafttreten unterschreiben muss. Er kann es an das Parlament zurückschicken, wenn er Einwände hat.

Nach der Eskalation der Proteste in Kenia haben zahlreiche westliche Staaten ihre Sorge über die Lage in dem ostafrikanischen Land ausgedrückt. Die Regierungen seien „zutiefst besorgt“ angesichts der Ausschreitungen, hieß es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung der Botschaften von insgesamt 13 Staaten, darunter Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und die USA. Die diplomatischen Vertretungen seien „besonders schockiert von den Szenen vor dem kenianischen Parlament“.

Das Auswärtige Amt hat derweil über seine Krisenvorsorgeliste deutsche Besucher und in dem ostafrikanischen Landes lebende Deutsche zu erhöhter Vorsicht aufgerufen. In den kommenden Tagen müsse mit weiteren gewaltsamen Protesten gerechnet werden, hieß es in einer am Dienstagabend versandten E-Mail. „Vermeiden Sie in Städten, in denen es zu gewaltsamen Protesten kommt, nicht notwendige Fahrten. Verbleiben Sie an einem sicheren Ort“, so die Empfehlung. Auch außerhalb der Hauptstadt Nairobi solle man sich von Regierungsgebäuden fernhalten.

Proteste gegen Steuererhöhungen in Kenia.

© xJamesxWakibiax/xSOPAxImagesx jw_sp_nk-479

Kenia ist einer schwierigen wirtschaftlichen Situation

Die Demonstranten wehren sich gegen Steuererhöhungen in einem Land, das bereits unter hohen Lebenshaltungskosten leidet. Viele Kenianer fordern den Rücktritt von Präsident William Ruto. Dieser hat die Wahl vor fast zwei Jahren gewonnen mit dem Ziel, sich für arbeitende arme Menschen einzusetzen. Geldgeber wie der Internationalen Währungsfonds drängen die Regierung aber dazu, ihr Defizit zu senken, um mehr Finanzmittel zu erhalten.

Die Kenianer haben mit mehreren wirtschaftlichen Schocks zu kämpfen, die durch die anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie, zwei aufeinanderfolgende Dürrejahre und die Abwertung der Währung verursacht wurden. Das Finanzgesetz sieht zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 2,7 Milliarden Dollar vor, um die hohe Schuldenlast zu verringern. Allein die Zinszahlungen verschlingen 37 Prozent der jährlichen Einnahmen.

Die Regierung hatte bereits am Dienstag einige Zugeständnisse gemacht und versprochen, die geplanten neuen Steuern auf Brot, Speiseöl, Autobesitz und Finanztransaktionen zu streichen. Doch das reichte nicht aus, um die Demonstranten zufriedenzustellen. In Nairobi skandierten die Menschen „Ruto muss weg“.

Zeitgleich hat das kenianische Parlament in einer Sondersitzung am Mittwoch den Einsatz des Militärs bei der Sicherung kritischer Infrastruktur und zur Unterstützung der Polizei bei den seit Tagen andauernden Protesten genehmigt. Oppositionsabgeordnete warfen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Parlamentsbeschlusses auf, der innerhalb einer Stunde und unter Ausschluss der Öffentlichkeit verabschiedet worden war.

Schon in der vergangenen Woche hat es Proteste gegeben. Dabei gewann eine von Jugendlichen angeführte Online-Bewegung an Schwung. Noch am Sonntag lobte Ruto die Demonstranten und erklärte, sie seien friedlich gewesen und die Regierung werde mit ihnen über das weitere Vorgehen sprechen. Die Opposition weigerte sich, an der Abstimmung im Parlament teilzunehmen. (Reuters,AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false