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Camille Claudel (1864−1943), „L’Implorante“ (petite modèle), Bronze, Entwurf 1898 (Guss wohl um 1905).

© Foto courtesy of Bowman Sculpture Gallery, London, UK

40 Jahre Ernst von Siemens Kunststiftung: Jubiläumsfeier in Berlin und großzügige Geschenke

Chancen sehen und schnell handeln: Die Alte Nationalgalerie und das Herzogliche Museum Gotha freuen sich über wertvolle Ankäufe von Camille Claudel und Rubens.

Von Bernhard Schulz

Als „wichtigsten Ankauf meiner Zeit als Direktor“ bezeichnete Ralph Gleis den Erwerb der Bronze „Die Flehende“ von Camille Claudel, geschaffen 1898 und gegossen 1905. Ende des Jahres verlässt Gleis die Alte Nationalgalerie Richtung Wien, aber von der jüngsten Erwerbung spricht er mit dem Feuer des unermüdlichen Sammlers.

Die kleinformatige Bronze steht im Mittelpunkt des 40-jährigen Jubiläums der Ernst von Siemens Kunststiftung (EvS), das hier in Berlin begangen wird, im Magnus-Haus gegenüber der Museumsinsel, auf der nun auch Camille Claudel vertreten ist.

Ohne die Stiftung wäre der Ankauf nicht möglich gewesen; er wurde strategisch über einen langen Zeitraum geplant, denn in solches Objekt kommt nicht einfach auf den Markt – es will erspäht und umworben sein. Abr dann bedarf es eines finanzkräftigen und vor allem entscheidungsstarken Mäzens wie eben der EvS, um den Wunsch Wirklichkeit werden zu lassen.

Ankäufe ohne Stifter nicht möglich

Von einem anderen gelungenen Schachzug war an diesem Vormittag im Magnus-Haus die Rede: der Rückführung einer eigenhändigen Ölskizze von Rubens ins Herzogliche Museum Gotha. Daraus war das gute Stück von 1621 gemeinsam mit vier weiteren, bildgroßen Rubens-Skizzen für die Jesuitenkirche in Antwerpen nach Kriegsende verschwunden. Es tauchte erst wieder auf, als das Museum in den USA, die die halbmetergroße Eichenholztafel vor Jahren in gutem Glauben erworben hatte, sie in den Kunsthandel bringen wollte. Gemeinsam mit einem führenden Auktionshaus und den Geldern der EvS gelang es, dem US-Museum den Anspruch Gothas zu vermitteln. In wenigen Tagen wird die Rückführung in Gotha gebührend gefeiert.

Die Stiftung ist sehr, sehr schnell und kann Chancen wahrnehmen.

Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung

In ihren Anfangsjahren war die Stiftung noch weitgehend unsichtbar, stockte zunächst ihr Stiftungskapital auf und erweiterte ihren Aktionsradius erst seit etwa 2000 über den Stiftungssitz in München hinaus. Dann aber ging's rasant nach oben: Die jährliche Zuwendungen stiegen zeitweise bis an 12 Millionen Euro im Jahr, um sich grosso modo um die acht Millionen zu bewegen.

Mehr als 100 Millionen Euro für die Kunst

560 Kunstwerke und Konvolute konnten mithilfe der EvS für öffentliche Museen erworben werden, und alle sind, so nicht wie bei Grafiken konservatorische Gründe dagegen sprechen, in den Schausammlungen zugänglich. 102,5 Millionen Euro wurden dafür bewilligt.

Darüber hinaus gab es 47,6 Millionen Euro für Ausstellungen und begleitende Kataloge – über eintausend bislang, dazu 353 wissenschaftliche Bestandskataloge, die für die Forschung unabdingbar sind, nur leider selten in öffentlichen Budgets obenan stehen. 11 Millionen Euro für Restaurierungsmaßnahmen, vor allem während der Pandemie, und 23,2 Millionen Euro „sonstige Förderungen“ runden die Bilanz der EvS ab.

Dabei wird die EvS nicht von sich aus tätig, wie Generalsekretär Martin Hoernes betont: „Wir reagieren auf die Anforderungen der Museen.“ Dann aber ist die Stiftung „sehr, sehr schnell und kann Chancen wahrnehmen“. Oftmals handelt es sich bei den von den Museen in Aussicht genommenen Erwerbungen um „Kulturgut nationalen Ranges“, wie Pia Müller-Tamm erklärt, vormals Museumsdirektorin in Karlsruhe und nun Mitglied im Stiftungsrat.

Überhaupt herrscht eitel Freude, man arbeitet mit allen Seiten bestens zusammen, lobt insbesondere die Kooperationsbereitschaft von Handel und Auktionshäusern, dazu die Expertise der antragstellenden Museen, wie auch der jeweils hinzugezogenen Gutachter.

Die Stiftung hat Ernst von Siemens aus seinem Privatvermögen errichtet, sie ist dem Siemens-Konzern allein durch den Namen verbunden. Die auszugebenden Mittel speisen sich aus den Erträgen des Stiftungskapitals. Vergleichbar, was Tätigkeitsprofil und Umfang angeht, ist die EvS am ehesten mit der (öffentlichen) Kulturstiftung der Länder, mit der sie oft bei Erwerbungen zusammenwirkt.

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