zum Hauptinhalt
Birgit Rieger

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Berliner Kunst mit Tippmaschine: Rundgang als Quickie

Zeitunglesen kann ein öffentlicher Akt sein oder eine intime Angelegenheit. Das sieht man in der Sammlung der Alten Nationalgalerie.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Einige werden den Tagesspiegel künftig erstmal schütteln, damit ihnen der Berlin-Teil direkt in den Schoß fällt. Ihre Zeitung sieht seit Anfang dieser Woche anders aus. Neues Format, neuer Inhalt: mehr von der Welt, mehr aus Berlin. Unter anderem auch „Riegers Runde“.

Mittwochs werde ich Ihnen künftig eine Inspiration aus der Berliner Kunstwelt kredenzen, welche zurecht als eine der aufregendsten der Welt gilt. Nicht nur wegen der Museen, vor allem wegen der vielen internationalen Künstler:innen, die hierher kommen. Seit ich in Berlin als Kunstredakteurin anfing, hat mich die Kunst kreuz und quer durch die Stadt geführt, in Kieze und an Orte, die ich sonst nie kennengelernt hätte.

Was mich außerdem an der Kunst interessiert, ist die Neugier auf Dinge, die Entschlossenheit, der Wille, zu gestalten. Begegnungen, die lange im Kopf bleiben. Manchmal lernt man in der Kunst etwas über Quantenphysik, manchmal über die Liebe.

Mit der Kunst kreuz und quer durch die Stadt

Anruf in der Alten Nationalgalerie. Medienkonsum im 19. und frühen 20. Jahrhundert? „Ich denke da an Hasenclever“, ruft der Direktor aus dem Off. Daran habe ich zum Glück auch gedacht: An Johann Peter Hasenclever und „Das Lesekabinett“ von 1843. Das Bild zeigt ein Zimmer, am ovalem Tisch beugen sich Herren über Zeitungen. Ein Sinnbild des Bürgertums. Manche lesen, andere schauen angriffslustig, bereit, sich verschiedene Standpunkte um die Ohren zu hauen.

Max Slevogts Gemälde „Francisco d’Andrade, Zeitung lesend“ ist in der Alten Nationalgalerie ausgestellt.

© Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Fotograf: Andres Kilger

Anders bei Max Slevogt. Der malte den Opernsänger und Bühnenstar Francisco d’Andrade zeitunglesend vorm Fenster, die Lektüre als intimer Akt. Frauen sind noch ein bisschen schwerer zu finden. In Leo von Königs Ölgemälde „Am Frühstückstisch“ von 1907 blättert die Frau des Künstlers in einem dem Tagesspiegel ähnlichen Tabloid. Das Werk hängt in der Alten Nationalgalerie im ersten Stock. Dank an Stephan Helms, der mich darauf hinwies. Ich konnte diese Runde nämlich dann doch nicht drehen. Relaunch und Flanieren schließen sich aus.

Nur einmal bin ich schnell vom Askanischen Platz zum Kulturforum hinübergerannt. Im Kupferstichkabinett sind die Text-Collagen von Ruth Wolf-Rehfeldt ausgestellt, die sie mit ihrer Erika-Schreibmaschine getippt hat. Eine Hommage an Typo, Bleisatz und Poesie. Deshalb liebe ich Berlin, eine Mittagspause reicht aus für ein großes Kunsterlebnis.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false