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Die Sammlung Bührle im 2021 eröffneten Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich. Das Kunsthaus ist dank dieser Erweiterung das größte Kunstmuseum der Schweiz.

© dpa / Walter Bieri

Hohe Anzahl an jüdischen Vorbesitzern: Die Kunst der Schweizer Bührle Stiftung muss genau untersucht werden

Ein Gutachten sagt: Die bisherige Provenienzforschung der umstrittenen Sammlung Bührle im Kunsthaus Zürich ist nicht ausreichend. Drei Empfehlungen liegen vor.

Im Mittelpunkt der Sammlung des Industriellen und Waffenlieferanten Emil Bührle steht die Malerei des französischen Impressionismus und Nachimpressionismus, dazu kommen Vertreter der französischen Avantgarde nach 1900. Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle hat dem Kunsthaus Zürich 205 Kunstwerke seiner bedeutenden Sammlung dauerhaft verliehen. Sie sind dort seit 2021 im eigens errichteten Chipperfield-Flügel ausgestellt.

Die Stadt und der Kanton Zürich sowie der Trägerverein des Kunsthauses Zürich haben nach heftiger Kritik an ihrer Ausstellungspraxis eine unabhängige wissenschaftliche Prüfung der ausgeliehenen Werke aus der Sammlung Bührle in Auftrag gegeben. Als Gutachter wurde Raphael Gross, Präsident des Deutschen Historischen Museums, eingesetzt, der mit einem sechsköpfigen Forscherteam arbeitete. Fünf Meisterwerke, darunter Bilder von Monet, Gauguin, Van Gogh, sind intensiv auf ihre Erwerbungsgeschichte hin untersucht worden.

Problematische Herkunft der Bilder

Die am 12. Mai 2023 initiierte Analyse ergab nun, dass die bisherige Provenienzforschung der Stiftung Sammlung E. G. Bührle nicht ausreichend ist, da sie den Standards einer öffentlichen Institution wie dem Kunsthaus Zürich nicht genügt. Gross gibt in seinem Abschlussbericht drei Empfehlungen, wie weiter vorzugehen sei. Diese haben Stadt und Kanton in einer Medienmitteilung am Freitag veröffentlicht, samt Downloadlink zum Bericht.

Ohne Verfolgung wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen.

Raphael Gross, Gutachter und Präsident des Deutschen Historischen Museums

Zum einen müsse „weitere Provenienzforschung unternommen werden, die sich auf die Aufklärung des jüdischen Vorbesitzes und des verfolgungsbedingten Entzuges der Werke aus der „Sammlung Emil Bührle“ konzentriert. Ein beträchtlicher Teil der Kunstwerke aus der Sammlung stammt demnach von jüdischen Vorbesitzern. Die Stiftung habe in der Vergangenheit bereits Provenienzforschung durchgeführt, heißt es weiter. Es gebe jedoch eine „hohe Zahl an jüdischen Vorbesitzer*innen“, die in der bisherigen Forschung „entweder überhaupt nicht erscheinen oder in den veröffentlichten Ergebnissen keine Rolle spielen“, so die Analyse von Raphael Gross.

Weitere Aufklärung muss erfolgen

„Ohne die jüdischen Sammler wäre die Sammlung Bührle eine andere. Oder anders gesagt: Ohne Verfolgung wäre die Sammlung Bührle so nie zustande gekommen. Die Sammlung Bührle ist somit aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte sowohl Teil der Schweizer als auch der jüdischen Geschichte“, wird Gross in einer ebenfalls am Freitag veröffentlichten Mitteilung der Sammlung Bührle zitiert. Die Stiftung Bührle hat lange ablehnend auf Rückgabeforderungen der Nachfahren reagiert, sie wähnte sich rechtmäßig im Besitz der Werke.

Gross empfiehlt dem Kunsthaus Zürich als zweiten Punkt, ein Gremium einzusetzen, das ein Prüfschema für NS-verfolgungsbedingten Entzug entwickeln soll. Das Gremium „soll fachlich und biografisch multiperspektivisch besetzt sein“. Außerdem schlägt Gross vor, dass das Kunsthaus Zürich sich öffentlich mit der Bezeichnung „Sammlung Emil Bührle“ auseinandersetzen solle. Das Museum nobilitiere den Namen des Industriellen.

Emil Bührle, der mit Waffenlieferungen an die Nazis Millionen gemacht hat, hatte zwischen 1936 und 1956 ein Konvolut aus 633 Werken angelegt. In den 1930er und 1940er Jahren soll Bührle skrupellos zu günstigen Preisen Werke jüdischer Sammler erworben haben, die in den Kriegsjahren wegen Flucht und Verfolgung gezwungen waren, ihre Kunst zu verkaufen. Es ist ein toxisches Erbe, mit dem das Kunsthaus Zürich umzugehen hat.

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