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Die Stadtneurotikerin: Zum Tod der großen Schauspielerin Diane Keaton
An der Seite von Woody Allen wurde Diane Keaton zum Superstar und drehte mehr als 50 Filme. Jetzt ist die Oscar-Preisträgerin im Alter von 79 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
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Diese herrliche Nervosität. Sie sagt „Hi“, macht ein paar linkische Gesten, geht ab, kommt zurück, als ihr Tennispartner ihr etwas hinterherruft. Annie Hall verheddert sich in den Silben und Sätzen, legt dabei ein unwiderstehlich entwaffnendes Lächeln an den Tag. In der nächsten Szene kutschiert sie ihre neue Bekanntschaft im VW-Käfer durch New York, in halsbrecherischem Tempo. Eine miserable Autofahrerin. Die Unbekümmertheit, mit der sich ihr Überlebensinstinkt paart, ist legendär.
„Annie Hall“ von Woody Allen: Der Film mit dem deutschen Titel „Der Stadtneurotiker“, der Diane Keaton 1978 einen Oscar und einen Golden Globe einbrachte, ist im Original nach ihrer Figur benannt. Mehr noch, nach Keatons eigentlichen Nachnamen. Über ihre später an Alzheimer erkrankte Mutter Dorothy Hall (deren Mädchennamen die Schauspielerin als Künstlername nutzte) schrieb Keaton 2011 in ihren Memoiren „Damals heute“.
Sie sei auch als alte Jungfer glücklich
Ein Buch, das ebenfalls entwaffnet. Die Freimütigkeit, mit der die 1946 in Los Angeles geborene Keaton über ihre Herkunftsfamilie (der Vater war Ingenieur, die Mutter Hausfrau), die Liebesbeziehungen zu ihren Filmpartnern Al Pacino, Woody Allen und Warren Beatty oder ihre beiden Adoptivkinder Auskunft gibt, prägte auch ihre Interviews.
Dem Tagesspiegel sagte sie 2014, sie habe nie geheiratet, weil sie nie einer gefragt habe. Dass sie auch als sogenannte alte Jungfer glücklich sei, Leinwandküsse liebe (vor allem die von Michael Douglas), sich als Schauspielerin für eine Hochstaplerin halte, und den Frauen Hartnäckigkeit empfehle.

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Das könnte auch eine ihrer Figuren sagen, mit der Koketterie einer Frau, die weiß, was sie kann, aber jedes Aufhebens darum ablehnt. Nach einem abgebrochenen Schauspielstudium und ersten Bühnenrollen, etwa im Broadway-Musical „Hair“, merkte sie früh, dass die Kamera ihr mehr liegt, schon wegen der Möglichkeit, Szenen zu wiederholen.
In mehr als 50 Filmen wirkte Keaton mit (was ihr weitere drei Oscar-Nominierungen einbrachte), meist in romantischen Komödien, darunter „Der Club der Teufelinnen“ mit Bette Midler und Goldie Hawn. Rom Coms bevorzugte sie auch mit zunehmendem Alter, etwa „Was das Herz begehrt“, 2004 mit Jack Nicholson.

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Ihre ikonischste, romantischste Szene findet sich natürlich in Woody Allens schwarz-weißer New-York-Hommage „Manhattan“. Wieder spielt sie eine Stadtneurotikerin, die dauerdozierende intellektuelle Journalistin Mary Wilkie. Eine Nacht lang flaniert sie mit Allen als Gagschreiber Isaac Davis diskutierend durch die Straßen, bis die beiden im Morgengrauen auf einer Bank vor der Brooklyn Bridge landen, zum Sound von Gershwins „Rhapsody in Blue“. Die Welt ist nicht in Ordnung, aber manchmal kann man das Unglück kurz anhalten.
Erste große Rolle in „Der Pate“
Die Möglichkeit der Liebe, des Verstehens, der Menschlichkeit, oder zumindest der Gelassenheit, eben das verkörperte Keaton. Ihr Markenzeichen: das makellose Gesicht, der offene, unverwandte Blick, das feine Sensorium, die Natürlichkeit, die schlanke Gestalt. Und die Männerkleidung: Mit Weste, Krawatte, Bundfaltenhosen, großer Brille und Melone wurde sie seit „Annie Hall“ zur Stilikone.
Berühmt war sie schon vor den Filmen mit Woody Allen, dem sie trotz der (nie bestätigten) Missbrauchsvorwürfe seiner Adoptivtochter Dylan Farrow immer freundschaftlich verbunden blieb. Bevor Keaton Männerhemden zu tragen begann, machte sie in den Siebzigern mit einer eher klassisch femininen Rolle von sich reden. Als Kay Adams, die Geliebte und spätere Ehefrau von Michael Corleone alias Al Pacino in Coppolas Mafia-Epos „Der Pate“.
Eine Frau an der Seite eines mächtigen Mannes, im wirklichen Leben hat Keaton diesen Part abgelehnt. Das Unbehagen daran, vor allem an der Gewalt ihres Mafia-Gatten, ist Kay Adams stets anzumerken. Die Ahnung, das Begreifen, das moralisch-emotionale Dilemma, Keaton setzte es meisterlich subtil ins Bild.
Jetzt ist Diane Keaton, die auch als Regisseurin und Produzentin arbeitete und zuletzt 2024 mit Kathy Bates und Alfre Woodard in der Komödie „Summer Camp“ auf der Leinwand zu sehen war, mit 79 Jahren in Kalifornien gestorben. Hollywood trauert. Ihr Strahlen, ihre Unverblümtheit und ihre Verletzlichkeit werden in Erinnerung bleiben.
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