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Isaac Hayes

© dpa

Isaac Hayes: Der schwarze Moses

Er erhielt als erster schwarzer Komponist den Oscar. Soul-Brother, Exzentriker, "Shaft"-Komponist: zum Tod des Musikers Isaac Hayes.

Moses bestieg den Berg Sinai, traf dort Gott und brachte seinem Volk die Gesetze. Als Isaac Hayes 1971 ein Doppelalbum veröffentlichte und es „Black Moses“ nannte, war das ein weitaus weltlicheres, aber dennoch epochales Ereignis. Das Klappcover zeigt den Soulsänger in der Pose eines seltsamen Heiligen. Sein Kopf steckt in einer mönchsartigen Kapuze, die Augen sind hinter einer Sonnenbrille verborgen, der Vollbart erreicht beinahe alttestamentarische Länge.

Die Musik zeugt von einer religiös aufgeladenen Inbrunst. Es geht um die Liebe, und so wie Hayes sie in streicherumschwirrten, sinfonisch ausgewalzten Balladen wie „Never Can Say Goodbye“ oder „Close To You“ mit seiner sanft vibrierender Baritonstimme beschwört, ist sofort klar, was er mit „Good Love“ vor allem meint: ein körperliches Vergnügen. Wegweisend wurde „Black Moses“ mit einem Titel, in dem der Sänger, begleitet von Klavier und Gitarre, Halbsätze über die Liebe und das Leben improvisiert. Gedankensplitter, mehr gesprochen als gesungen. Das Stück heißt „Ike’s Rap“. Ein knappes Jahrzehnt später brachte die Sugarhill Gang ihren Song „Rapper’s Delight“ heraus und ebnete damit endgültig den Weg für ein neues musikalisches Genre: HipHop.

Isaac Hayes, der schwarze Moses, ist tot. Er starb am Sonntag im Alter von 65 Jahren beim Sport in seinem Haus in Memphis. Seine Frau fand die Leiche ihres Mannes neben einem noch angestellten Laufband. Es gebe keine Anzeichen für einen unnatürlichen Tod, erklärte ein Polizeisprecher. Hayes gehörte, wie Ray Charles, Curtis Mayfield und James Brown, zu den Gründervätern der afroamerikanischen Popmusik. Sein Titelsong für den Blaxploitation-Thriller „Shaft“ wurde 1972 als erste Komposition eines schwarzen Künstlers mit einem Oscar ausgezeichnet. Das gleichnamige Album erreichte Platin-Status, was bis dahin ebenfalls noch keinem afroamerikanischem Musiker gelungen war.

„Who’s a black private dick, who’s a sex machine to all the chicks?“, grummelt Hayes, nachdem sich seine Stimme aus dem grandiosen instrumentalen Intro, einem hypnotisch zischelnden Hi-Hat-Becken und dem lasziven Blubbern einer Wah-Wah-Gitarre, erhoben hat. Die Backgroundsängerinnen antworten: „Shaft!“ Die Beschreibung dieses gewitzten, hypermaskulinen und straßenkötercoolen Detektivs in den Häuserschluchten von Harlem darf durchaus auch als Selbstanpreisung verstanden werden. Hayes hatte sich um die Hauptrolle in dem Film bemüht, konnte sich aber nicht gegen den Schauspieler Richard Roundtree durchsetzen. Bei John Shaft, der für einen Gangster ermittelt, aber seine Moral nicht verkauft, verbindet sich Machotum mit Sensibilität. „He’s a complicated man / But no one understands him but his woman“, knurrt Hayes. Der Song, den der Sänger für ein Remake des Films im Jahr 2000 noch einmal rundum erneute, dürfte zu den am meisten gesampelten Titeln der Musikgeschichte zählen.

Isaac Hayes, 1942 in einem Dorf in Tennessee geboren, war zwar kein Waise wie Moses, wuchs aber ohne Vater und Mutter auf. Nachdem seine Mutter gestorben war und der Vater die Familie verlassen hatte, lebte er zusammen mit seiner Schwester bei seinen Großeltern. Mit elf Jahren musste er als Baumwollpflücker und bald auch als Schuhputzer auf der Beale Street von Memphis zum Familieneinkommen beitragen, es waren „wirklich harte Zeiten“, wie er später sagte. Er sang in einem Gospelchor, spielte im Schulorchester Saxophon und trat mit Tanzkapellen und einer Doo-Wop-Gruppe in Gemeindesälen und Kneipen auf.

Memphis war in den fünfziger und sechziger Jahren eine der musikalisch aufregendsten Städte der Welt. Elvis Presley, Carl Perkins und Johnny Cash nahmen im Sun-Studio ihre frühen Platten auf. Ein paar Straßen weiter, an der McLemore Avenue, wurde in einem ehemaligen Kinopalast die Plattenfirma Stax gegründet. Stax sollte bald für den rauen, stark blues-artigen Soul des Südens stehen, das Gegenstück zum Motown-Sound des Nordens. 1963, gleich nach seinem Schulabschluss, bekam Isaac Hayes einen Vertrag bei dem noch jungen Label. Zunächst wurde er als Keyboarder bei Aufnahmen von Otis Redding eingesetzt, kurz danach begann er, meist im Gespann mit David Porter, zu komponieren. Hayes und Porter schrieben mehr als 200 Stax-Stücke, darunter Hits wie „Soul Man“ und „Hold On, I’m Coming“ für Sam & Dave und „B-A-B-Y“ für Carla Thomas.

Memphis wurde zu „Soulsville“, Hayes stieg zum Star auf. Als am 4. April 1968 Martin Luther King in Memphis erschossen wurde, warf das den Musiker buchstäblich aus der Bahn. Er hatte sich der Bürgerrechtsbewegung angeschlossen und war für diesen Tag mit King verabredet gewesen. „Das Attentat hat mich tief deprimiert, ein Jahr lang konnte ich nicht arbeiten“, erzählte er. So geriet das Soloalbum „Hot Buttered Soul“, das 1969 erschien, zum triumphalen Neuanfang. Die LP enthielt nur vier Stücke, die allerdings bis zu knapp 19 Minuten lang waren. Eines hieß „Hyperbolicsyllabicsesquedalymistic“. Exzentrischeren, eleganter orchestrierten Soul hatte die Welt noch nicht gehört. Auf dem Cover prangte die Glatze des Sängers, fotografiert wie eine polierte Billardkugel. Can you dig it?

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