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Ein Mann hält während einer Pressekonferenz eine Bezahlkarte in der Hand (Symbolbild).

© picture alliance/dpa/Sven Hoppe

Update

Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin: Länder beschließen Bargeld-Obergrenze für Flüchtlinge und fordern Modelle für Drittstaatenlösung

Flüchtlinge sollen künftig über die Bezahlkarte maximal 50 Euro abheben können. Innenministerin Faeser dämpft die Erwartungen an eine Drittstaatenlösung.

Die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer haben sich darauf verständigt, dass Flüchtlinge über die Bezahlkarte künftig maximal 50 Euro an Bargeld-Auszahlungen bekommen sollen. Das sich die Länder einig seien, sei ein „ganz wichtiges Zeichen“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) im Anschluss an die Beratungen.

Zudem fordern die Länder die Bundesregierung gemeinsam auf, konkrete Modelle zur Auslagerung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union zu erarbeiten.

Die Ministerpräsidenten verständigten sich am Donnerstag vor ihrem Treffen mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf ein Papier zum Thema Migration, in dem die Bundesregierung darum gebeten wird, „konkrete Modelle zur Durchführung von Asylverfahren in Transit- und Drittstaaten zu entwickeln und dabei insbesondere auch dafür erforderliche Änderungen in der EU-Regulierung sowie im nationalen Asylrecht anzugehen“.

Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Teilnehmerkreise. Die Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil (Niedersachsen, SPD) bestätigten die Einigung auf einer Pressekonferenz nach den Beratungen.

Innenministerin Faeser dämpft Erwartungen

Auf eine Drittstaaten-Regelung, wie sie Italien schon mit Albanien vereinbart hat, dringen vor allem die unionsgeführten Länder. Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die Erwartungen allerdings gedämpft.

Das könne ein „Bausteinchen“ sein, würde aber nicht die Migrationslage in Deutschland grundlegend ändern, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag am Rande der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern (IMK) die parallel zur MPK in Potsdam stattfindet.

Faeser verwies auf das italienische Modell mit Albanien und sagte: „Da ist eine Höchstgrenze von 3000 Geflüchteten vereinbart. Das ist auch ein sehr kleiner Teil.“

Eine wirkliche Reduzierung der Zahl der Asylsuchenden werde über eine Drittstaaten-Regelung nicht gelingen. Es sei nicht der „Gamechanger“, betonte Faeser. Großbritannien etwa habe 18 Monate verhandelt und noch kein tragfähiges Modell. Am Nachmittag wird sie zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) bei der MPK erwartet.

Faeser hat in den letzten Wochen eine Drittstaaten-Regelung von Experten prüfen lassen und will die Ergebnisse bei der Sitzung im Kanzleramt vorstellen.

Drittstaaten-Regelung zentrales Thema bei Bund-Länder-Gipfel

Die unionsgeführten Länder hatten im Vorfeld der MPK von der Bundesregierung eine Zusage gefordert, dass sie ein „konkretes Modell“ für eine Drittstaaten-Regelung entwickelt. Vorbild soll die Vereinbarung zwischen Italien und Albanien sein. Nordrhein-Westfalens Regierungschef Hendrik Wüst (CDU) erwartet „vom Bundeskanzler Ernsthaftigkeit, Sorgfalt und Entschlossenheit bei der Prüfung, welches Modell das richtige für Deutschland ist.“

Söder fordert schnellere Abschiebungen

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte vor dem Treffen schnellere Abschiebungen und vorherigen Sofortarrest von nicht anerkannten Asylbewerbern auch dann, wenn sie nicht straffällig geworden sind, sondern lediglich als Gefährder eingestuft wurden. Dies sei rechtlich über die Polizeigesetze machbar.

Es bestehe die Gefahr, dass in der Bevölkerung der Eindruck entstehe, der Rechtsstaat sei zu liberal, sagte Söder im Deutschlandfunk. Deutschland brauche zu lange, um Entscheidungen voranzubringen.

Merz wirft Kanzler Untätigkeit vor

Druck in der Frage machte auch CDU-Chef Friedrich Merz. „Die Bürgerinnen und Bürger erwarten jetzt konkrete Ergebnisse statt immer neuer Ankündigungen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er warf dem Kanzler Untätigkeit in der Migrationspolitik vor. Seit Monaten sei „nichts Historisches passiert“, sagte Merz. Der Kanzler habe seine Zusagen und Ankündigungen gegenüber den Ländern nicht wie versprochen umgesetzt.

Der Kanzler habe aus Rücksicht vor den Koalitionspartnern keinen schärferen Kurs bei Abschiebungen eingeschlagen, kritisierte Merz. „Eine schnelle Rückführung abgelehnter Asylbewerber wird von den Grünen ausgebremst. Die Bilanz für neue Abkommen mit Herkunftsländern ist mehr als dürftig.“

Boris Rhein sieht Belastungsgrenze längst erreicht

Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU), forderte vom Bund generell klare Aussagen zur Begrenzung irregulärer Migration. „Die Bundesregierung muss in entscheidenden Fragen der Migrationspolitik jetzt liefern.“ Die Belastungsgrenze sei bei den Bürgerinnen und Bürgern und in vielen Städten und Gemeinden längst erreicht. „Das sehen wir in den Schulen, in den Kitas und auf dem Wohnungsmarkt.“

Rhein forderte unter anderem größere Anstrengungen für den Abschluss von Rückführungsabkommen. „Ich erwarte, dass der Kanzler selbst mit den entsprechenden Ländern die Verhandlungen führt und das Thema zur Chefsache macht.“ Es müssten dabei auch Hebel genutzt werden wie die Rücknahme von Visa-Zusagen bis hin zum Streichen von Entwicklungshilfe.

Ob die SPD-geführten Länder beim Drittstaaten-Verfahren mitziehen, war zu Beginn der Länderberatungen noch unklar. Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschefin Schwesig äußerte sich „höchst skeptisch“. Man müsse alle Maßnahmen darauf prüfen, ob sie mit den bestehenden Regeln vereinbar sind und ob sie tatsächlich wirken, sagte sie. „Wir brauchen keine Symbolpolitik, wir brauchen praktische Ergebnisse.“

Chef der Innenministerkonferenz hält Verfahren für sehr kompliziert

Auch der IMK-Vorsitzende, Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU), bewertet Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten mit einer gewissen Skepsis. „Das ist ein mögliches Projekt, was sehr kompliziert sein wird, was auch rechtlich nicht einfach einzuordnen sein wird“, sagte Stübgen.

Er fügte hinzu: „Aber ich lasse mich gerne überzeugen davon, dass das versucht werden sollte.“ Großbritannien, wo ein Modell mit sehr großem Aufwand betrieben werde, sei bisher nicht sehr erfolgreich in dieser Frage, sagte Stübgen.

Die konservative britische Regierung bemüht sich seit langem darum, Menschen, die ohne Erlaubnis einreisen, nach Ruanda zu bringen. Sie sollen dort Asyl beantragen, eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Italien will die Asylverfahren für einen Teil der geretteten Bootsmigranten nach Albanien auslagern.

FDP-Fraktionsvize schlägt Pilotprojekt vor

Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende, Konstantin Kuhle, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Um dieses Vorhaben voranzubringen, sollte der Bund schnellstmöglich ein Pilotprojekt starten, um eigene Erfahrungen zu sammeln.“

Kuhle sagte der Deutschen Presse-Agentur, er befürworte nicht das britische Ruanda-Modell, sondern sei vielmehr dafür, europäische Asylprüfungen in Transitstaaten zu ermöglichen.

Faeser erwartet Entlastung durch Umsetzung der EU-Asylreform

Faeser sagte in Potsdam, sie setze vor allem auf die bereits beschlossene Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Vor allem die geplanten Asylzentren an den Außengrenzen, wo die Schutzersuchen von Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote geprüft werden sollen, „werden uns hier massiv entlasten“.

Beim Bund-Länder-Gipfel in Berlin wird es auch um den Vorstoß des Kanzlers für eine Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan und Syrien gehen. Scholz hatte damit auf die tödliche Messerattacke eines Afghanen in Mannheim reagiert.

„Ich glaube auch, die Bevölkerung erwartet, dass solche Menschen nicht länger in diesem Land bleiben“, sagte Stübgen. Er halte es für notwendig, zunächst mit Syrien zu beginnen. „Dort sind die rechtlichen Bedingungen andere, aber dann muss die Bundesregierung, insbesondere die Bundesaußenministerin, endlich mal anfangen, diplomatische Stränge so aufzubauen, dass man dies organisieren kann.“

Neben der Migration geht es bei dem Treffen um die Einführung einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung zum Beispiel für den Fall von Hochwasserkatastrophen. Der Bundesrat hatte dies am Freitag angesichts der jüngsten Extremwetterereignisse verlangt. Bundesjustizminister Marco Buschmann lehnt dies jedoch ab.

Der FDP-Politiker setzt stattdessen auf eine Angebotspflicht der Versicherer. Bundesweit ist nur etwa jedes zweite Haus mit einer Elementarversicherung gegen Hochwasser, Starkregen, Erdrutsche oder Schneedruck finanziell abgesichert - obwohl durch den Klimawandel die Risiken steigen. (dpa/AFP/tsp)

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