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75 Jahre Grundgesetz, Olaf Scholz, Bundeskanzler, SPD, beim Deutschland-Dialog zum Thema Gemeinsam für Demokratie.

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Geheimes Kanzleramts-Gutachten in Cum-ex-Affäre: Scholz darf weiter in Deckung bleiben

Im Kanzleramt wurde ein Papier erstellt, das Scholz vor einem Untersuchungsausschuss im Bundestag schützt. Mehr Transparenz in der Sache verhinderte nun ein Gericht.

Zu den Bemühungen des Bundeskanzleramts, einen Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Warburg-Affäre von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu verhindern, gibt es vorerst keine weitere Aufklärung. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat einen Eilantrag des Tagesspiegels rechtskräftig abgewiesen, wonach Inhalte eines Rechtsgutachtens offengelegt werden müssen, das eine Zulässigkeit eines solchen Ausschusses in Zweifel zieht (Az.: OVG 6 S 9/24). Das OVG änderte damit einen Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem das Bundeskanzleramt zu Informationen auf Grundlage des presserechtlichen Auskunftsanspruchs verpflichtet worden war.

Der Kanzler-Vertraute konnte sich an nichts erinnern

In der Affäre um die Hamburger Warburg-Bank wird Scholz vorgeworfen, in seinem früheren Amt als Bürgermeister der Stadt daran mitgewirkt zu haben, die Bank vor Steuerrückforderungen wegen krimineller Cum-ex-Aktiengeschäfte zu bewahren. Scholz bestreitet das. Die Union beantragte, einen Untersuchungsausschuss im Bundestag einzusetzen, scheiterte aber an den Ampelfraktionen. Das Vorhaben sei aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig, hieß es. Es handele sich um eine Ländersache. Dagegen klagt die Unionsfraktion derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

Vor diesem Hintergrund ist der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betroffen.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss.

Das Gutachten aus dem Kanzleramt könnte der frühe und zugleich wesentliche Impuls für den Widerstand der Ampel gewesen sein. Erstellt hatte es das zuständige Verfassungsreferat unmittelbar nach dem Einsetzungsantrag der Union im Frühjahr vergangenen Jahres – angeblich aus eigenem Antrieb, denn förmlich hatte das Kanzleramt damals noch nichts mit der Warburg-Affäre zu tun.

Ob das Papier damals Scholz persönlich vorlag, dieser von seiner Entstehung wusste oder sie förderte, ist unbekannt. Bestätigt wurde bisher nur, dass der Kanzler-Vertraute und Chef des Bundeskanzleramts, Wolfgang Schmidt (SPD), das Dokument in die Hände bekam. Möglich, dass dieser es umgehend an die SPD-Fraktion spielte. Fraktionsjustiziar Johannes Fechner schweigt dazu auf Anfrage. Der Kanzleramtschef selbst antwortete auf Fragen der Unionsfraktion im Parlament, er habe jede Erinnerung verloren: „Wem ich wann was gegeben habe, kann ich Ihnen ehrlicherweise jetzt nicht mehr sagen“.

Das Verwaltungsgericht hatte noch betont, die Recherche über eine „mögliche Einflussnahme“ von Scholz und Schmidt auf die Einsetzung des Untersuchungsausschusses könne ein „gesteigertes öffentliches Interesse beanspruchen“.

Gründe, die Inhalte aus dem Dokument zurückzuhalten, seien keine ersichtlich, zumal es sich bei den Umständen, unter denen das Papier entstand, um einen „abgeschlossenen Vorgang“ handele. Dass das Dokument von einem absolut geschützten „Kernbereich der Exekutive“ umfasst sein soll, hielt man in erster Instanz für vorgeschoben: Der Kernbereichsschutz diene „nicht der vermeintlichen Sicherung des Fundus politischer Gestaltungsmöglichkeiten und der hierauf bezogenen Argumente.“

Diese Argumentation dreht das Oberverwaltungsgericht jetzt um und gab damit einer Beschwerde des Kanzleramts statt. Nach Ansicht des OVG könnte der Exekutiv-Kernbereich durch eine Auskunftspflicht sehr wohl beeinträchtigt werden, weil über die Klage der Unionsfraktion in Karlsruhe nicht entschieden sei. Das Kanzleramt könne sich noch am Verfahren beteiligen und sich dann nicht mehr „in gleicher freier Weise“ positionieren, wenn das Gutachten bekannt würde. Das Gericht hält es ausdrücklich für „plausibel“, dass in diesem Fall die frühere Einschätzung des Fachreferats in der Öffentlichkeit als aktuelle Position des Bundeskanzlers in dem Rechtsstreit verstanden werden könne.

Rechtsmittel gibt es keine gegen den Beschluss. Das Oberverwaltungsgericht entscheidet bei presserechtlichen Angelegenheiten in Eilverfahren in letzter Instanz. Für das Bundeskanzleramt verlaufen solche Verfahren üblicherweise erfolgreich, auch wenn das Verwaltungsgericht Klagen von Medien zunächst stattgegeben hat. Seit dem Start der Ampelkoalition hat sich das Kanzleramt nach eigenen Angaben in mehr als zehn Fällen gegen Recherche-Ansprüche durchgesetzt, zumeist mithilfe externer Rechtsanwaltskanzleien. „Sämtliche Verfahren wurden vollumfänglich zugunsten des Bundeskanzleramts entschieden“.

Mit dem Beschluss hat das OVG zugleich eine Beschwerde des Tagesspiegels gegen die erstinstanzliche Entscheidung abgewiesen. Diese bezog sich auf die Abweisung von Nachfragen zur Verwendung des Dokuments. Das Kanzleramt hatte hier lediglich pauschal mitgeteilt, Einzelheiten ließen sich „nicht rekonstruieren“. Das OVG entschied nun ebenfalls, dass dies als Auskunft genügen soll.

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