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Wer gibt die Richtung vor? Robert Habeck und Annalena Baerbock haben sich noch nicht geeinigt.

© dpa/Jan Woitas

Habeck oder Baerbock?: Die K-Frage lässt den Grünen keine Ruhe

Bei der Europawahl und in Umfragen sind die Grünen abgestürzt, trotzdem beschäftigt die Partei weiter eine mögliche Kanzlerkandidatur. Das gefällt nicht allen.

Es ist nur ein Satz, doch mit dem setzt Annalena Baerbock ein deutliches Signal an ihre Partei: „Als Außenministerin habe ich gelernt, dass alles möglich ist.“ Eigentlich ein trivialer Satz und angesichts multipler Krisen weltweit formal völlig korrekt. Doch angesichts der Fragestellung eine klare Ansage von Deutschlands oberster Diplomatin.

Denn die Frage, die ihr im Interview mit der „SZ“ gestellt worden war, zielte auf das Zentrum der Macht bei den Grünen: „Ist eine Kanzlerkandidatin Baerbock möglich?“ Baerbock hätte ausweichen können. Sie hätte das Feld auch ihrem Parteifreund, Vizekanzler Robert Habeck, überlassen können. Doch die 43-Jährige entschied sich für die Offensive.

Eigentlich wirkt es etwas surreal, dass die Grünen so kurz nach dem Absturz bei der Europawahl überhaupt noch über die K-Frage sprechen. Mit nur 11,9 Prozent lag man fast 20 Prozentpunkte hinter der Union, auch AfD und SPD schnitten besser ab. Die Parteiführung hat eine umfassende Aufarbeitung angekündigt.

Ziel heißt Volkspartei

Doch gerade im Realo-Flügel der Partei, dem Habeck und Baerbock angehören, ist man davon überzeugt, dass die Grünen auf ihrem selbstgesteckten Ziel zur Volkspartei ihren Gestaltungswillen mit einer Kanzlerkandidatur unterstreichen sollten. Zu ihrer Wahlanalyse gehört die Forderung einer stärkeren Personalisierung.

Es ist zwar gerade Fußball-EM, aber wir sollten nicht in zwei Teams denken, bei denen nur eins gewinnen kann

Der Berliner Europaabgeordnete Erik Marquardt will aktuell nichts von der K-Frage wissen.

Hinzu kommen taktische Überlegungen. Wer einen Kanzlerkandidaten aufstellt, erfährt medial mehr Aufmerksamkeit, so die Erkenntnis aus dem vergangenen Bundestagswahlkampf. Zudem trat mit Olaf Scholz damals für die SPD ein Kandidat an, der noch wenige Montage vor der Wahl scheinbar aussichtslos hinten lag.

Alles ist möglich. Warum also nicht auch für Baerbock? Als Krisenmanagerin habe sie sich global einen Namen gemacht, heißt es von ihren Unterstützern. Zumal sie innerparteiliche Unterstützer hat, vor allem in der Bundestagsfraktion und im linken Flügel.

Im Habeck-Lager ärgert man sich dagegen über Baerbocks Hinhalte-Taktik. Sie habe 2021 ihre Chance gehabt und sei gescheitert, nun sei der Wirtschaftsminister an der Reihe. Der 54-Jährige erreiche mit seinen Ansprachen breite Gesellschaftsgruppen, habe zentrale Arbeit in der Ampel geleistet und sei der bessere Wahlkämpfer.

Das sehen auch die sogenannten „Vert-Realos“ so, eine Gruppe von wertkonservativen Realos. Sie fordern einen Kurs, der stärker auf Sicherheit, Migration, Wirtschaft und Klima setzt. Dafür stehe vor allem ein Mann: „Wir brauchen eine starke Führung. Robert Habeck benötigt Handlungsfreiheit als Vizekanzler und die volle Unterstützung der gesamten Partei“, heißt es in einem Beschlusspapier.

Von solchen Aussagen sind in der Partei jedoch viele genervt. „Es ist zwar gerade Fußball-EM, aber wir sollten nicht in zwei Teams denken, bei denen nur eins gewinnen kann“, sagt Erik Marquardt, Europaabgeordneter der Grünen und Mitglied im Parteirat. „Wir sind am stärksten, wenn wir zusammenstehen“, sagt er.

Ob Habeck und Baerbock ebenfalls zu dieser Einsicht kommen? Ihr Job und der des Vizekanzlers sei es, „die akuten Probleme zu lösen, nicht dauernd Personaldebatten zu führen“, sagte Baerbock der „SZ“. Bislang gelingt das den beiden nur bedingt.

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