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Ein Polizeiwagen steht vor dem Polizeipräsidium Frankfurt.

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Update

Nach Bekanntwerden rechtsextremer Chats: Hessens Innenminister löst Frankfurter SEK auf

Die neue Frankfurter Polizeiaffäre hat Folgen. Innenminister Beuth setzt einen Expertenstab ein, der das Spezialeinsatzkommando neu aufstellen soll.

Von Frank Jansen

Angesichts rechtsextremer Äußerungen von Polizisten in Chatgruppen wird das Spezialeinsatzkommando (SEK) des Frankfurter Polizeipräsidiums aufgelöst. Das teilte der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag in Wiesbaden mit.

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Das „inakzeptable Fehlverhalten“ mehrerer Mitarbeiter "sowie das Wegsehen unmittelbarer Vorgesetzter im SEK Frankfurt" machten die Auflösung unumgänglich, sagte Beuth. Ein Expertenstab solle die Neustrukturierung des SEK organisieren. Frankfurt stehen allerdings weiterhin SEK-Beamte zur Verfügung. Von den bisherigen Einsatzgruppen blieben bis auf die eine, in der es die rechten Vorfälle gab, weiter aktiv, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt ermitteln gegen sechs SEK-Beamte, weitere 13 aktive Polizisten und einen Ehemaligen. Es geht um rechtsextreme Chatgruppen und die Verbreitung rassistischer Parolen sowie Hakenkreuzen und weiteren Nazi-Symbolen. Drei der Beschuldigten sind Dienstgruppenleiter, die nicht eingeschritten sein sollen.

Der Fall ist besonders brisant, weil Elitepolizisten des SEK involviert sind. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen Volksverhetzung, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Strafvereitelung im Amt. Außerdem sind disziplinarische Ermittlungen anhängig.

Am Mittwochmorgen waren die Wohnungen von sechs Beamten des Spezialeinsatzkommandos sowie die Arbeitsplätze der Beschuldigten im Frankfurter Polizeipräsidium durchsucht worden. Die Chats stammen nach Angaben des Innenministers überwiegend aus den Jahren 2016 und 2017. Einige Text- oder Bildnachrichten in den Chats legten den Verdacht einer rechtsextremen Gesinnung einiger Mitglieder des SEK Frankfurt nahe.

Der Fall kam ins Rollen, als die Polizei bei Ermittlungen gegen einen 38-jährigen SEK-Mann des Frankfurter Präsidiums wegen Kinderpornografie auf rechtsextreme Chats mit mehreren Teilnehmern stieß. Die Chats in einem Messengerdienst waren auf dem Smartphone des SEK-Beamten gespeichert.

Offenbar kein Bezug zur Affäre um Drohserie von "NSU 2.0"

Die Staatsanwaltschaft betonte, bislang gebe es keine Hinweise, dass der neue Fall in Zusammenhang stehe mit dem Fall der Serie rechter Drohungen von "NSU 2.0". In der Affäre gibt es den Verdacht, Frankfurter Polizisten hätten über unbefugte Abfragen von Daten der bedrohten Personen an den Straftaten mitgewirkt.

Bei den Ermittlungen in diesem Fall war die Polizei zudem auch auf eine rechtsextreme Chatgruppe von Kollegen gestoßen. Der mutmaßliche Täter der Drohserie wurde im Mai in Berlin gefasst, es ist kein Polizist. Dennoch bleibt offen, ob der Mann Verbindungen zu rechten Polizisten in Frankfurt hatte.

Hessen war länger das Bundesland mit den meisten Vorfällen rechter Umtriebe von Polizisten. Seit 2015 wurden 77 Verdachtsfälle geprüft. Inzwischen gibt es allerdings eine höhere Zahl an Disziplinarverfahren in Nordrhein-Westfalen.

In der neuen Affäre reagiert Beuth nun mit einer radikal erscheinenden Zäsur. „Wir stoßen heute einen fundamentalen Neustart für das SEK an“, erklärte der Innenminister. Es werde beim Spezialeinsatzkommando einen grundlegenden organisatorischen Umbau geben. Zudem müsse dort eine gänzlich neue Führungskultur auf den unteren und mittleren Vorgesetzten-Ebenen geschaffen werden. „Natürlich sind unsere Spezialkräfte auch in Zukunft unverzichtbar, aber die Rahmenbedingungen werden andere sein“, sagte Beuth.

Der Chef des Polizeipräsidiums Westhessen, Stefan Müller, soll den Expertenstab zur Neustrukturierung des SEK leiten. Müller hatte früher selbst eine Direktion Spezialeinheiten geleitet.

Beuth betonte, "zahlreiche Spezialkräfte haben sich nichts zuschulden kommen lassen". Sie würden "ihrer wichtigen Tätigkeit künftig in neuen Strukturen nachgehen".

Freitag meldete das Innenministerium, dass mehr Beamte als bislang bekannt von dem Skandal betroffen sind. Gegen drei weitere Polizeivollzugsbeamte seien Disziplinarverfahren und gegen einen Polizeibeschäftigten ein arbeitsrechtliches Verfahren wegen des Verdachts auf „zumindest diskriminierende Äußerungen oder Verhalten“ eingeleitet worden. Zwei der Betroffenen seien im Polizeipräsidium Frankfurt und zwei beim Landeskriminalamt (LKA) beschäftigt. Strafrechtlich relevant seien die Vorwürfe nicht.
Weiter berichtete das Ministerium, es seien zudem Disziplinarverfahren gegen fünf Polizisten eingeleitet worden, weil sie sich in privaten Chats beispielsweise über die Einteilung von Dienstplänen ausgetauscht hätten, was gegen interne Regularien verstoße. Weitere Disziplinarverfahren hätten sich bislang nicht ergeben, die strafrechtlichen wie auch disziplinarischen Ermittlungen dauerten aber an. Mögliche weitere Vorwürfe würden „mit allem Nachdruck verfolgt“, erklärte das Ministerium. (mit dpa, AFP)

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