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Zoff um „Zwangsabgabe“ für den Rundfunk: Wo es für Zuschauer Pflichten gibt, darf es auch Rechte geben
Eine Frau klagt gegen den Rundfunkbeitrag, weil sie die Sender als Erfüllungsgehilfen staatlicher Meinungsmacht sieht. Das ist natürlich überzogen – aber mehr Kontrolle darf sein.

Stand:
Man muss nicht Wolfram Weimer heißen, um den Rundfunkbeitrag als „Zwangsabgabe“ zu bezeichnen. In weiten Kreisen bürgerlicher Milieus, die zu vertreten der Kulturstaatsminister sich berufen glaubt, hält man sich für Opfer des öffentlich-rechtlichen Programms, nicht für Nutznießer.
Politisch einseitig soll es dort zugehen; zu nah an Regierungen, zu weit von der Opposition; zu viel links, zu wenig rechts. Man kennt das, es geht seit Jahren so.
Höhere Reichweiten erzielt, wer seine Kritik auf öffentlichen Klowänden notiert.
Jost Müller-Neuhof, Rechtspolitischer Korrespondent, über den Nutzen von Programmbeschwerden
Anstalten und Funktionäre kontern mit Studien, die Ausgewogenheit und Qualität belegen sollen. Inmitten das zahlende Publikum, das mal das eine, mal das andere bestätigt sieht.
Wer meckert, möge sich an Aufsichtsgremien wenden, heißt es. Programmbeschwerde und so. Höhere Reichweiten erzielt, wer seine Kritik auf öffentlichen Klowänden notiert.
Muss es so weitergehen? Möglicherweise nicht. Das Bundesverwaltungsgericht urteilt am Mittwoch über den Fall einer Frau aus Bayern, die den Öffentlich-Rechtlichen „strukturelles Versagen“ vorwirft und Geld verweigert. Schaltet sie den Fernseher ein, sieht sie sich einem „Erfüllungsgehilfen der vorherrschenden staatlichen Meinungsmacht“ gegenüber.
Über das Vokabular aus der Verschwörerszene mag man schmunzeln. Interessanter ist, dass das Bundesverwaltungsgericht hier Bedarf für ein höchstrichterliches Urteil sieht. Anders als die Vorinstanz, die auf die üblichen Beschwerdewege verwies.
Das Gericht kann sich dafür auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts berufen, das die wesentliche Frage noch unbeantwortet sieht: Ob nicht doch die Justiz für Einwände gegen die Beiträge zuständig sein muss, wenn „strukturell verfehlt“ werde, „ein der Vielfaltsicherung dienendes Programm anzubieten“.
Strukturell verfehlt wird bisher ein effektiver Rechtsschutz, wie ihn das Grundgesetz vorschreibt und wie es ihn prinzipiell auch für Beitragszahler geben sollte. Rundfunkfreiheit kann nicht von gesetzlichen Pflichten entbinden, ein politisch ausgewogenes Programm abzuliefern. Aufsichtsgremien sind schön, aber reichen zur Kontrolle kaum aus.
Revolutionen sind keine zu erwarten. Eher wäre es ein bescheidener Anfang, wenn es neben der Beitragspflicht auch ein paar Zuschauerrechte gäbe. Es könnte dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk helfen, wieder besser akzeptiert zu werden.
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