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Healthcare worker holding hands and consoling senior woman model released, Symbolfoto, HAPF03389

© imago/Westend61/IMAGO/HalfPoint

Erstmals gleich zwei Generationen pflegebedürftig: Brandenburger Landtag debattiert über dauerhaften Pakt für Pflege

Der Brandenburger Pakt für Pflege war erfolgreich – das bescheinigte kürzlich ein Institut, das ihn evaluiert hat. Nur: Er war ein freiwilliges Programm. Jetzt wird über seine künftige Finanzierung diskutiert.

Es ist „das Prestigeprojekt dieser Koalition“. So schilderte der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Benjamin Raschke, am Mittwoch im Potsdamer Landtag den „Pakt für Pflege“. Mit 20 Millionen Euro pro Jahr, so hatten es die Kenia-Koalitionäre vereinbart, sollten pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen vor Ort zu unterstützt, Beratungsstrukturen ausgebaut und die Fachkräftesicherung in der Pflege gefördert werden.

Dass das Projekt erfolgreich war, hatte dem Land schon vor zwei Wochen das „BQS Institut für Qualität & Patientensicherheit“ bestätigt: Damals hatten Experten im Gesundheitsausschuss des Landtags einen Evaluationsbericht vorgestellt, wonach das Projekt bundesweit vorbildlich sei.

„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, sagte Raschke vor dem Landtag. „Jetzt muss der Bund liefern.“ Im Koalitionsvertrag der Ampel sei eine grundlegende Pflegereform angekündigt worden. „Wenn wir bezahlbare Pflege wollen, braucht es auch eine solidarische Bürgerversicherung für alle“, so Raschke. Der Brandenburger Pakt für die Pflege sei ein erfolgreiches, aber freiwilliges Programm gewesen. „Das muss eine Daueraufgabe werden“, sagte Raschke. „Die 20 Millionen müssen in den Haushalt, und zwar dauerhaft.“

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) betonte, dass die Sicherung der pflegerischen Versorgung zu den größten sozialpolitischen Herausforderungen gehören, weil mit steigendem Pflegebedarf gleichzeitig die Zahl der Erwerbsfähigen zurückgehe. „Es gibt erstmals zwei Generationen, die gleichzeitig auf Pflege angewiesen sind: die ersten Babyboomer und deren Eltern.“

87
Prozent aller pflegebedürftigen Menschen werden in Brandenburg zu Hause gepflegt - der höchste Wert bundesweit.

Der Pflegebedarf in Brandenburg steigt wegen des demografischen Wandels stetig. Rund 185.000 Menschen waren Ende 2021 im Land pflegebedürftig, etwa 100.000 mehr als zwölf Jahre zuvor. Nonnemacher schätzt, dass die Zahl inzwischen deutlich höher liegt.

Rund 87 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen werden in Brandenburg zu Hause gepflegt – das ist laut Ministerin bundesweit der höchste Wert. Über das Programm wurden bisher zusätzlich 315 Tagespflege- und 54 Kurzzeitpflegeplätze geschaffen.

Aus Sicht von Nonnemacher muss im Mittelpunkt aller Reformen die zielgerichtete Unterstützung pflegender Angehöriger stehen. Denn hauptberufliche Pflegekräfte würden in Zukunft zu knappen Ressourcen und müssten dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen brächten.

In das gleiche Horn stieß bei einer ihrer letzten Landtagsreden auch die Lübbenauer Pflegeexpertin Roswitha Schier (CDU), die nicht wieder für den Landtag antritt. „Denn Pflegepolitik ist Sozialpolitik und Familienpolitik im besten Sinne.“

Der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann wies darauf hin, dass der Beschäftigungsanstieg der vergangenen zehn Jahre in der Pflege vor allem auf Menschen mit Migrationshintergrund zurückgehe. Mindestens 10.000 Pflegekräfte fehlten bis 2030 allein in Brandenburg.

Scharfe Kritik übte hingegen die AfD-Abgeordnete Daniela Oeynhausen. Durch den Pakt für Pflege plustere sich der öffentliche Dienst unnötig auf und entziehe dem Arbeitsmarkt Personal. „Wir müssen darauf achten, dass es kein Beratungsunwesen gibt“, sagte Oeynhausen.

Der Linken-Abgeordnete Ronny Kretschmer betonte, dass es in der Ausbildung von Pflegekräften eine enorme Abbrecherquote gebe. Nötig seien eine bessere Betreuung und Sozialarbeit an den Pflegeschulen. „Ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag in der Pflege und ein Verbot der Leiharbeit sind dringend nötig“, sagte Kretschmer. „Und um Zuwanderung in der Pflege werden wir nicht herumkommen.“ Kretschmer forderte deswegen sogar eine Aufstockung des Pakts für Pflege auf 30 Millionen Euro.

Auch der Sprecher der Freien-Wähler-Gruppe, Péter Vida, hält mehr Investitionen in Pflegeinfrastruktur für nötig. (mit dpa)

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