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Überstunden, Arbeitsverdichtung und zunehmende Gewaltbereitschaft macht der Polizei zu schaffen.

© dpa/Bernd Thissen

Ansehen des Staates auf dem Tiefpunkt: Beamtenbund sorgt sich um die Demokratie

Forsa-Umfrage: 70 Prozent halten den Staat für überfordert. Beamte fühlen sich besonders belastet. Sehr unterschiedliche Ansichten in Ost und West.

Nach einem kurzen Zwischenhoch im Coronajahr 2020 verlieren staatliche Institutionen zunehmend das Vertrauen des Volkes. 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger halten den Staat für überfordert, nur 25 Prozent glauben, dass er seine Aufgaben erfüllen kann. „Der Verfall staatlichen Ansehens und Autorität hat einen Tiefpunkt erreicht“, kommentierte Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbundes dbb, die Ergebnisse einer Bürgerbefragung.

Er forderte von der Ampelregierung ein „Sofortprogramm, um Zuversicht zu verbreiten“. Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen Ostdeutschland und das Umfragehoch der AfD meinte Silberbach, die Politik müsse „die Menschen zurückholen in die demokratische Mitte“.

Jedes Jahr im Frühsommer ermittelt das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des dbb die Stimmung im Lande: Wie wird der Staat gesehen? Was sagen die Staatsdiener über ihre Arbeitsbedingungen? Welche Berufe haben das beste, respektive das schlechteste Image? Unter besonderen Belastungen arbeiten offenbar die Beamten. Während in der Privatwirtschaft knapp 50 Prozent der Beschäftigten angeben, stark belastet zu sein, sind es bei den Beamten 70 Prozent.

500.000
Arbeitskräfte fehlen im öffentlichen Dienst

Auch aufgrund des Personalmangels – aktuell fehlen Silberbach zufolge 500.000 Arbeitskräfte im öffentlichen Dienst – nehme die Arbeitsverdichtung vor allem bei der Polizei und im Justizdienst, in Schulen und Kitas sowie in Gesundheits- und Pflegebereichen zu. „Was sich in den letzten Jahren an Verrohung der Sprache, an Gewaltbereitschaft und Rücksichtslosigkeit in unserer Gesellschaft ausgebreitet hat, baden vor allem die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst aus“, sagte Silberbach.

Klimaschutz hat an Bedeutung verloren

Die Politik lasse die Beschäftigten des Staates „allein“, wie Silberbach am Beispiel des Polizistenmordes in Mannheim darstellte. Die Reaktion sei „das übliche Blabla“ gewesen, meinte Silberbach. Das erforderliche Modernisierungs- und Investitionsprogramm in den Bereichen Sicherheit und Bildung sei nicht Sicht.

Ausweislich der Forsa-Umfrage, an der sich 2000 Personen beteiligten, ist der Staat vor allem in der Asyl- und Flüchtlingspolitik überfordert, es folgen Sicherheit und Bildung. Die wichtigsten Aufgaben sind aus Sicht der Befragten die „Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit“, Verbesserung der Infrastruktur, die Digitalisierung des öffentlichen Dienstes sowie die Stärkung der Bundeswehr.

Was mich wirklich schockiert ist, dass inzwischen 77 Prozent der Ostdeutschen, 90 Prozent der AfD-Wähler und 85-Prozent der FDP-Wähler unseren Staat für überfordert halten.

Ulrich Silberbach, Vorsitzender des Beamtenbundes dbb

Der Klimaschutz hat dagegen an Bedeutung verloren. „Was mich wirklich schockiert ist, dass inzwischen 77 Prozent der Ostdeutschen, 90 Prozent der AfD-Wähler und 85-Prozent der FDP-Wähler unseren Staat für überfordert halten“, sagt Silberbach.

Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek zufolge vertieft sich die Spaltung zwischen Ost und West. Ostdeutsche priorisieren die Verbesserung der Infrastruktur und Entlastungen der Bürger, Westdeutsche befürworten Aufrüstung und Ukraine-Hilfe sowie Investitionen in den Klimaschutz.

Mit Blick auf die nächste Tarifauseinandersetzung für den öffentlichen Dienst der Kommunen und beim Bund hatte Forsa auch das Thema Arbeitszeit in die Befragung einbezogen. Eine generelle Verkürzung der Arbeitszeit stehe nur bei den rund 350.000 Bundesbeamten (inklusive Bundeswehr) auf der Agenda, da diese 41 Wochenstunden arbeiteten, was Silberbach eine „himmelschreiende Ungerechtigkeit“ nennt.

Für den Großteil des öffentlichen Dienstes strebt der Beamtenbund ebenso wie Verdi sogenannte Entlastungstage an: Beschäftigte mit besonderem Stress im Job sollen ein paar Tage zusätzlichen Urlaub bekommen. Ob sich die kommunalen Arbeitgeber darauf einlassen, wird sich Anfang 2025 in den Tarifverhandlungen zeigen.

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