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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Industriepräsident Siegfried Russwurm am Montag beim Tag der Industrie.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Industrie hofft auf die Ampel: Russwurm lobt gute Gespräche mit Kanzleramt

Beim Tag der Industrie erklären Bundeskanzler und Vizekanzler die Politik der Regierung. „Die Zeit des Aussitzens ist vorbei“, sagt Olaf Scholz.

Deutschland ist ein Industrieland. Mit einem Anteil von gut einem Fünftel des Bruttosozialprodukts hat das verarbeitende Gewerbe eine höhere Bedeutung als in den meisten westlichen Ländern. Entsprechend eng ist das Verhältnis zur Politik: Beim alljährlichen „Tag der Industrie“ (TDI) treten traditionell die Spitzenkräfte aus Regierung und Opposition auf.

Nachdem es zuletzt häufiger gekracht hatte zwischen Industriepräsident Siegfried Russwurm und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), war der Umgang der beiden am Montag beim TDI mit Spannung erwartet worden. Offenbar ist etwas passiert seit dem Streit auf der Hannover Messe im April. Russwurm berichtete jedenfalls von „konstruktiven Gesprächen mit dem Kanzleramt“, das „Problembewusstsein“ sei deutlich gestiegen und der Ton besser geworden. Aber kommt am Ende auch etwas dabei raus?

Scholz kündigte nichts an, sondern zählte auf, was von seiner Regierung auf den Weg gebracht worden sei. Mit einer „modernen Angebotspolitik“ korrigiere die Ampel die Versäumnisse der Vorgängerregierungen. Er nannte unter anderem das Fachkräfteeinwanderungsgesetz als Instrument gegen den Arbeitskräftemangel und den fortgeschrittenen Planungsstand beim Ausbau der Energienetze.

„Bleibt die Frage der Energiepreise“, führte Scholz fort. Bereits geltende Entlastungen sollten verstetigt und der Netzausbau beschleunigt werden, sodass Milliardenkosten für die Stabilisierung der Netze künftig vermieden würden. In der Folge könnten dann auch die Strompreise fallen. Kein Wort über einen Brückenstrompreis, den Industrie und Gewerkschaften seit einem Jahr fordern. Die Ampel hat keine Mittel.

Es sieht sehr danach aus, dass wir im Juli den Haushalt verabschieden.

Bundeskanzler Olaf Scholz

Scholz verhandelt derzeit mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) über den Haushalt 2025. „Es sieht sehr danach aus, dass wir im Juli den Haushalt verabschieden“, zeigte sich der SPD-Politiker optimistisch. Staatliche Investitionen würden dann auch 2025 auf hohem Niveau bleiben. Private Investitionen möchte Scholz mit weniger Bürokratie und schnellen Genehmigungsverfahren anreizen. Die Änderungen am Bundesimmissionsschutzgesetz beispielsweise sei „die größte Reform in diesem Bereich seit 30 Jahren“.

„Die Jahre des Aussitzens sind vorbei“, meinte der Bundeskanzler und schilderte sich als Tempomacher. Was im öffentlichen Interesse liegt, könne zügig abgearbeitet werden, wie 138 Autobahnprojekte oder die stark belasteten Schienenkorridore, die vorrangig saniert würden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien komme voran, Windmühlen seien zwei Jahre früher fertig als vor der Ampel. „Wir gehen mit Präzision durch das gesamte Planungsrecht“, sagte der Bundeskanzler.

„Europa braucht Deutschland als Zugpferd, doch im Moment sind wir das nicht“, befand BDI-Präsident Russwurm mit Hinweise auf das schwache Wachstum. Auch Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) betonte die besondere Rolle der Bundesrepublik für Europa. „Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit ist am besten für die Resilienz“, meinte der Grünen-Politiker, der am Montagmorgen aus China zurückgekehrt war. „Ziel muss Technologieführerschaft in allen Bereichen sein.“ Der Vizekanzler plädierte ganz im Sinne des BDI für steuerliche Investitionsanreize, „damit Deutschland aus dem Quark kommt“.

Das diesjährige, zweitägige Treffen der Industrie steht unter dem Motto „Zusammenhalt in polarisierten Welten“. Mit Blick auf die drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im September sagte Russwurm, er mache sich „sehr große Sorgen“. Für die global tätige Industrie sei es unerträglich, „wenn man Standorte in Regionen hat, wo es Fremdenfeindlichkeit gibt“. Und wenn Parteien in den Schulen Inklusionsklassen mit Behinderten abschaffen wollten, sei das „eine Welt, in der ich nicht leben möchte“.

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