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Fruchtgummis von Katjes – die Firma muss erklären, warum das Produkt klimaneutral produziert sein soll.

© dpa/Sebastian Kahnert

Strengere Auflagen für „Klimaneutral“-Slogan: Bundesgericht rügt Werbung für Fruchtgummis als irreführend

Unternehmen dürfen ihre Produkte nicht als „klimaneutral“ bewerben, ohne zu erklären, was damit konkret gemeint ist. Der Fruchtgummi-Hersteller Katjes muss eine Slogans nun anpassen.

Das Werbeversprechen „klimaneutral“ ist nur dann erlaubt, wenn Unternehmen zugleich erklären, was genau dahintersteckt. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag im Fall des Süßwarenhersteller Katjes entschieden.

Konkret ging es um die veganen Fruchtgummis „Grün-Ohr-Hasen“. In dem Fachmagazin „Lebensmittelzeitung“ warb Katjes damit, das Unternehmen produziere seit 2021 „alle Produkte klimaneutral“.

Die abgebildete Verpackung zeigte den Begriff „klimaneutral“, ein QR-Code führte zur Website des Kompensationsanbieters Climate Partner. Dieser gleicht die Emissionen der Fruchtgummi-Produktion mit Klimaschutzprojekten aus.

Der Verein „Wettbewerbszentrale“ hielt die Werbung darum für irreführend. Sie gaukele Verbrauchern vor, dass für das Produkt Emissionen eingespart werden – dabei werde nur kompensiert. Geschäftsführer der Wettbewerbszentrale Reiner Münker sah darin Nachteile für Unternehmen, die viel investierten, um tatsächlich weniger CO₂ auszustoßen. Verbraucher müssten sie von anderen unterscheiden können, die zwar im eigenen Betrieb nichts ändern, nur Geld an Klimaprojekte zahlen, aber mit „einem schillernden Begriff“ das Gleiche versprechen.

Mehrdeutige Werbeaussage nur mit Zusatzerklärung erlaubt

Zwei vorherige Instanzen hatten die Werbung des Lakritz- und Fruchtgummiherstellers als zulässig eingestuft: Verbraucher könnten den Begriff „klimaneutral“ einordnen. Ihnen sei bekannt, dass CO₂-Neutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Entscheidend sei, dass sie sich per QR-Code ausreichend informieren können.

Das wollte die Wettbewerbszentrale nicht gelten lassen und legte Revision beim höchsten deutschen Zivilgericht ein. Das entschied nun: Die beanstandete Werbung ist irreführend. Mehrdeutige umweltbezogene Werbeaussagen sind nur dann zulässig, wenn in der Werbung selbst erklärt wird, was genau sie bedeuten – und nicht erst auf einer weiteren Website.

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Bei umweltbezogener Werbung sei – ebenso wie bei gesundheitsbezogener – die Gefahr der Irreführung besonders groß, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.

Mehrdeutig ist das Werbeversprechen, weil „klimaneutral“ einerseits bedeuten kann, dass die Produktion selbst tatsächlich CO₂ einspart, aber auch, dass das Klimagas kompensiert wird. Und dies sei, sagte Koch, nicht gleichwertig: Für den Klimaschutz sei es wichtiger, Treibhausgase zu vermeiden.

Die Irreführung ist auch für den Wettbewerb relevant: Werbung für ein Produkt mit vermeintlicher Klimaneutralität sei „von erheblicher Bedeutung“ für die Kaufentscheidung des Verbrauchers, so der BGH.

Unternehmen dürften künftig vorsichtiger formulieren

Bereits vor dem Urteil hatte sich Katjes auf strengere Vorschriften eingestellt. Der Süßwarenhersteller habe in der Vergangenheit den Begriff „klimaneutral“ verwendet, weil man bestrebt sei, den Anteil der Emissionen bei der Produktion selbst zu reduzieren, aber auch weil das Unternehmen erhebliche Ausgleichszahlungen im siebenstelligen Bereich leiste, sagte Katjes-Sprecher Pascal Bua vor der Verkündung. Nach damaliger Rechtsauffassung sei das erlaubt gewesen.

Auch vergleichbare Umweltaussagen wie klimaschonend, CO₂-positiv oder CO₂-neutral dürften betroffen sein.

Leonie Evans, Rechtsanwältin

Das Urteil dürfte bei vielen Unternehmen zu vorsichtigeren Formulierungen führen, schätzt Leonie Evans, Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Meisterernst: „Auch vergleichbare Umweltaussagen wie klimaschonend, CO₂-positiv oder CO₂-neutral dürften betroffen sein.“ Der Katjes-Zertifizierer Climate Partner wirbt bereits seit Mitte April mit „Finanzieller Klimabeitrag“ statt „klimaneutral“.

Zudem hat die EU gerade nachgelegt: Das sogenannte Greenwashing-Verbot verbietet es, Produkte als „klimaneutral“ zu bewerben, wenn das Versprechen allein auf Kompensationszertifikaten beruht. Die entsprechende „Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel“ muss bis Ende März 2026 hierzulande umgesetzt werden.

Ob es allerdings das Aus für klimabezogene Werbung bedeutet, ist noch nicht ausgemacht: Die EU tüftelt derweil nämlich an einem ergänzenden Gesetz. Laut der Green Claims Richtlinie sollen alle Werbeversprechen zu Umwelt und Klima vorab überprüft werden, um sie verlässlicher zu machen.

Interessant mit Blick auf das Katjes-Urteil: Je nachdem, wie die Verhandlungen zwischen EU-Parlament, den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission ausgehen, könnte „klimaneutral“-Werbung auf Basis von CO₂-Zertifikaten unter strengen Voraussetzungen möglich bleiben.

Verbraucherschützer kritisieren das als Schlupfloch für Unternehmen. Ein Sprecher von Foodwatch forderte mit Blick auf die EU-Gesetze: „Slogans wie klimaneutral oder klimapositiv gehören verboten, wenn sie auf Kompensationsprojekten beruhen.“

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