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Forschungsrakete Black Brant XII.

© NASA/Wallops / NASA/Wallops

Tagesrückspiegel – Heute vor 28 Jahren: Als in Norwegen fast der dritte Weltkrieg begann

Die Kubakrise gilt als der Punkt in der Geschichte, als die Welt dem Atomkrieg am nächsten war. Doch das ist nicht so sicher.

Eine Kolumne von Richard Friebe

Boris Jelzin, Vorgänger von Wladimir Putin im Amt des Präsidenten der Russischen Föderation, blieben noch zwei Minuten. Wie kurz vor einem vermeintlichen atomaren Gegenschlag, der dann ein Erstschlag gewesen wäre, die Welt an jenem 25. Januar 1995 wirklich stand, hat aber nicht nur etwas mit Minuten und Sekunden zu tun. Entscheidend war auch, wie gut oder weniger gut die Informationen damals flossen und vor allem, was die Beteiligten damals konkret dachten und fühlten.

Und Letzteres ist eben weitgehend unbekannt und wäre auch, wenn es mehr Informationen gäbe, schwer zu beziffern. Dass der Kalte Krieg eigentlich vorbei war und vorher nichts für einen amerikanischen Atomangriff sprach, hat aber sicher eine Rolle gespielt. Exakt die gleiche Situation fünf oder sechs Jahre zuvor hätte vielleicht eine andere, die Menschheit vielleicht auslöschende Reaktion ausgelöst.

Lost in Übertragung

Sicher und offiziell bestätigt ist, dass an jenem Tag eine Radarstation im Nordwesten Russlands eine Rakete ortete. In ihrer Flugbahn glich diese einer von einem U-Boot abgeschossenen amerikanischen Trident.

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Der Verdacht sofort: Die Trident könnte einen Atomsprengkopf an Bord haben, der in großer Höhe detonieren und so über einen dadurch ausgelösten elektromagnetischen Puls die russische Radarinfrastruktur ausschalten sollte. Danach würde der richtige Angriff der Amerikaner beginnen.

Boris Jelzin. Als er Ende 1999 zurücktrat, atmete man auch im Westen auf, denn dessen junger, nicht so dem Wodka zugetaner Nachfolger versprach mehr Stabilität, Verlässlichkeit und Partnerschaft.

© AFP

Tatsächlich hätte man an höchster Stelle wissen müssen, dass im Norden Norwegens genau an diesem Tag der Start einer Forschungsrakete vom kanadischen Typ Brant Black XII zur Untersuchung von Nordlichtern angekündigt war. Das russische Außenministerium war rechtzeitig darauf hingewiesen, doch die Information nicht an das Militär weitergegeben worden.

(Über-)Leben aus dem Koffer

Es ist der einzige bekannte Fall in der Geschichte, dass bei einer Atommacht der so genannte „Atomkoffer“ samt der dazugehörigen Schlüssel des Oberkommandierenden – in diesem Fall Jelzin – aktiviert wurde.

Das zehnminütige Zeitfenster, in dem im Falle einer tatsächlichen Attacke noch eine Reaktion im Sinne eins „Gegenschlages“ möglich wäre, hatte sich bereits in die Nähe einer zweistelligen Sekundenzahl weitgehend geschlossen, als die Radardaten schließlich zeigten, dass die Rakete gar nicht in Richtung Russland flog.

Herrn Putin wird im Januar 2000 der Atomkoffer übergeben.

© REUTERS / Reuters Photographer

Jelzins Atomkoffer ist heute im Boris-Jelzin-Center in Jekaterinburg ausgestellt. Das Nachfolgemodell wird Wladimir Putin hinterhergetragen.

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