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Lauben in einer Kleingartenkolonie im Grenzweg in Mariendorf.

© Kitty Kleist-Heinrich

Grüne wittern Wahlkampf-Taktik: Linke und SPD wollen alle Berliner Kleingärten dauerhaft sichern

Der Senat hat enorme rechtliche Zweifel am Plan, alle Kleingärten dauerhaft zu sichern. Die Grünen werfen den Koalitionspartnern Wünsch-Dir-Was-Mentalität vor.

Berlin hütet eine Art grünen Stadtschatz. Rund drei Prozent der gesamten Stadtfläche ist von Kleingärten belegt. Das sind 2900 Hektar oder 4062 Fußballfelder. Bedroht sind die parzellierten Grünanlagen vom Wohnungs- und Straßenbau oder neuen Kitas, kurz: den Begehrlichkeiten der Stadtplaner.

Geschützt werden soll die überwiegende Mehrheit der Parzellen durch den im vergangenen Sommer beschlossenen Kleingartenentwicklungsplan (KEP) des Berliner Senats. Nun aber streiten die Parlamentarier im Abgeordnetenhaus, ob das reicht oder ob nicht besser ein Landesgesetz alle 2900 Hektar Gartenland langfristig, zusätzlich absichern soll.

Die SPD hat sich das „Kleingartenflächensicherungsgesetz“ sogar ins Wahlprogramm geschrieben, auch die Linke kämpft dafür. Gegen das Gesetz gibt es aber enorme rechtliche Bedenken, nicht nur bei den Grünen, sondern auch im Senat. Der Streit ist besonders im Wahlkampfjahr heikel.

Mit dem bisherigen Kleingartenentwicklungsplan wären rund 80 Prozent der Parzellen bis 2030 gesichert, weiteren zehn Prozent wird bis Ende 2030 eine Schutzfrist gewährt. Hinter diesem Ziel steht auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, die eigentlich bauen, bauen, bauen müsste – und auf potenzielle Flächen verzichtet.

Nicht gesichert werden kann bislang ein minimaler Prozentsatz, der für den Ausbau von Kitas und Schulen benötigt wird, sowie Parzellen auf Privatgrundstücken, das sind knapp vier Prozent. Genau das wollen SPD und Linke ändern – und wollen den KEP am liebsten nicht ohne das zugehörige Landesgesetz verabschieden. Sie argumentieren: Der KEP sei lediglich eine Art Selbstverpflichtung des Senats, kein wirklicher Rechtsschutz.

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„Statt eines zeitlichen Aufschubs ist eine Grundsatzentscheidung für das Kleingartenwesen insgesamt notwendig“, heißt es in einem Antrag der SPD-Fraktion. Auch private Flächen sollten demnach „unter den Schirm des Berliner Kleingartensicherungsgesetzes“ gezogen werden.

Dafür sollten Flächennutzungs- und Bebauungspläne geändert oder Flächen rekommunalisiert werden, etwa durch Vorkaufsrecht. Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz, Sprecher für Stadtentwicklung und Umwelt, sagte dem Tagesspiegel: „Dafür wollen wir im Gesetz die rechtlich weitest mögliche Formulierung aufnehmen, die den Willen des Gesetzgebers zur dauerhaften Sicherung der Kleingärten klar macht.“

Der SPD-Abgeordnete Daniel Buchholz.

© Promo

Ein Eckpunktepapier der Linkspartei strebt ebenfalls die „dauerhafte Sicherung aller derzeit vorhandenen Kleingartenflächen auf öffentlichen und privaten Grundstücken“ in Berlin an. Es geht also nicht nur darum, eine Maximalfläche zu erhalten, sondern möglichst jede Parzelle zu schützen.

Grüne sehen einen Wünsch-Dir-Was-Entwurf

Auch die Grünen wollen einen noch besseren Schutz der Gärten, als er schon im Senat vereinbart wurde. Dafür soll der KEP weiterentwickelt werden, aber ein Flächensicherungsgesetz, auch noch vor der Wahl im Herbst, hält die Partei für kaum realistisch. Turgut Altug, Sprecher für Umwelt der Grünen-Fraktion, kritisiert: „Was die Fachpolitiker von SPD und Linke vorgelegt haben, ist ein Wünsch-Dir-Was-Entwurf kurz vor der Wahl – das ist nicht seriös.“

Bei den Grünen und auch bei den beiden zuständigen Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Umwelt besteht die Sorge, dass ein Landesgesetz in Kompetenzen des Bundes eingreift. Denn das Bundeskleingartengesetz regele die Verhältnisse von Kleingärten bereits.

Auch der verfassungsrechtliche Schutz des Rechts auf Eigentum könnte unzulässig eingeschränkt werden, wenn bestimmte Flächen für Kleingärten dauerhaft reserviert werden. Das Gesetz erschwere außerdem eine „integrierte Stadtentwicklung unter Abwägung aller Interessen“. Im Senat wird eine Klagewelle der privaten Eigentümer erwartet.

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Es wird auf Urteile des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, wonach weitere Sonderrechte der Kleingärtner nicht begründbar seien. Die Frage, wie sozial gerecht der dauerhafte Schutz der Parzellen in einer Stadt ist, die dringend Wohnraum benötigt, ist da noch nicht einmal gestellt. Einigkeit herrscht allerdings insofern, dass Berlins Gartenreich wichtig für Stadtklima und -Natur ist.

Am heutigen Donnerstag geht der Konflikt um den Schutz der Gärten im Abgeordnetenhaus in die nächste Runde, bei einer Anhörung im Umweltausschuss werden die Positionen ausgelotet. Die CDU fordert, dass 2000 neue Parzellen auf dem stillgelegten Flughafen Tegel entstehen sollen.

Die Nervosität steigt nicht nur deshalb. Ende des Jahres ist eine Schutzfrist gegen die Bebauung der Kleingärten ausgelaufen, theoretisch sind sie zurzeit ungeschützt, auch wenn es den Senatsbeschluss aus dem vergangenen Sommer gibt und jeder neu bebaute Kleingarten wohl erheblichen Zorn auslösen würde. Die Wartelisten für eine Parzelle werden Monat für Monat länger.

Staatssekretär fürchtet nicht erfüllbare Erwartungshaltung

Denn die 71.000 Berliner Parzellenpächter haben nicht nur eine starke Lobby, sondern stellen – mitsamt ihrer Familien – auch ein großes Wählerpotenzial bei den Abgeordnetenhauswahlen im Herbst dar. Das wissen auch die Grünen, die SPD und Linke bislang ausbremsen.

Stefan Tidow (Grüne), Staatssekretär für Umwelt, sagte dem Tagesspiegel: „Man sollte bei den Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern keine falschen Erwartungen schüren und Hoffnungen wecken, solange nicht klar ist, ob man sie überhaupt rechtlich erfüllen kann.“

Angesichts der Bundesregelungen sei große Skepsis angebracht, ergänzt Tidow. Zurzeit arbeitet deshalb der wissenschaftliche Dienst des Abgeordnetenhauses auf Antrag der Grünen an einem Rechtsgutachten. Es soll bis Ostern vorliegen.

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