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BerlinOnline betreibt unter anderem Berlin.de. Über das Portal können Berliner zum Beispiel Bürgeramt-Termine buchen.

© Kitty Kleist-Heinrich

Verheerendes Zeugnis für Betreiber des Hauptstadtportals: BerlinOnline soll Besucher-Daten ohne Einwilligung erheben

Das Unternehmen handle im Bezug auf Datenschutz „absolut inakzeptabel“, so Berlins Datenschutzbeauftragte. Dieses Urteil verschärft nun die Debatte um das Portal.

Berlins Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hat dem Unternehmen BerlinOnline, Betreiber des Stadtportals Berlin.de, ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.

Das Unternehmen handle für das Land Berlin „rufschädigend“ und aus Datenschutz-Sicht „absolut inakzeptabel“, erklärte Smoltczyk am Montag. Sie warf dem Unternehmen vor, Daten von Besuchern des deutschlandweit am häufigsten geklickten Stadtportals ohne deren Kenntnis oder Einwilligung zu erheben.

Kritik an Einsatz von Trackern

Darüber hinaus könnten die Nutzer zwischen dem privaten Auftritt von BerlinOnline und dem vom Unternehmen für das Land Berlin bereit gestellten öffentlichen Internetangebot nicht unterscheiden. Die Hoheit über die Verwendung eigener Daten gebe der Besucher der Seite so ab, erklärte Smoltczyk. Sie ließ wissen, aktuell an einer Überprüfung der Datensammelpraxis auf Berlin.de zu arbeiten. Es habe mehrere Eingaben zu der Seite gegeben, erklärte die Datenschützerin weiter.

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Konkret kritisierte sie den Einsatz sogenannter Tracker. Diese sammeln Daten von Besuchern der Seite, die durch Verknüpfungen Bewegungsprofile erstellen und somit Rückschlüsse auf Interessen und Vorlieben der Nutzer ermöglichen. Für BerlinOnline dürften diese Nutzerdaten deshalb interessant sein, weil das Unternehmen Werbung auch auf dem öffentlichen Teil des Internetportals schaltet. Aufgrund dieser Praxis war der Betreiber zuletzt mehrfach bei Politikern der Koalition in die Kritik geraten.

Verlängerung des Vertrages dürfte endgültig vom Tisch sein

Die Prüfung Smoltczyks und deren deutliches Urteil während der Sitzung des Ausschusses für Kommunikationstechnologie und Datenschutz kommt für BerlinOnline zur Unzeit. Erst vor kurzem hatte sich die Senatskanzlei dazu durchringen können, einer über das Jahr 2021 hinausreichenden Zusammenarbeit eine Absage zu erteilen. Zu diesem Zeitpunkt läuft der 1998 geschlossene Vertrag aus. Eine bis vor kurzem noch erwogene Fortsetzung der Zusammenarbeit dürfte nach der Kritik Smoltczyks und der nun im Raum stehenden Strafe durch deren Behörde endgültig vom Tisch sein.

„Das ist ein Skandal“

Während der Geschäftsführer von BerlinOnline, Olf Dziadek, im Gespräch mit dem Tagesspiegel bereits im Vorfeld der Ausschuss-Sitzung jegliche Vorwürfe ungerechtfertigter Datenerhebungen von sich gewiesen hatte, stellten Abgeordnete von SPD, Linken und CDU die Fortsetzung der Zusammenarbeit zwischen dem Land Berlin und BerlinOnline bis zum Vertragsende offen in Frage. Sven Kohlmeier, Sprecher für Digitalpolitik in der SPD-Fraktion, erklärte: "Damit das Portal berlin.de weiter betrieben werden kann, muss der Senat als Miteigentümer auf den Betreiber einwirken, um das Angebot datenschutzkonform zu betreiben. Offenbar werden doch mehr Daten für Werbezwecke verwendet, als bisher bekannt. Das ist ein Skandal.“

Ein „weiteres Alarmsignal“

Kohlmeiers Koalitionskollege Tobias Schulze (Linke) bezeichnete die Ausführungen Smoltczyks als „weiteres Alarmsignal“. Er erklärte: „Trackingdienste, die hundertfach rechtswidrig sensible Nutzerdaten aus Gewinninteresse abfragen, haben auf einer Seite des Landes nichts zu suchen. Der Senat muss darauf hinwirken, dass diese Praxis schnellstmöglich abgestellt wird.“

Dem schloss sich auch Dirk Stettner, Sprecher für Digitales, Netzpolitik und Datenschutz der CDU-Fraktion, an und fragte: „Braucht dieser Senat wirklich erst einen neuen Eigentümer, der öffentlich ankündigt mit den persönlichen Daten der Berliner handeln zu wollen, um sein eigenes, zentrales Onlineportal zu überprüfen? Weiß denn dieser Senat überhaupt nicht was er online und/oder technisch tut?“

Ehepaar Friedrich sorgte mit Aussage für Schlagzeilen

BerlinOnline hatte zuletzt wegen der Übernahme der Anteilsmehrheit durch das Ehepaar Friedrich, dem neuen Eigentümer des Berliner Verlages, für Schlagzeilen gesorgt. Interviewaussagen Holger Friedrichs, der BerlinOnline als „den wahren Schatz unseres Deals“ bezeichnet hatte, sorgten bei Politikern wie Beobachtern für Aufsehen.

Die Einschätzungen Smoltczyks dürften diese Skepsis noch verschärfen. Die Senatskanzlei wiederum hatte den Vertrag mit BerlinOnline bereits Ende 2018 gekündigt. Überlegungen, den 75-prozentigen Anteil des Berliner Verlages an BerlinOnline schon vor 2021 erwerben zu wollen, könnten durch die Erkenntnisse vom Montag nun an Fahrt gewinnen.

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