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Die Rechtspopulistin Marine Le Pen.

© AFP/ED JONES

Heftige Debatte kurz vor Wahl in Frankreich: Le Pen stellt Macrons Rolle als Oberbefehlshaber der Armee in Frage

Auch wenn der RN die neue Regierung stellen sollte, liegen die außenpolitischen Entscheidungsbefugnisse bei Präsident Macron. Mit Blick auf die Verantwortung über die Armee gibt es nun aber Zweifel.

Drei Tage vor der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen die Befugnisse des Präsidenten als Oberbefehlshaber der Armee infrage gestellt und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Die in der Verfassung verankerte Rolle des Präsidenten als „Oberbefehlshaber der Streitkräfte“ sei ein „Ehrentitel“, sagte Le Pen in einem am Dienstagabend veröffentlichten Interview mit der Zeitung „Le Télégramme“.

„Es ist ein Ehrentitel, weil der Premierminister über die Kasse wacht“, betonte sie. Sie gehe davon aus, dass ihre Partei Rassemblement National (RN) die absolute Mehrheit bei der anstehenden Parlamentswahl erreiche und RN-Parteichef Jordan Bardella dann Premierminister werde. „Jordan Bardella wird sich nicht mit dem Präsidenten anlegen, aber es gibt rote Linien. Der Präsident wird keine Soldaten in die Ukraine schicken können“, erklärte Le Pen.

Verteidigungsminister Sébastien Lecornu veröffentlichte als Antwort darauf im Onlinedienst X den entsprechenden Verfassungsartikel und ein Zitat aus einer Rede des früheren Präsidenten Charles de Gaulle. „Laut der Verfassung ist der Präsident der Garant für die Unabhängigkeit und Integrität des Landes sowie für die Verträge, die es verpflichten. Kurz gesagt, er ist für Frankreich verantwortlich“, so zitierte Lecornu eine Rede de Gaulles von 1962.

„Um diese höchste Verantwortung zu tragen, benötigt das Staatsoberhaupt angemessene Mittel. Diese gibt ihm die Verfassung“, fügte de Gaulle demnach hinzu. Der Verteidigungsminister kommentierte dies mit den Worten: „Die Verfassung ist kein Ehrenamt.“

Bayrou wirft Le Pen Verfassungsfeindlichkeit vor

Der dem Präsidenten Emmanuel Macron nahestehende Politiker François Bayrou warf Le Pen seinerseits Verfassungsfeindlichkeit vor. „Wenn Sie behaupten, dass es nur ein hübscher Titel ist, dann stellen Sie auf gravierende Weise die Verfassung infrage“, sagte er am Donnerstag dem Sender Europe 1. Le Pens Erklärung sei „äußerst besorgniserregend“, fügte er hinzu.

Die Wahl zur Nationalversammlung habe nicht nur nationale Bedeutung, sondern auch Folgen für Europa und darüber hinaus, sagte Bayrou. „Putin macht schon den Champagner auf“, sagte er in Anspielung auf die langjährige Nähe des RN zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Le Pen bekräftigte ihre Position später im Onlinedienst X mit etwas diplomatischeren Worten: „Ohne die Zuständigkeit des Präsidenten für die Entsendung von Soldaten ins Ausland in Frage zu stellen, hat der Premierminister durch die Haushaltskontrolle die Möglichkeit, sich dagegen auszusprechen“, erklärte sie.

Sie erinnerte daran, dass der sozialistische Premierminister Lionel Jospin sich 1999 gegen die Entsendung französischer Soldaten ausgesprochen hatte, die der konservative Präsident Jacques Chirac geplant hatte.

Rollenverteilung laut Verfassungsjuristen nicht eindeutig

Verfassungsjuristen weisen darauf hin, dass die Rollenverteilung mit Blick auf die Verteidigung in der französischen Verfassung tatsächlich nicht eindeutig geklärt sei. „Das ist einer der Punkte, wo sie am unklarsten ist“, sagte der Experte Bertrand Mathieu. „Es gibt keine klare Abgrenzung“, fügte er hinzu. Die Frage habe bislang aber keine Rolle gespielt, weil es keine großen Unstimmigkeiten gegeben habe.

Nach Einschätzung des Verfassungsrechtlers Mathieu Carpentier könnte es bei der Frage der Entsendung französischer Militärausbilder in die Ukraine zu Spannungen kommen. Eine solche Entscheidung müsste letztlich von beiden - Präsident und Premierminister - gemeinsam getroffen werden. „Das Risiko einer politischen Krise ist ziemlich groß und könnte unseren strategischen Interessen schaden“, sagte er.

Rassemblement National liegt in den Umfragen deutlich vor dem linken Lager und Macron

Drei Tage vor der Parlamentswahl in Frankreich liegt die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) nach einer neuen Umfrage mit 36 Prozent weiter mit großem Abstand vorn. Das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront folgt mit 29 Prozent der Stimmen, das Regierungslager ist mit 19,5 Prozent weit abgeschlagen, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Ipsos-Umfrage hervorgeht. Die Wahlbeteiligung könnte demnach von knapp 48 Prozent 2022 auf bis zu 65 Prozent steigen.

Mehrere Politiker, die sich als Kandidaten für das Amt des Premierministers ins Gespräch gebracht haben, stoßen auf heftige Ablehnung. So wird der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon von 78 Prozent der Befragten als schlechte Wahl bezeichnet. Der sozialistische Ex-Präsident François Hollande wird von 62 Prozent der Befragten abgelehnt. Die Neue Volksfront hat sich nicht für einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Premierministers entschieden.

Bardella in Umfragen bei 36 Prozent

Der amtierende Premierminister Gabriel Attal, der sich stark im Wahlkampf engagiert hat, kommt auf 29 Prozent Zustimmung. Der Rechtspopulist Jordan Bardella, der im Fall einer absoluten Mehrheit für sein Lager das Amt des Premierministers anstrebt, kommt auf 36 Prozent - identisch mit dem Ergebnis für seine Partei.

Die Möglichkeit, dass Ex-Premierminister Edouard Philippe in das Amt zurückkehren könnte, halten 32 Prozent der Befragten für wünschenswert. Der Vertraute von Präsident Emmanuel Macron ist zuletzt auf Distanz zu ihm gegangen und bringt sich als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2027 in Stellung.

Attal und Bardella treffen am Abend zum zweiten Mal in diesem Wahlkampf in einer TV-Debatte aufeinander. Die Neue Volksfront wird dabei vom Sozialistenchef Olivier Faure vertreten. An der vorigen TV-Debatte hatte der Linkspopulist Manuel Bompard teilgenommen. Die Debatte hatte sich größtenteils um die Finanzierung der verschiedenen Wahlprogramme gedreht. Internationale Fragen - wie Frankreichs Rolle in der EU oder die Unterstützung der Ukraine - waren nicht angesprochen worden. (AFP)

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