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A private jet believed to be carrying WikiLeaks founder Julian Assange arrives at Saipan International Airport in Saipan, Northern Mariana Island, U.S., June 26, 2024. REUTERS/Issei Kato

© REUTERS/ISSEI KATO

Update

Wikileaks-Gründer einigt sich mit Justiz: Julian Assange für Gerichtstermin auf US-Insel Saipan gelandet

Viele Jahre dauert das erbitterte juristisches Tauziehen um Wikileaks-Gründer Julian Assange schon. Nun ist er in den USA eingetroffen. Dort wird ein Prozess stattfinden, der über seine Zukunft entscheidet.

Nach seiner Freilassung aus britischer Haft ist der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks, Julian Assange, für einen Gerichtstermin in einem US-Außengebiet im Westpazifik eingetroffen. Das gecharterte Flugzeug mit Assange an Bord sei am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) auf der Insel Saipan gelandet, teilte Wikileaks auf der Plattform X mit. Die Insel gehört zu den Nördlichen Marianen und steht unter Hoheit der USA. Assange sollte dort vor Gericht erscheinen, um eine Vereinbarung mit der US-Justiz zu besiegeln, mit der er am Ende auf freien Fuß kommen soll.

Das Flugzeug, in dem laut Wikileaks der aus britischer Haft entlassene Julian Assange sitzt, war am Dienstagabend nach einem mehrstündigen Zwischenstopp in Bangkok in Richtung Westpazifik gestartet. Die Chartermaschine vom Typ Bombardier flog von Thailands Hauptstadt zur Insel Saipan, die zu den Nördlichen Marianen gehört und ein Außengebiet der USA ist.

Auf der Plattform „flightradar24“ war die Flugnummer VJT199, die Assanges Frau Stella und Wikileaks zuvor in sozialen Medien genannt hatten, die von Nutzern weltweit am meisten beobachtete Verbindung.

Assange handelte Deal mit den USA aus

In dem US-Außengebiet soll der Australier am Mittwoch vor Gericht erscheinen. Es wird erwartet, dass sich Assange im Rahmen eines Deals mit der US-Justiz bei dem Gerichtstermin der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen und zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt wird. Das entspricht der Zeitspanne, die der Whistleblower in London bereits in einem Hochsicherheitsgefängnis saß. Im Anschluss soll der 52-Jährige voraussichtlich in seine australische Heimat reisen.

Julian Assange

© AFP/WIKILEAKS

Die USA werfen Assange vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

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Zuvor hatte es im jahrelangen rechtlichen Gezerre um Assange eine überraschende Wende gegeben: Nach fünf Jahren Haft in London kam Assange nach Angaben von Wikileaks – zunächst unbemerkt von der Öffentlichkeit – aus dem Gefängnis frei und reiste aus Großbritannien aus. Das Portal veröffentlichte in der Nacht zum Dienstag ein Video, das zeigen soll, wie der 52-Jährige am Londoner Flughafen Stansted ein Flugzeug besteigt.

Eine offizielle Bestätigung der britischen Behörden lag zunächst nicht vor. Hintergrund ist ein juristischer Deal zwischen Assange und der US-Justiz, die zuvor auf eine Auslieferung des Australiers in die Vereinigten Staaten gepocht hatte - davon nun aber absehen will. Assange handelte mit dem US-Justizministerium eine Vereinbarung aus, wonach er sich in dem Spionageskandal teils schuldig bekennen will und ihm im Gegenzug eine weitere Haft in den USA erspart bleibt, wie aus Gerichtsdokumenten hervorgeht.

Assange soll auf Marianeninseln vor Gericht erscheinen

Ein Gericht muss die Einigung allerdings noch absegnen. Assange soll dazu bereits an diesem Mittwoch (Ortszeit) vor einem Gericht in einem entlegenen US-Außengebiet erscheinen: auf den Marianeninseln. 

Die Inselgruppe liegt im Westpazifik, nördlich von Assanges Heimat Australien, und steht unter Hoheitsgewalt der USA. In einem Brief des US-Justizministeriums heißt es, der Ort sei gewählt worden, da Assange nicht in die Vereinigten Staaten habe reisen wollen und die Inselgruppe nahe an Australien liege.

Es werde erwartet, dass sich Assange bei dem Gerichtstermin der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig bekennen werde. Im Anschluss solle er nach Australien weiterreisen. US-Medien zufolge soll Assange zu gut fünf Jahren Haft verurteilt werden – die er aber bereits in Großbritannien verbüßt hat. Demnach wäre er in Kürze ein freier Mann.

Assanges Ehefrau Stella hat eine grundsätzliche Einigung mit der US-Justiz derweil bestätigt. Im Rahmen der Vereinbarung werde sich der 52-Jährige in Bezug auf einen Anklagepunkt im Zusammenhang mit dem US-Spionagegesetz schuldig bekennen, sagte sie am Dienstag der BBC. Im Gegenzug muss der Australier nicht mehr in den USA in Haft. Der Deal müsse aber noch von einem Gericht auf dem US-Außengebiet Nördliche Marianen im Westpazifik bestätigt werden, sagte Stella Assange. „Sobald die Richterin es unterzeichnet hat, ist es formell real.“

Der BBC sagte Stella Assange über die Freilassung ihres Ehemanns: „Ehrlich gesagt ist es einfach unglaublich, es fühlt sich an, als wäre es nicht real.“ Die vergangenen Tage hätten einen Sturm der Gefühle ausgelöst. Sie habe noch keine Zeit gehabt, zu besprechen, was das Paar nach der Freilassung tun werde. Priorität habe, dass Julian Assange „wieder gesund wird – er ist seit fünf Jahren in einem schrecklichen Zustand“.

Die Anwältin und Aktivistin wartete mit den beiden gemeinsamen Kindern in Australien auf Assange. In einem Post auf X veröffentlichte sie ein Foto, das sie beim Videotelefonat mit ihrem Ehemann zeigt. „Julian ruft gestern Abend (bei ihm tagsüber) vom Flughafen Stansted in Sydney an“, schrieb sie dazu.

Assanges Kinder sollen noch nichts von Freilassung wissen

Die Kinder von Julian Assange wissen indes offenbar noch nicht über die Freilassung ihres Vaters Bescheid. „Ich habe ihnen nur gesagt, dass es eine riesige Überraschung gibt“, sagte Stella Assange der BBC. Sie habe lediglich auf dem Weg zum Flughafen in London erzählt, dass die Familie nach Australien fliege, um ihre Großeltern zu treffen.

Die Kinder hätten ihren Vater nie außerhalb seines Londoner Hochsicherheitsgefängnisses gesehen. „Alle ihre Interaktionen mit Julian haben in einem Besucherraum im Gefängnis Belmarsh stattgefunden“, sagte Stella Assange. „Es war immer nur für etwas mehr als eine Stunde. Es war sehr restriktiv.“

WikiLeaks-Gründer Julian Assange geht zum Einstieg in ein Flugzeug.

© REUTERS/"@wikileaks" via X

Weil der Deal, den Assange mit der US-Justiz geschlossen hat, so heikel sei und noch von einer US-Richterin abgesegnet werden müsse, sei die Familie sehr vorsichtig vorgegangen. „Sie wissen es immer noch nicht. Wir sind sehr vorsichtig, denn natürlich kann niemand einen Fünf- und einen Siebenjährigen davon abhalten, es jederzeit von den Dächern zu schreien“, sagte Stella Assange.

Nach Angaben seines Halbbruders ist Julian Assange vor seiner bevorstehenden Rückkehr nach Australien aufgeregt, aber gleichzeitig auch ängstlich. „Julian hat sich auf diesen Flug vorbereitet, und er war sehr aufgeregt, aber auch ein wenig besorgt, vor allem aber aufgeregt, nach all den Jahren frei zu sein“, sagte Gabriel Shipton am Dienstag dem australischen Sender ABC. „Hoffentlich ist er bald zu Hause. Er ist jetzt fast wieder zurück, also glaube ich wirklich nicht, dass es da noch Probleme geben wird.“

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Assange mutmaßlich in Bangkok gelandet

Am Dienstagmittag (Ortszeit) landete das Flugzeug, in dem Assange vermutet wurde, auf einem Flughafen in Bangkok. Wikileaks postete auf X ein Foto von Assange im Flugzeug und schrieb dazu: „Im Anflug auf den Flughafen Bangkok für einen Zwischenstopp.“ Australischen Medien zufolge sollte die Maschine um 21.00 Uhr (Ortszeit) wieder starten. Der Flug auf das entlegene US-Außengebiet im Westpazifik dauert mindestens elf Stunden.

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Was wird Assange vorgeworfen?

Die USA hatten bisher Assanges Auslieferung verlangt. Sie werfen ihm vor, mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Wikileaks-Gründer Julian Assange spricht auf dem Balkon der ecuadorianischen Botschaft in London.

© Kirsty Wigglesworth/AP/dpa

Assanges Unterstützer sehen ihn hingegen wegen des Aufdeckens von US-Kriegsverbrechen im Visier der Justiz aus Washington. Bei einer Verurteilung ohne eine Vereinbarung mit der Staatsanwaltschaft könnten Assange wegen Spionage bis zu 175 Jahre Haft drohen. 

Wikileaks schrieb auf X, es habe lange Verhandlungen mit dem US-Justizministerium gegeben. Die erreichte Einigung sei noch nicht finalisiert. Nach mehr als fünf Jahren „in einer zwei mal drei Meter großen Zelle, in der er 23 Stunden am Tag isoliert war“, werde Assange aber bald wieder mit seiner Frau Stella Assange und den beiden gemeinsamen Kindern vereint werden, „die ihren Vater bislang nur hinter Gittern kennen“. 

Die Odyssee des Wikileaks-Gründers Assange

Assange hatte vor etwa fünf Jahren seine Haft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London angetreten. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen.

Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker fordern seit Langem Assanges sofortige Freilassung. 

Auch die australische Regierung hatte sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers eingesetzt. US-Präsident Joe Biden weckte kürzlich etwas Hoffnung in diese Richtung. Er sagte auf die Frage, ob die USA ein australisches Ersuchen prüfen wollten, die Strafverfolgung gegen Assange einzustellen: „Wir erwägen das.“ Es gab also zwar Anzeichen für eine mögliche politische Lösung – das Timing dafür überraschte nun jedoch.

Nach Angaben des australischen Premierministers Anthony Albanese wird Assange nach seiner Freilassung aus der Haft weiter konsularisch betreut. „Ich möchte sagen, dass die australische Regierung Herrn Assange weiterhin konsularische Unterstützung gewährt hat, und zwar durch den Hochkommissar in Großbritannien, Stephen Smith, der Herrn Assange bei seiner Ausreise aus Großbritannien begleitete, und durch den Botschafter in den USA, Kevin Rudd, der ebenfalls wichtige Unterstützung leistet“, sagte Albanese am Dienstag.

Durch seine fortgesetzte Inhaftierung ist nichts zu gewinnen, und wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird“, sagte Albanese. „Wir haben uns für die Interessen Australiens eingesetzt und alle geeigneten Kanäle genutzt, um ein positives Ergebnis zu erzielen.“ Sobald das Gerichtsverfahren endgültig abgeschlossen sei, werde er sich eingehender äußern, betonte der Premier. Er hoffe, dass dies sehr bald der Fall sein werde.

Assange hatte zuletzt in Großbritannien Berufung gegen seine Auslieferung in die USA eingelegt. Eigentlich sollte darüber im Juli vor dem High Court in London verhandelt werden. Dieser hatte einem entsprechenden Antrag Assanges im Mai teilweise stattgegeben und damit eine unmittelbare Überstellung des 52-Jährigen an die USA abgewendet. 

Stella Assange bittet um Hilfe

Stella Assange rief Unterstützer zu Hilfe auf für ihren Mann nach seiner Freilassung. „Wir beabsichtigen, einen Notfallfonds einzurichten für Julians Gesundheit und Genesung“, sagte sie in einem Videoclip, der in der Nacht auf YouTube veröffentlicht wurde.

Assanges Team hatte zuletzt wiederholt gewarnt, der Gesundheitszustand des Wikileaks-Gründers sei schlecht. An Gerichtsterminen nahm er deshalb nicht persönlich teil.

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„Ich bitte Euch, wenn Ihr könnt, einen Beitrag zu leisten und uns beim Übergang in diese neue Phase der Freiheit von Julian zu helfen“, sagte Stella Assange weiter. Das Video wurde den Angaben zufolge am 19. Juni aufgezeichnet. Wikileaks-Chef Kristinn Hrafnsson sagte darin: „Wenn Ihr dies seht, heißt das, dass er draußen ist.“

Eltern von Assange: „Martyrium findet endlich ein Ende“

Nach der Freilassung von Julian Assange äußert sich auch dessen Mutter. Christine Assange dankte den vielen Unterstützern, die sich jahrelang für den Australier eingesetzt haben. „Ich bin dankbar, dass das Martyrium meines Sohnes endlich ein Ende findet“, zitierte der australische Sender ABC am Dienstag aus einer Mitteilung von Christine Assange. „Das zeigt, wie wichtig und mächtig stille Diplomatie ist.“

„Viele haben die Situation meines Sohnes ausgenutzt, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen, daher bin ich den unsichtbaren, hart arbeitenden Menschen dankbar, die Julians Wohlergehen über alles andere gestellt haben“, erklärte Christine Assange weiter. „Die letzten 14 Jahre haben mich als Mutter offensichtlich stark gefordert, daher möchte ich Ihnen im Voraus dafür danken, dass Sie meine Privatsphäre respektieren.“

Assanges Vater John Shipton sagte ABC Radio: „Es sieht so aus, als ob Julian sein normales Leben mit seiner Familie und seiner Frau Stella genießen kann, so habe ich es verstanden“. Es sehe so aus, als ob sein Sohn frei sein werde, um nach Australien zurückzukommen. Shipton dankte allen Unterstützern in Australien, die das möglich gemacht hätten, und auch Premierminister Anthony Albanese. Der Regierungschef hatte im Mai ein Ende der Inhaftierung von Assange gefordert. (dpa, AFP)

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