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Der Regissuer Volker Koepp.

© Salzgeber

Der Herr der weiten Wasser : Dokumentarfilmer Volker Koepp wird 80

Niemand kartografiert osteuropäische Landschaften so hingebungsvoll wie Volker Koepp. In 60 Jahren Berufstätigkeit hat der bedeutende Regisseur ebenso viele Filme gemacht.

„Und wie war es so, das Leben?“ lautet eine der großen, kleinen Koepp-Fragen, die der alte Herr in denkbar unaufgeregtem Ton einem anderen alten Herrn stellt. Einem Zufallspassanten, den er im mecklenburgischen Anklam auf der Straße trifft.

So zu sehen in Volker Koepps jüngstem Werk, das im vergangenen Jahr auf der Berlinale Premiere feierte: „Gehen und Bleiben“, eine Reise auf den Spuren des Schriftstellers Uwe Johnson. Ein Film, der fast mehr über die Landschaft, die Johnson prägte, als über dessen Vita erzählt. Wenn das überhaupt zu trennen wäre, was es eben nicht ist. Eins schreibt sich ins andere ein, der Mensch, seine Lebenszeit und die Landschaft. Das hat kaum einer so begriffen wie Volker Koepp.

Nur konsequent, dass die Werkschau in der ARD-Mediathek und die TV-Ausstrahlungen, mit denen die Sender RBB, MDR und SWR einen der profiliertesten Dokumentarfilmer des Landes ehren, auch so heißt: „Menschen und Landschaften – Volker Koepp zum 80.“ Auch „Gehen und Bleiben“ ist dort zu sehen und weitere elf Filme aus mehr als 25 Schaffensjahren.

Auf Uwe Johnsons Spuren

Betrachtet man die epische und zugleich fragmentarische Uwe-Johnson-Erkundung, staunt man einmal mehr über Koepps langen Atem. Dieses altmodische Erzählen, das sich von keinerlei Formatzwängen hetzen lässt. Das kontemplative Schwelgen in den silbrigen Wassern der Ostsee, der Warnow und Peene samt dem Wolkentheater an den hohen Himmeln darüber.

Die Ostseeküste in Vorpommern, wie sie in Volker Koepps Dokumentarfilm „Seestück“ zu sehen ist.

© Salzgeber

Die Ostsee, der „Sarmatische Ozean“, ist das Sehnsuchtsmeer von Volker Koepp. Wie das auch nicht anders sein kann, wenn man am 22. Juni im Kriegsjahr 1944 in Stettin geboren wird. Zuerst wird der Abiturient, der bis heute in rund 60 Berufsjahren ebenso viele Filme fabriziert hat, Maschinenschlosser und dann Maschinenbaustudent in Dresden. Doch der Dichter Johannes Bobrowski, dessen Lyrikband „Sarmatische Zeit“ Koepps nachhaltiges Interesse weckt, weist ihm einen anderen Weg: den des Menschen- und Landschaftsentdeckers.

Sarmatien, das ist die Gegend zwischen Königsberg und Odessa, zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Ihr hat sich Volker Koepp, der im Osten als Regisseur des Defa-Studios für Dokumentarfilme mit „Mädchen in Wittstock“ (1974) ebenso reüssiert wie im Westen mit „Kalte Heimat“ (1995), als Kartograf Ostpreußens und später des Baltikums, gewidmet. Koepps Themen Heimat und Heimatverlust sind überall relevant: in der Uckermark ebenso wie auf der Kurischen Nehrung oder in der Ukraine.

Zu Besuch bei Regisseur Hans-Jürgen Syberberg, der bei Demmin sein Elternhaus wieder aufgebaut hat. Szene aus „Gehen und Bleiben“.

© Salzgeber

Mit seinem international bekanntesten Dokumentarfilm „Frau Zwilling und Herr Zuckermann“ über zwei der letzten deutschsprachigen Juden in Czernowitz, der Hauptstadt der Bukowina im Westen der Ukraine, hat der Regisseur einen vergessenen Kulturraum mit reicher Geschichte wieder ins Bewusstsein gerufen.

Der Geburtsort Paul Celans

In die Stadt Paul Celans, der er mehrere Filme gewidmet hat, zieht es ihn immer wieder zurück. Zuletzt habe er im vergangenen November dort mit Felix, dem Sohn von Frau Zuckermann, gesprochen, schreibt er in einer Mail. Für „Chronos“, den Film, an dem Volker Koepp gerade arbeitet.

Zu den Verheerungen des „elenden 20. Jahrhunderts“ (O-Ton Koepp), deren Folgen er sich zeitlebens gewidmet hat, kommen nun die des 21. Jahrhunderts. Durch sie steht die Versöhnungshoffnung, die mit dem Fall des Eisernen Vorhangs verbunden war, und für die Volker Koepp mit seinen Filmen gearbeitet hat, plötzlich wieder infrage. Es sei schlecht möglich, abseits der Zeitgeschichte zu leben, hat Uwe Johnson konstatiert. Volker Koepps Filme gehen mitten in ihre Folgen hinein.

„Und nun diese Geschichtsvergessenheit und diese Kriege“, notiert er in einem „Zwischenruf“, den der in Berlin und der Uckermark ansässige Regisseur im Mai geschrieben hat. Gebe der Lauf der Zeit, dass er sein übernächstes Projekt wieder in geschichtsbewussteren Zeiten angehen kann. Die Möglichkeit, im Dokumentarfilm das Leben der Menschen zu begleiten, manchmal auch über lange Zeit, das nennt Volker Koepp: Glück.

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