zum Hauptinhalt
Die Autorin Johanna Sebauer nach ihrer Lesung.

© Johannes Puch/ORF

Dritter Tag des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs: Das Gurkerl und die mediale Erregung

Am letzten Lesetag der 48. Tage der deutschsprachigen Literatur erfreut sich die Jury vor allem an einer humorigen Mediensatire von Johanna Sebauer. Die Preise werden am Sonntag vergeben.

Es strahlte an diesem Samstag endlich schön blau vom Klagenfurter Himmel, und die Jury war dementsprechend noch einmal eine Idee sommerlicher als die Tage zuvor gekleidet: Mara Delius beispielsweise in einer leuchtend orangen Bluse, Klaus Kastberger in einem schwarzen T-Shirt mit grünem Gurken-Gimmick auf der linken Brust, das er später gegen eins mit „Literatur H aus Graz“ tauschte (er leitet das Grazer Literaturhaus), und auch Sanyal und Tingler bevorzugten Kurzärmeliges.

Nur Thomas Strässle blieb seinem Sakko über dem Hemd treu. Was der Hut bei Kastberger auf dem Pult, das Tuch bei Delius, die roten Aktenmappe bei Schwens-Harrant und das Taschentuch-Mäppchen (?) bei Sanyal sollten: Pop, den eigenen Stil zum Ausdruck bringen, Glücksbringer? Das wissen nur die Jurorinnen.

Der Tag war ein interessant durchwachsener. Er begann sehr mau mit einem nicht besonders gut geschriebenen, fantastischen Text des Schweizers Semi Eschmamp, „Ist Realität selbst da, wo sie nicht hingehört“. Gut fand die Jury ihn nicht, blieb aber zurückhaltend und freundlich-ambivalent.

Endlich Humor!

Um danach aber Johanna Sebauers zwar ganz okaye, aber arg vorhersehbare Mediensatire „Das Gurkerl“ über Gebühr zu feiern: „ein wahnsinnig gut geschriebener Text“ (Sanyal), „ein unfassbar gut komponierter Text“ (Delius), „extrem elegant“ (Delius), „elegant gebaut“ (Strässle), „klug“ (Strässle), „überaus gelungen“ (Tingler),„sprachliche Gestaltung überaus gekonnt“ (Tingler). Fast ein bisschen wunderlich war das.

Klaus Kastberger mit seinem Gurkencomic-T-Shirt, der Seebauer eingeladen hatte, war jedenfalls „glücklich“: „Es ist ja nicht selbstverständlich, dass humorvolle Texte hier eine Chance haben.“

Die Gräben gingen erst wieder auf, als die Lesung von Miedya Mahmod vorbei war. Mahmods Text ist ein extrem fragmentierter, stofflich überladener, vor allem von der Form und dem sprachlichen Spiel- und Experimentierwillen kommender.

Die Jury lobte die Performance und wie viel der Text, der „Es schlechter ausdrücken wollen. Oder Ba, Da“ heißt, durch den Vortrag nochmal gewonnen habe - und verstrickte sich in einer Debatte darüber, wie Klagenfurt-Texte bewertet sollen, wenn sie beim stillen Lesen nicht wirklich funktionieren, unverständlich bleiben oder erst mittels eines „kuratorischen Begleitnarrativs erklärt werden müssen“, wie Tingler monierte.

Delius und Tingler gefiel der Text offensichtlich nicht, Sanyal und Kastberger waren beeindruckt, Sanyal natürlich „tief“. Wobei Kastberger von Ilse Aichinger, Gert Jonke und Friederike Mayröcker kam, Sanyal dagegen Form und Inhalt perfekt zur Deckung gebracht sah.

Die Diskussion mit ihrem Fokus aber eben nicht auf dem Inhalt, sondern mehr auf der Form und der Sprache von Mahmods Text und auf der Performance hatte eher stellvertretenden Charakter für die nicht zuletzt ideologischen Differenzen in der Jury. Das Politische blieb da außen vor.

Am Ende rührte schließlich Tamara Stajner mit ihrer höchstwahrscheinlich hochautobiografischen Erzählung „Luft nach unten“ über eine sehr problematische Mutter-Tochter-Beziehung, schaffte sie es doch vor lauter Weinen kaum, ihre Lesung zu Ende zu bringen.

Am Sonntag um 11 Uhr werden die Preise verteilt, live übertragen von 3 Sat. Neben dem mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis gibt es drei weitere vom Deutschlandfunk und zwei anderen Sponsoren (eine Bank, ein Stromunternehmen), dazu kommt der Publikumspreis. Gut im Rennen, gemessen an den Urteilen der Jury: Tijan Sila, Henrik Szanto, Denis Pfabe, Olivia Wenzel und Johanna Sebauer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false