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Gerhart Baum (FDP) von Juni 1978 bis September 1982 Bundesinnenminister.

© dpa/Britta Pedersen

„Helmut Schmidt hätte zur Ordnung gerufen“: Ex-Innenminister Baum rügt Führungsstil von Kanzler Scholz scharf

Die Streitereien zwischen SPD, Grünen und FDP belasten das Klima in der Ampel. Der ehemalige Bundesinnenminister Baum sagt klar, was er vermisst.

Die Sommerpause ist vorbei und die Ampel-Regierung streitet munter weiter – über das Wachstumschancengesetz, die Kindergrundsicherung oder den Industriestrompreis. Für den ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sind dabei aber nicht die Inhalte das Problem. Er kritisierte nun scharf den Führungsstil von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

„Ich sehe die Art, wie die Ampel regiert, mit großer Sorge. Nicht, dass ständig gestritten wird über einzelne Themen, aber wie gestritten wird, wie man sich gegenseitig herabsetzt. Ich denke an (Helmut) Schmidt, meinen Bundeskanzler, zurück. Der hätte uns sofort zu Ordnung gerufen“, sagte Baum dem „Spiegel“.

Baum fordert einen Kurswechsel: „Die Partner müssen sich erst mal verständigen, bevor sie öffentlich streiten. Das hat Scholz in der Hand. Das müsste er viel stärker ins Feld führen.“

Die Menschen wollen wissen, wo die Reise eigentlich hingeht.

Gerhart Baum, Ex-Bundesinnenminister (FDP)

Wichtig seien klarere Visionen, führte der Liberale weiter aus. „Die Koalition repariert an einem Haus, kreativ und innovativ. Aber man weiß gar nicht, wie das Haus am Ende aussehen soll. Die Menschen wollen wissen, wo die Reise eigentlich hingeht“, sagte Baum.

Baum war von 1972 bis 1978 Parlamentarischer Staatssekretär bei den damaligen Bundesinnenministern Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer und von Juni 1978 bis September 1982 Bundesinnenminister in den Kabinetten Schmidt II und Schmidt III.

Am Sonntag hatte Baum im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur deutliche Worte von Scholz zur AfD gefordert. „Ich erwarte vom Bundeskanzler Klartext zur AfD“, sagte der 90 Jahre alte Menschenrechtsanwalt in Köln. Wer die AfD wie Scholz als „Schlechte-Laune-Partei“ abtue, verharmlose sie. „Die AfD ist die größte Gefahr für unsere Demokratie seit Gründung der Bundesrepublik vor 74 Jahren“, warnte Baum. „Leute, wacht auf!“

Dem „Spiegel“ sagte er nun: „Ich warne davor, diese Gefahr zu verharmlosen. Ich übertreibe nicht. Ich fühle, dass es mehr ist als nur die AfD. Es gibt einen Strom von rechtsextremistischen Tendenzen. Auch in Teilen des Bürgertums.“

Weiter sagte der FDP-Politiker: „Scholz muss die Gefahr benennen. Offenbar hat er Angst, dass das die AfD aufwertet, aber was soll eigentlich noch passieren?“ Man müsse die Menschen auf die Gefahren hinweisen, sagt der 90-Jährige weiter. „Die Demokratie muss gelebt werden. Die Menschen müssen für die Demokratie kämpfen.“

Auf die Frage, ob AfD-Politiker Nazis sind, antwortet Baum: „Sie vertreten eine Nazi-Ideologie. Ich habe die alten Nazis nach dem Krieg erlebt. Diese Leute, die Minderheiten verachtet haben, die nicht zur deutschen Schuld standen, die ein verlogenes Heimatbewusstsein hatten, sich von der Welt abgeschottet haben. Und die sind wieder da. Diese Typen sind wieder da.“

Baum, der als Innenminister auch mit dem Terror der Roten Armee Fraktion (RAF) konfrontiert war, sagte zum Bedrohungspotenzial von AfD und RAF: „Die AFD ist viel gefährlicher. Die RAF war eine kleine Truppe, die keinen Staatsnotstand ausgelöst hat. Die Bevölkerung war gar nicht das Ziel dieser Truppe.“ 

Die rechte Gefahr sei nicht ernst genommen worden, warnte Baum. „Für die Deutschen war die Gefahr immer links. Linke Gefahr ist kein Grund, die rechte zu relativieren.“ (lem)

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