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Nancy Faeser SPD, Bundesinnenministerin.

© imago/Martin Müller/IMAGO/MARTIN MÜLLER

Nach Bund-Länder-Treffen zur Migration: Faeser will Asylverfahren in Drittstaaten weiter prüfen – Kritik von Wagenknecht bis Pro Asyl

Die Bundesinnenministerin will Asylverfahren in Drittstaaten weiter prüfen lassen, aber nicht prioritär. Sachsens CDU-Innenminister sieht bei der SPD dennoch Anzeichen für eine restriktivere Asylpolitik.

Nach dem Bund-Länder-Gipfel hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) eine „umfassende und ergebnisoffene Prüfung“ der Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten zugesichert. „Kooperationen mit Drittstaaten können ein weiterer Baustein der Migrationspolitik sein“, erklärte Faeser am Freitag in Berlin. Sie könnten „aber ganz anders als das EU-Asylsystem keinen großen Effekt haben zur Begrenzung von Flüchtlingszahlen“. Dies zeigten „die bisherigen Erfahrungen Italiens und Großbritanniens“.

Deshalb habe für sie die „schnellstmögliche Umsetzung“ der vereinbarten Reform des europäischen Asylsystems „weiter höchste Priorität“, betonte Faeser. „Damit sorgen wir für Begrenzung, Kontrolle, für einen starken Schutz der EU-Außengrenzen und eine gerechtere Verteilung innerhalb Europas.“ Dies sei aus ihrer Sicht „der Schlüssel zur Begrenzung irregulärer Migration“.

Experten skeptisch bei Asylverfahren in Drittstaaten

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte den Ländern bei dem gemeinsamen Spitzentreffen am Donnerstag zugesichert, die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten weiter prüfen zu lassen und bis Dezember Ergebnisse mitzuteilen. Vor allem unionsgeführte Länder hatten bei dem Treffen bereits „konkrete Modelle“ für ausgelagerte Verfahren gefordert.

Das Bundesinnenministerium hatte für das Bund-Länder-Treffen bereits Dutzende Experten zu Asylverfahren in Drittstaaten befragt. Grundlage waren dabei im Wesentlichen die Pläne Großbritanniens für Asylverfahren im ostafrikanischen Ruanda und Italiens Vereinbarung zu Asylverfahren in Albanien. Die Mehrheit der Experten zeigte sich dabei skeptisch zur Übertragbarkeit auf Deutschland und verwies auf hohe rechtliche und praktische Hürden.

Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) sah die Auslagerung in Drittstaaten wie andere von den Sozialdemokraten geführte Länder äußerst skeptisch. „Ich sehe angesichts der bislang vorliegenden Expertisen nicht, wie eine solche Variante rechtlich und faktisch möglich sein soll“, erklärte sie am Freitag. „Aber von mir aus sollen die Experten sich das noch einmal genau anschauen.“

Hamburgs Innensenator Grote für Abschiebungen nach Afghanistan

Was Abschiebungen von Straftätern und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan betrifft, rechnet Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) bereits in wenigen Wochen mit den ersten Rückführungen. „Ich gehe davon aus, dass das innerhalb der nächsten Wochen schon klappen wird“, sagte Grote am Freitag in Potsdam vor dem letzten Tag der Innenministerkonferenz (IMK). Sein Eindruck sei, dass die Bundesregierung das Vorhaben mit „großer Entschlossenheit“ vorbereite.

Auf einen konkreteren Zeitraum wollte sich Grote nicht festlegen. Die Länder seien alle aufgefordert worden, Fälle von afghanischen Straftätern und Gefährdern zu benennen, die vollziehbar ausreisepflichtig seien, erklärte Grote. An diesen Fällen werde jetzt konkret gearbeitet. Bei dem Treffen der Innenminister in Potsdam habe er „große Einigkeit“ wahrgenommen. Nun sei es wichtig, dass die Bundesregierung „schnell in die Umsetzung kommt“.

Grote wirbt für die Abschiebung von Straftätern und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan und Syrien. „Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er beispielsweise aus Afghanistan kommt“, sagte der Sprecher der SPD-geführten Länder in der IMK der Deutschen Presse-Agentur. Hier wiege das Sicherheitsinteresse Deutschlands schwerer als das Schutzinteresse des Täters.

Der sächsische Innenminister Armin Schuster (CDU) sieht auch deshalb Anzeichen in der SPD für eine restriktivere Asylpolitik. Schuster führte das am Freitag im Deutschlandfunk unter anderem auf Druck der Unionsparteien zurück. So habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei den derzeitigen Beratungen mit den Innenministern der Länder erkennen lassen, ein sächsisches Sofortprogramm zur Abschiebung Schwerstkrimineller und sogenannter Gefährder nach Afghanistan und Syrien zu unterstützen.

Armin Schuster (CDU), Innenminister von Sachsen.

© dpa/Christoph Soeder

„Jetzt muss schnell gehandelt werden, jetzt muss mutig gehandelt werden“, sagte Schuster. Er glaube, dass die Sozialdemokraten nach den jüngsten Wahlergebnissen und Analysen verstanden hätten, dass das „wichtigste Thema Migration jetzt einfach angepackt werden muss“.

Zum Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom Donnerstag, demzufolge die Bundesregierung Asylverfahren in Drittstaaten bis Dezember weiter prüfen will, sagte Schuster: „Mir ist es zwar zu lange bis Dezember. Aber man spürt, dass sich was tut.“

Pro Asyl spricht von „Irrweg“

Pro Asyl kritisierte die Vereinbarung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Regieungschefinnen und -chefs der Bundesländer. Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin der Flüchtlingshilfeorganisation, sprach von einem „Irrweg“ und einer „Scheinlösung“. „Eine Auslagerung von Asylverfahren führt zu gefährlicheren Fluchtrouten, Verzweiflung bei den Betroffenen und der Gefahr, dass schutzbedürftige Menschen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt werden“, sagte sie.

Der sächsische Innenminister Schuster forderte am Freitag im Deutschlandfunk, die wegen der Sicherheitslage derzeit ausgesetzten Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen und dafür auch mit den dort regierenden radikalislamischen Taliban zu verhandeln. Der CDU-Politiker verwies auf die freiwillige Aufnahme von Afghanen in Deutschland und die damit verbundenen Gespräche. Diese Kontakte könnten auch für Abschiebungen genutzt werden. „Die Flugzeuge müssen ja zurück nicht leer fliegen“, sagte Schuster. Das wäre aus seiner Sicht mit den Taliban verhandelbar.

Den derzeit für Syrer in Deutschland geltenden sogenannten subsidiären Schutz stellte Schuster infrage. Der CDU-Politiker äußerte Zweifel, dass die Sicherheitslage in allen Teilen des Bürgerkriegslandes diesen Schutz der geflohenen Menschen erfordere.

Parteigründerin Sahra Wagenknecht kritisierte die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz zur Migration als unzureichend. „Das war kein Doppelwumms, sondern eine Doppelnull von Scholz und den Länderchefs“, sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) am Freitag.

Für die Bürger sei Migration eines der drängendsten Probleme, mahnte Wagenknecht. Die Beteiligten hätten sich aber nur auf Vages verständigt und sich bis Dezember vertagt. Das befördere eine Vertrauenskrise in die Politik. „Der gestrige Tag war ein neuerlicher Tiefpunkt der Bund-Länder-Konferenzen“, sagte die BSW-Chefin. (AFP, dpa, epd)

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